Polen

Doppelt diskriminiert

Die Synagoe in Posen

Heimatverbundenheit kann dazu führen, dass man plötzlich in die Zwickmühle gerät. So jedenfalls erging es den Juden in der Provinz Posen. »Als die Posener Lande von Deutschland abgetrennt wurden, zogen Tausende und Abertausende hinaus nach Deutschland. Sie sprachen und fühlten deutsch.« Davon berichteten 1935 die »Posener Heimatblätter«. Denn als nach dem Ersten Weltkrieg der neue polnische Staat entstand, fanden sich viele Juden, die zuvor im Deutschen Kaiserreich gelebt hatten, in einem anderen Land wieder.

Das brachte sie in eine brisante Lage: Zum einen, weil sie sich selbst als Deutsche betrachteten. Zum anderen sahen die Polen in ihnen Deutsche wie auch Juden. Genau deshalb erfuhren sie eine doppelte Diskriminierung. Viele entschlossen sich daher zur Auswanderung, vor allem in das nahe Breslau oder nach Berlin. 1931 gab es nur noch 7211 Juden in der Region.

»Exil« Wie aber lebten die Posener Juden in der Weimarer Republik? Was für eine Rolle spielte für sie ihre Herkunft? Sicher ist, dass ihre alte Heimat auch im »Exil« von zentraler Bedeutung für sie blieb. Davon zeugen landsmannschaftliche Publikationen wie die »Posener Jüdische Zeitung« oder die »Posener Heimatblätter«. Letztere erschienen von 1926 bis kurz vor den Novemberpogromen von 1938.

Sie werden gerade im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen archiviert, ausgewertet und online zugänglich gemacht.

»Die Ausgaben der Heimatblätter aus dem Jahr 1938 sind besonders interessant«, sagt die Projektverantwortliche Beata Mache. »Kaum etwas deutet auf Angst vor den Nationalsozialisten hin.« So drehte sich beispielsweise die Titelgeschichte der letzten Ausgabe um Fragen der jüdischen Bildung in der Provinz Posen des 19. Jahrhunderts.

Universität Mit ihrem Kollegen Harald Lordick widmet sich Mache aber nicht nur den Fragen der kulturellen und nationalen Identität der Juden aus Posen in Deutschland. Darüber hinaus beschäftigen sie sich in Kooperation mit der Universität Poznán mit den Problemen der nach 1918 in Großpolen verbliebenen deutschen Juden, ihren Bemühungen, sich in die polnische Gesellschaft zu integrieren, sowie den Beziehungen zu anderen Juden in Polen. »Viele saßen zwischen den Stühlen«, berichtet Mache.

Sie waren ständig in Sorge, in nationale Konflikte zwischen Deutschen und Polen mit hineingezogen zu werden, so die Wissenschaftlerin. Und was taten die Verleger der landsmannschaftlichen Publikationen? Sie erklärten, ihre Blätter seien absolut unpolitisch, und vertraten einen strikten Neutralitätskurs.

Faktencheck

Bei den Sydney-Attentätern führt die Spur zum IS

Nach dem Blutbad am Bondi Beach werden auch Verschwörungsmythen verbreitet. Dass der jüngere Attentäter ein israelischer Soldat sei, der im Gazastreifen eingesetzt wurde, entspricht nicht der Wahrheit

 17.12.2025

Analyse

Rückkehr des Dschihadismus?

Wer steckt hinter den Anschlägen von Sydney – und was bedeuten sie für Deutschland und Europa? Terrorexperten warnen

von Michael Thaidigsmann  17.12.2025

Nachruf

Albtraum in der Traumfabrik

Eine Familientragödie hat den Hollywood-Riesen und seine Frau aus dem Leben gerissen. An Rob Reiners Filmen voller Menschenliebe wie »Harry und Sally« ist eine ganze Generation mitgewachsen

von Sophie Albers Ben Chamo  17.12.2025

Australien

Der Held von Sydney

Während des judenfeindlichen Terroranschlags am Bondi Beach bewies ein muslimischer Familienvater unfassbaren Mut

von Sophie Albers Ben Chamo  17.12.2025

Sydney

54 Minuten Horror am Bondi Beach

Am 14. Dezember hat sich der schwerste antisemitische Anschlag auf australischem Boden ereignet. Unsere Korrespondentin berichtet über den schlimmsten Tag für die jüdische Gemeinschaft in Down Under

von Amie Liebowitz  17.12.2025

Meinung

Warum ich Sydney nicht verlassen werde

Der Terroranschlag von Bondi Beach wurde auch möglich, weil die Mehrheitsgesellschaft den Antisemitismus im Land ignoriert hat. Unsere Autorin sagt trotzdem: Ihre Heimat als Jüdin ist und bleibt Australien

von Amie Liebowitz  17.12.2025

Bulletin

Terrorangriff in Sydney: 20 Verletzte weiter im Krankenhaus

Fünf Patienten befinden sich nach Angaben der Gesundheitsbehörden in kritischem Zustand

 17.12.2025

Bondi Beach

Sydney-Attentäter wegen 15-fachen Mordes angeklagt

15-facher Mord, Terrorismus, Sprengstoffeinsatz - dem überlebenden Sydney-Attentäter werden 59 Tatbestände zur Last gelegt

 17.12.2025

Washington D.C.

Trump ruft zu Vorgehen gegen islamistischen Terror auf

Bei einer Chanukka-Feier im Weißen Haus spricht der Präsident den Hinterbliebenen der Opfer vom Anschlag in Sydney sei Beileid aus

 17.12.2025