Sobibor

Erinnerungslücke

Zukunft gesucht: Dem Museum der Gedenkstätte Sobibor droht das Aus. Foto: Gabriele Lesser

»Die Deutschen bauen sich ein schickes Holocaustmahnmal in Berlin und denken, damit ist die Sache erledigt«, empört sich Marek Bem, der langjährige Leiter der Gedenkstätte Sobibor in Südostpolen. »Für die eigentlichen Mordstätten irgendwo in den Sümpfen Osteuropas interessiert sich kein deutscher Kanzler, kein Politiker und kein Botschafter.«

Vor wenigen Tagen musste Bem die Ausstellung »Vernichtungslager Sobibor« schließen. Vier Mitarbeiter der Gedenkstätte wurden entlassen. Es ist kein Geld mehr da. Zwar hatte das Kulturministerium in Warschau versprochen, die Gedenkstätte zum 1. Mai zu übernehmen, machte aber einen Rückzieher, als die Kreisverwaltung in Wlodawa die Rechnung für die Investitionen der letzten Jahre auf den Tisch legte.

Blockhaus »Wenn wir hier ein paar Monate lang keinen Handschlag tun, holt sich die Natur das Gelände zurück«, erklärt Bem. »Dann wird es hier nur noch Wald und Sumpf geben.« Als Zeuge des Massenmords an über 200.000 Juden würde allein das rostige Schild »Sobibor« an der Bahnrampe bleiben. Verschwinden würden die Mahnmale auf dem zehn Hektar großen Gelände, die sorgsam immer wieder mit Kies aufgeschütteten Wege durch den Sumpf, am Ende auch das Blockhaus mit der ständigen Ausstellung. Schlimm sei dies besonders für die wenigen Überlebenden und die Angehörigen der Opfer. »Sie kommen hierher, um der Toten zu gedenken. Wir Polen, die wir da leben, wo die Nazis ihre Vernichtungslager betrieben haben, stehen den Opfern gegenüber in der Verantwortung.«

Geplant ist jetzt eine völlig neu gestaltete Gedenkstätte, die – anders als bisher – mit dem Regionalmuseum von Wlodawa nichts mehr zu tun hat. Doch dafür sind erheblich mehr Mittel erforderlich, als sie der Kreis jemals aufbringen könnte.

Übernahme Piotr Zuchowski, im Warschauer Kulturministerium für den Denkmalschutz zuständig und folglich für das Desaster verantwortlich, ist für Journalisten nicht zu sprechen. »Wir sagen nicht mehr, als bereits auf der Website des Ministeriums steht«, teilt die Pressesprecherin mit. Dort allerdings ist lediglich eine lakonische Mitteilung zu lesen: Der Staat beabsichtige nunmehr, die Gedenkstätte Sobibor zum 1. Januar 2013 zu übernehmen.

Dariusz Pawlos, der Direktor der Stiftung für Deutsch-Polnische Aussöhnung, hofft, dass sich die finanziellen Probleme bald lösen lassen. »Erst neuere Forschungen haben gezeigt, wo die Asche der Opfer in Sobibor wirklich liegt«, begründet er, warum es aus seiner Sicht weitergehen muss. Viele Wege in der Gedenkstätte, die zu den Denkmalen führen, befinden sich über Ascheschichten. »Das darf so nicht sein. Wir müssen genau wissen, wo die Gaskammern und Krematorien waren. Wir müssen wissen, wo die Ascheberge sind.«

Die teuren Forschungen mit Bodenaufnahmen aus der Luft und archäologischen Grabungen hätten bereits begonnen. Sie würden von Polen, Israel, den Niederlanden und der Slowakei finanziert. »Die deutsche Regierung wurde bislang gar nicht gefragt«, so Pawlos. »Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich ebenfalls an dem Erinnerungsprojekt beteiligen würde. In Sobibor wurden ja auch deutsche Juden ermordet.« Im Oktober 2013, zum 70. Jahrestag des Aufstandes im KZ und seiner anschließenden Liquidierung im Oktober 1943, könnten die Arbeiten abgeschlossen sein. Dann soll die Gedenkstätte neu eröffnet werden.

Meinung

Nichts als Fußball spielen!

Wie das Grümpelturnier von Maccabi Schweiz in Zürich für Ablenkung sorgt: Betrachtungen einer jüdischen Amateur-Fußballerin

von Nicole Dreyfus  24.06.2025

Ukraine

Auf allen Kanälen

Anna Ukolova ist die russischsprachige Stimme der israelischen Armee. Ein Interview über Blogger, anti-israelische Propaganda und das Leben als Einwanderin

von Eugen El  18.06.2025

Imanuels Interpreten (10)

Kenny G: Das Enfant Terrible des Jazz

Er ist der erfolgreichste Instrumentalmusiker – und der meistgehasste. Warum eigentlich?

von Imanuel Marcus  17.06.2025

Krieg in Israel

Rabbiner: Unterstützung für gestrandete Israelis in Europa

Sie können momentan nicht nach Israel zurück. Jüdische Gemeinden in Europa sind gebeten, sie mit Unterkünften und anderem zu unterstützen. In Gemeinden herrscht unterdessen große Besorgnis, auch wegen der Sicherheit

von Leticia Witte  16.06.2025

Nachruf

Der Lippenstiftverkäufer

Leonard Lauder, der aus dem von seinen Eltern gegründeten Kosmetikunternehmen Estée Lauder einen Weltkonzern machte, ist im Alter von 92 Jahren gestorben

von Michael Thaidigsmann  16.06.2025

USA

Farlir nur nit dein Hofenung

Wie ein schwarzer Kantor in den 1920ern New Yorks Juden verzauberte und sogar durch Europa tourte. Die unglaubliche Geschichte des Thomas LaRue, dessen Stimme erstmals wieder zu hören ist

von Nicole Dreyfus  15.06.2025

Nationaler Sicherheitsrat

Offizielle Warnungen für Israelis und Juden im Ausland

Wachsamkeit, Kooperation und Zurückhaltung. Der israelische Nationale Sicherheitsrat hat Warnhinweise für Israelis und Juden im Ausland veröffentlicht

 13.06.2025

Zürich

Israelhasser wollten Zürich zum Stillstand bringen

Am Donnerstagabend wollten »propalästinensische« Demonstranten durch die Zürcher Innenstadt ziehen

von Nicole Dreyfus  12.06.2025 Aktualisiert

Bosnien und Herzegowina

Goldschmidt: Boykott von Rabbinertreffen ist »eine Schande«

Die Europäische Rabbinerkonferenz kann nicht in Sarajevo tagen. Grund ist der Boykottaufruf eines Ministers. Der CER-Präsident fordert nun Konsequenzen

von Michael Thaidigsmann  12.06.2025