Kalifornien

»Es ist okay, nicht okay zu sein«

Auch in Pasadena mussten viele Menschen fluchtartig ihre Häuser verlassen. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Apokalypse, Inferno oder Kriegsfilm – diese Begriffe fallen einem zuerst ein, wenn man die Bilder aus Altadena, Pacific Palisades und anderen Orten im Großraum Los Angeles sieht. Denn wenige Tage nach Neujahr begannen in Südkalifornien die schlimmsten Waldbrände in der Geschichte des US-Bundesstaates zu wüten.

Allein dem sogenannten »Eaton Fire« in Altadena sind bisher mindestens 17 Menschen zum Opfer gefallen, mehr als 2700 Gebäude wurden zerstört. Ganze Straßenzüge in dem Künstlerstädtchen nordöstlich von Los Angeles, wo Wohnraum für südkalifornische Verhältnisse noch halbwegs erschwinglich war und viele junge Familien ihr erstes Haus kauften, sehen aus, als ob gleich mehrere Bomben explodiert wären.

Meine Familie hat Glück gehabt. Wir wohnen in Pasadena, etwa 15 Minuten von der Stadtmitte Los Angeles und etwa genauso weit vom Ausbruchsort des Feuers entfernt. Unsere Gegend wurde nur in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Konkret bedeutet das, dass eine Evakuierungsanordnung anstehen könnte. Ob das geschieht, hängt einzig und allein davon ab, in welche Richtung die Winde wehen.

Santa Ana Winde transportieren das Inferno

Genau diese sind das Problem. Denn von Dienstag auf Mittwoch vergangener Woche, also in der Nacht, als sich für viele unserer Freunde das Leben schlagartig änderte, wehten die berüchtigten Santa-Ana-Winde. Was so romantisch klingt, ist in der Realität nichts anderes als ein Sturm. Und dieser fegte mit Böen von bis zu 160 Kilometer pro Stunde von den Bergen herab in die Niederungen. Die seit acht Monaten anhaltende Trockenheit trug ebenfalls zum Ausbruch zahlreicher Brandherde bei. Die Sturmböen wehten Funken und glühende Asche mehrere Kilometer weit, sogar bis in unseren Garten.

Und auch zum Pasadena Jewish Temple and Center (PJTC), das Feuer fing und bis auf die Grundmauern niederbrannte. Die mehr als 100 Jahre alte Gemeinde, die der konservativen Strömung des amerikanischen Judentums angehört, ist auch für meine Familie im turbulenten Leben mit zwei Kindern, Hund und diversen Jobs seit über zehn Jahren so etwas wie ein spiritueller Anker.

Seit Februar vergangenen Jahres arbeite ich selbst dort als Assistentin der Geschäftsführerin. Gemeinsam mit Kollegen und einigen Vorstandsmitgliedern erlebte ich per Kurznachricht die dramatische Rettung der 13 Torarollen mit: Gegen 18.30 Uhr am Dienstagabend vergangener Woche sah Rabbiner Joshua Levine Grater, der ganz in der Nähe der Synagoge wohnt und der Gemeinde bis 2015 als ihr Rabbiner diente, unweit des PJTC hinter einem Hügel die Flammen aufkommen. Daraufhin rief er seine Freundin und frühere Kollegin, Kantorin Ruth Berman Harris, an, die sich mit ihrem Mann dorthin aufmachte.

21 Familien haben nun kein Dach mehr über dem Kopf

Als sie am PJTC eintrafen, war dies bereits in dicke Rauchschwaden gehüllt. Kurz darauf fiel der Strom aus. Es regnete Asche und Glut. Sofort sammelten sie gemeinsam mit einem der Hausverwalter alle Torarollen ein und fuhren zum Haus des Schatzmeisters des PJTC, das sich außerhalb der Evakuierungszone befand.

