»Gerechte unter den Völkern«

Geste der Anerkennung

»Allee der Gerechten« in der Jerusalemer Holocaustgedenkstätte Yad Vashem Foto: dpa

»Gerechte unter den Völkern«

Geste der Anerkennung

Das neue Rentenprogramm von Claims Conference und Auswärtigem Amt unterstützt Bedürftige

von Jérôme Lombard  09.07.2020 11:03 Uhr

Sie haben ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, um Juden vor den Nazis zu retten: die »Gerechten unter den Völkern«. In Israel werden diese mutigen Menschen seit 1963 jedes Jahr mit einer Auszeichnung geehrt. Seit einigen Wochen werden sie nun auch in Deutschland stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

Im Juni startete die Jewish Claims Conference (JCC) zusammen mit dem deutschen Außenministerium ein neues Rentenprogramm für diesen Personenkreis. Rückwirkend zum 1. Januar 2020 erhalten von nun an Menschen, die von der Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als »Gerechte unter den Völkern« anerkannt wurden und sich in einer wirtschaftlichen Notsituation befinden, eine monatliche Rente aus dem sogenannten Righteous Gentiles Fonds in Höhe von 513 Euro.

RetteR Als »Gerechter unter den Völkern« gilt ein Nichtjude, der sein Leben oder das seiner Familie riskiert hat, um einem verfolgten Juden zur Flucht zu verhelfen. Auch wer Juden versteckt, ihnen Lebensmittel oder gefälschte Dokumente organisiert hat, wird offiziell anerkannt. Ein weiteres Kriterium ist, dass die Helfer für ihre Taten keine Gegenleistung verlangt haben.

Der Repräsentant der Claims Conference in Deutschland, Rüdiger Mahlo, sieht den neuen Rentenfonds als Ausdruck historischer Gerechtigkeit. »Es ist eine Frage des Anstands, dass die Menschen, die durch ihr mutiges Verhalten und ihre zutiefst menschlichen Taten Juden während des Holocaust gerettet haben, Unterstützung in einer schwierigen Lebenssituation erhalten«, sagte Mahlo der Jüdischen Allgemeinen.

Verhandlungen Die Claims Conference hatte sich bei den Verhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium im vergangenen Jahr auf die Einrichtung des Fonds verständigt. Da es sich um keine Entschädigung im klassischen Sinne handelt, ist der Fonds beim Auswärtigen Amt angesiedelt. Obschon sich die Claims Conference bereits seit den 60er-Jahren mit verschiedenen Hilfsprogrammen an die »Gerechten unter den Völkern« wendet, ist das neue Rentenprogramm die erste regelmäßige Unterstützung für diese heute zumeist hochbetagten Menschen.

Bei der ersten Auszahlungsrunde im Juni waren 175 Personen in 16 Staaten empfangsberechtigt. Die weitaus meisten leben in Polen, viele andere in der Ukraine und Litauen.

»Es ist eine überaus großherzige Geste der Jewish Claims Conference, an die Menschen, die als ›Gerechte unter den Völkern‹ anerkannt wurden und die heute unter schwierigen Bedingungen leben, eine Rente zu zahlen«, sagt Michaela Küchler, Botschafterin und Sonderbeauftragte des Auswärtigen Amts für Beziehungen zu jüdischen Organisationen, Holocaust-Erinnerung, Antisemitismus sowie internationale Angelegenheiten der Sinti und Roma.

Man könne es sich heute kaum mehr vorstellen, was es bedeutet, einem Menschen unter Einsatz des eigenen Lebens Schutz zu gewähren. »Für die Bundesrepublik Deutschland ist es ein wichtiges Anliegen, diesen Menschen für ihren heldenhaften Einsatz zu danken«, betont Küchler.

Sie hatte vergangenes Jahr Gelegenheit, in Warschau mit drei »Gerechten« zu sprechen. Sie war beeindruckt von deren Mut und berührt von ihrer Menschlichkeit, wie sie sagt. Eine dieser Frauen war Danuta Mikulska-Renk.

Ihre Familie rettete während der Schoa mehrere Juden, indem sie sie zunächst in der Scheune auf ihrem Bauernhof versteckte und später eine Unterkunft für sie baute. Mikulska-Renk, die mit einem der jüdischen Mädchen, die ihre Familie versteckt hatte, in Kontakt blieb, erhielt 1990 in Israel die Medaille für »Gerechte unter den Völkern«.

Die Rentenzahlung sei eine große Hilfe, sagt ihr Sohn Jan Szubiak. »Mama hat gerade eine größere zahnärztliche Behandlung hinter sich, dorthin wird das meiste Geld gehen.«

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts.

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

USA

Auf der Suche nach dem »Jewish Glam«

Wie jüdische Fotografinnen und Fotografen Hollywood zu seinem berühmten Glamour verhalfen

von Ute Cohen  17.10.2025

Stockholm

Wirtschaftsnobelpreis geht auch an jüdischen Ökonom

Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt werden für ihre Forschung zu nachhaltigem Wachstum geehrt

 13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

von Nicole Dreyfus  12.10.2025

Malibu

Kiss-Sänger Gene Simmons bei Unfall verletzt

Der 76-Jährige soll hinter dem Steuer das Bewusstsein verloren haben

 10.10.2025

Meinung

Außen hui, innen pfui: Trumps Umgang mit den Juden

Während sich der US-Präsident um die Juden in Israel verdient macht, leidet die jüdische Gemeinschaft im eigenen Land unter seiner autoritären Innenpolitik. Das sollte bei aller Euphorie über den Gaza-Deal nicht vergessen werden

von Joshua Schultheis  09.10.2025

Literatur

Nobelpreis für Literatur geht an László Krasznahorkai

Die Literaturwelt blickt erneut gebannt nach Stockholm. Dort entscheidet man sich diesmal für einen großen Schriftsteller aus Ungarn - und bleibt einem Muster der vergangenen Jahre treu

von Steffen Trumpf  09.10.2025

Italien

»Mein Sohn will nicht mehr Levy heißen«

Wie ist es in diesen Tagen, Jude in einer europäischen Metropole zu sein? Ein Besuch bei Künstler Gabriele Levy im jüdischen Viertel von Rom

von Nina Schmedding  06.10.2025

Großbritannien

Empörung über Israels Einladung an Rechtsextremisten

Jüdische Verbände und Kommentatoren in Großbritannien sind entsetzt, dass Diasporaminister Chikli und Knesset-Sprecher Ohana ausgerechnet nach dem Anschlag von Manchester einen rechten Agitatoren hofieren

von Michael Thaidigsmann  06.10.2025