»Die Ritualmorde sind Fakt, die Gaskammern in Auschwitz dagegen sind leider ein Fake«, behauptete Polens berüchtigter Antisemit Grzegorz Braun am Jahrestag des Pogroms von Jedwabne. Die Schoaleugnung und die klare Aufstachelung zum Hass gegen Juden sind selbst dem Redakteur des rechtspopulistischen Radiosenders »Wnet« zu viel. Nach Brauns Bedauern, dass die Gaskammern »leider ein Fake« seien, bricht er das Interview mit dem EU-Abgeordneten ab. Doch warum er dem notorischen Antisemiten überhaupt die Möglichkeit gegeben hat, per Liveschalte aus Jedwabne seine Hassbotschaft zu verbreiten, erklärt der Journalist seinen Zuhörern nicht.
Kurz darauf stören Braun und Hunderte polnische Nationalisten die Gedenkfeier in der nordostpolnischen Kleinstadt Jedwabne, zu der am 10. Juli Polens Oberrabbiner Michael Schudrich, jüdische Gemeindemitglieder und hochrangige Gäste aus dem Ausland gekommen sind, etwa 100 Menschen. Während die einen beten und die Namen der 1941 von ihren polnisch-katholischen Nachbarn in Jedwabne ermordeten Opfern vorlesen, grölen die anderen lautstark: »Hier ist Polen und nicht Polin!« Das Wort »Polin« ist Hebräisch und bedeutet »Hier ruhe aus«. Polin ist auch der Name des Museums der Geschichte der Juden Polens in Warschau.
Als die Deutschen am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfielen, kam es entlang der gesamten Demarkationslinie zwischen den im Hitler-Stalin-Pakt 1939 festgelegten »Einflusssphären« zu Pogromen der katholischen Lokalbevölkerung gegen ihre jüdischen Nachbarn. Viele waren von SS-Einsatzgruppen angestiftet worden, so auch in Jedwabne. Doch über Jahrzehnte erinnerte am Ortseingang ein Gedenkstein an die 1600 Juden, die angeblich von den Deutschen ermordet worden waren. Erst im Jahr 2000, nach Erscheinen des aufsehenerregenden Buches Nachbarn von Jan Tomasz Gross kam die Wahrheit ans Licht: Die Pogrome waren von dort lebenden Polen, Litauern und Ukrainern begangen worden. Die mehr als zwei Jahre anhaltende heftige Diskussion stieß neue Forschung an, Staatsanwälte ermittelten. Die Exhumierung der Opfer allerdings, die in einer Scheune bei lebendigem Leib verbrannt worden waren, wurde auf Anraten einer Rabbinerkommission abgebrochen. Das Verbrechen sei bewiesen und die Totenruhe der Opfer nicht weiter zu stören.
Offensichtliche Geschichtsverdrehung
Als die Gruppe rund um Rabbiner Schudrich den Gedenkort verlassen will, stellt sich ihr ein krakeelender Mob in den Weg. Fahnen in den weiß-roten Nationalfarben werden geschwenkt und große Banner in die Höhe gehalten. Auf einem steht: »Wir entschuldigen uns nicht für Jedwabne. Die Täter sollen sich entschuldigen!« Auf einem anderen: »Die Exhumierung abschließen! Schluss mit den Verleumdungen pseudohistorischer Forscher gegenüber den Polen!« Nur unter Polizeischutz kann die Gruppe den Gedenkort verlassen.
Rund 60 Meter entfernt hat der rechte Publizist Wojciech Sumliński ein Grundstück gekauft und einen »alternativen Gedenkort« errichten lassen. Auf Messingtafeln wird der tatsächliche Hergang des Pogroms geleugnet. Angeblich widersprächen »Beweise und Zeugenaussagen der Behauptung, dass Polen für den Mord an den Juden in Jedwabne am 10. Juli 1941« verantwortlich seien. »In Wirklichkeit« sei er »von einer deutschen Pazifizierungstruppe unter dem Kommando von Hermann Schaper begangen« worden. »Yad Vashem ist zutiefst schockiert und besorgt über die Schändung der historischen Wahrheit und der Erinnerung an der Gedenkstätte Jedwabne«, heißt es in einer Erklärung der internationalen Gedenkstätte. Es sei ein »offensichtlicher Versuch, die Geschichte des Massakers an Juden zu verdrehen«.