Auch ein Drittel der rund 430 Familien, die zum PJTC gehören, musste wegen des »Eaton Fire« vorübergehend ihr Zuhause zurücklassen. Viele kamen bei Gemeindemitgliedern unter, andere bei Freunden oder Verwandten. Nach aktuellem Stand haben 23 Familien nun kein Dach mehr über dem Kopf. Viele mussten fluchtartig ihr Haus räumen, haben außer wichtigen Dokumenten, einigen Medikamenten und vielleicht dem Lieblingskuscheltier der Kinder nichts mitnehmen konnten. Auch die Gebäude, die das Inferno unversehrt überstanden haben, werden auf Wochen, wenn nicht sogar Monate unbewohnbar bleiben. Wie Rabbiner Grater, dessen Haus ebenfalls abgebrannt ist, in seiner Predigt am ersten Gottesdienst nach dem Inferno sagte: »It’s okay not to be okay.« Oder auf Deutsch: »Es ist okay, nicht okay zu sein.«

Der erste Schabbat-Gottesdienst nach der Zerstörung des PJTC fand im Auditorium der Mayfield Senior School, einer katholischen Privatschule in Pasadena, statt. Überhaupt ist die Hilfsbereitschaft nicht nur anderer jüdischer Organisationen, sondern auch der nichtjüdischen Mehrheit um uns herum bemerkenswert. Den PJTC-Mitgliedern sowie der Führung ist dabei wichtig, zusammenzustehen und sich gegenseitig zu vergewissern, dass die Gemeinde mehr ist als nur ein Gebäude. Die Verbindungen der Menschen untereinander und zur Tora bleiben bestehen. Dass das PJTC wieder aufgebaut wird, größer und besser als zuvor, steht deshalb außer Frage.

Spanien

Valencia: Jüdische Jugendliche aus Flugzeug geworfen

Mitglieder der Reisegruppe sagen, sie seien herausgeworfen worden, obwohl sie sich ordnungsgemäß verhalten hätten. Die Fluggesellschaft wirft den Jugendlichen vor, die Sicherheitsunterweisung gestört zu haben

von Michael Thaidigsmann  24.07.2025

Urlaub

Jüdische Entdeckungen

Wem beim Lesen am Strand langweilig wird, den erwarten in verschiedenen Ländern spannende wie schöne Überraschungen: Unsere Reisetipps aus der Redaktion

 24.07.2025

Michael Goldmann‑Gilead

Der Mann, der Eichmann verhörte

Er überlebte Auschwitz, den Todesmarsch – und war am wichtigsten Prozess der Nachkriegsgeschichte beteiligt. Diese Woche wird er 100 Jahre alt

von Esther Schapira, Georg M. Hafner  23.07.2025

Schweiz

Davos: Erneut jüdische Urlauber antisemitisch angefeindet

Ein Mann beleidigte und bespuckte gleich mehrere als Juden erkennbare Menschen in dem Schweizer Kurort

von Michael Thaidigsmann  23.07.2025

Geburtstag

Einziger jüdischer NASA-Chef: Dan Goldin wird 85

Als er Administrator der Raumfahrtbehörde wurde, wollte er alles »schneller, besser und billiger« hinkriegen. Denn Geldfresser bremsten die NASA

von Imanuel Marcus  23.07.2025

Medien

Groteske Unwahrheiten

Ein britischer Talkshow-Host sieht sich Rücktrittsforderungen ausgesetzt, nachdem er die Behauptung verbreitet hatte, an jüdischen Schulen werde gezielt Hass auf Araber gelehrt

von Michael Thaidigsmann  23.07.2025

Griechenland

Israelische Touristen können Schiff nicht verlassen

Der Landgang hunderter Urlauber auf der MS Crown Iris auf der Insel Syros wurde von israelfeindlichen Demonstranten vereitelt

 22.07.2025

Polen

Gewalt gegen Geschichte

Am Gedenktag in Jedwabne bedrohte ein rechtsextremer Mob die Teilnehmer. Die Umdeutung historischer Fakten alarmiert auch Yad Vashem

von Gabriele Lesser  22.07.2025

Tomorrowland

Vorwurf der Kriegsverbrechen: Israelis auf Festival verhaftet

Die belgische Staatsanwaltschaft hat zwei israelische Touristen verhört, die auf dem Techno-Festival die Fahne ihrer Armee-Einheit geschwenkt hatten

von Michael Thaidigsmann  21.07.2025