Interview

Fünf Minuten mit ...

Rabbiner Pinchas Goldschmidt Foto: Rolf Walter

Herr Rabbiner, Anfang der Woche haben sich mehr als 200 Rabbiner aus ganz Europa in Toulouse getroffen. Warum gerade dort?
Toulouse ist der Ort, an dem vor drei Jahren die neue Welle islamistischen Terrors gegen die Juden in Europa begann. Zwar gab es schon vorher Angriffe gegen Juden, aber wir erleben hier eine neue Art des radikal-islamischen Terrorismus: Er begann in Toulouse und setzte sich dann in Brüssel, Paris und Kopenhagen fort. Mit unserem Besuch in Toulouse wollten wir die dortige jüdische Gemeinde stärken, die sich noch immer nicht von den Terroranschlägen erholt hat.

Was waren die Themen bei dem Treffen?
Wir haben über vieles diskutiert: über Erziehung und jüdisches Leben, über halachische Fragen und technische Neuerungen. Wir haben auch die Ozar-Hatorah-Schule besucht, vor der ein islamistischer Terrorist am 19. März 2012 einen Rabbiner und drei Kinder ermordete. Außerdem hatten wir eine Veranstaltung zur Erinnerung an das Ende des Holocaust und des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren. Und wir haben der mehr als 250.000 jüdischen Soldaten in den alliierten Streitkräften gedacht, die im Zweiten Weltkrieg ums Leben kamen.

In Prag kamen vor Kurzem etwa 100 Rabbiner zu einem Selbstverteidigungs-Workshop zusammen. Ist das nötig?
Ich denke, Rabbiner sollten mehr Sport treiben, das täte uns bestimmt gut – wir sitzen viel, sei es in der Synagoge oder am Schreibtisch. Allerdings sehe ich die Verantwortung für die Sicherheit der jüdischen Gemeinden bei den europäischen Regierungen und nicht bei den Rabbinern.

Können Rabbiner irgendetwas tun, damit sich Juden in Europa sicherer fühlen?
Manche Gemeindemitglieder fühlen sich seit den Terroranschlägen mehr als Juden, als sie das früher taten. Andere hingegen distanzieren sich aus Angst von der Gemeinde und kommen nicht mehr zu Veranstaltungen. Sie glauben, sicherer zu sein, wenn sie ihr Jüdischsein verbergen. Die Botschaft, die wir den Juden Europas vermitteln wollen, ist: Versteckt euer Jüdischsein nicht! Was wir zurzeit erleben, ist kein Kampf des radikalen Islam gegen die europäischen Juden, sondern ein Kampf gegen Europa und seine Werte. Alle konfessionellen Gruppen sollten zusammenarbeiten, um dieses Problem gemeinsam in den Griff zu bekommen.

Wie sind die Kontakte zwischen der Europäischen Rabbinerkonferenz und muslimischen Institutionen?
Wir haben gute Kontakte mit einigen Führungspersönlichkeiten des moderaten Islam in Europa, zum Beispiel in Frankreich, Deutschland und Italien. In mehreren Ländern gibt es gemeinsame Initiativen: Man denke nur an die Geste kurz nach den Anschlägen von Kopenhagen Mitte Februar, als in mehreren skandinavischen Städten um die Synagogen Menschenketten gebildet wurden. An diesen Projekten waren federführend Muslime beteiligt – das hatte es vorher nicht gegeben. Ich denke, dass der moderate Islam im Kampf gegen den islamistischen Terror unser natürlicher Verbündeter ist. Er leidet nicht weniger darunter als wir – und bei ihm steht sogar die Existenz auf dem Spiel.

Mit dem Oberrabbiner von Moskau und Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz sprach Tobias Kühn.

Hollywood

80 Jahre Goldie

Die quirlige Schauspielerin feiert ihren runden Geburtstag – und ist nicht zu bremsen

von Barbara Munker, Sophie Albers Ben Chamo  23.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

Judenhass

»Wir wollen keine Zionisten«: Mamdani reagiert auf antisemitische Kundgebung vor Synagoge

Die Teilnehmer schrien unter anderem »Tod den IDF!« und »Globalisiert die Intifada!«

von Imanuel Marcus  21.11.2025 Aktualisiert

New York

Neonazi wollte als Weihnachtsmann jüdische Kinder mit Süßigkeiten vergiften

Der Antisemit soll zudem »Interesse an einem Massengewaltakt« gezeigt und Anleitungen zum Bau von Bomben geteilt haben. Nun wird er angeklagt

 21.11.2025

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  20.11.2025

Russland

Der Vater der israelischen Rüstungsindustrie

Emanuel Goldberg war ein genialer Erfinder in der Weimarer Republik. Die Nazis sorgten dafür, dass er in Europa vergessen wurde. Doch bis heute macht der Mann aus Moskau Israel sicherer

von Leif Allendorf  20.11.2025