Belgien

Doktor, übernehmen Sie!

Neu an der Spitze: Maurice Sosnowski Foto: JA

Das Comité de Coordination des Organisations Juives de Belgique (CCOJB), der Dachverband jüdischer Organisationen in Belgien, hat am Dienstag vergangener Woche einen neuen Präsidenten gewählt. Maurice Sosnowski (57), Chefarzt eines bekannten Brüsseler Krankenhauses, tritt die Nachfolge von Joël Rubinfeld (41) an. Dessen Wahl hatte vor zwei Jahren zu einer Spaltung des CCOJB geführt. Einige linksgerichtete Verbände hatten den Sieg des politisch rechts stehenden Rubinfeld bis zum Ende seiner Amtszeit nicht akzeptieren wollen. Nun hoffen die Mitglieder auf Sosnowski, um die 39 Mitgliedsverbände wieder an einen Tisch zu bringen. Sosnowski gilt als unbeschriebenes Blatt und politisch neutral. Er könnte der ideale Kandidat sein, um das CCOJB zu einem Konsens zu führen.

Ob das überhaupt möglich ist, wird sich zeigen. Denn das CCOJB ist von seiner Struktur her auf Dissens programmiert. Die Mitgliedsverbände ähneln dem Bild eines bunten Flickenteppichs aus religiösen Vereinen, Schulen, sozialistischen Jugendverbänden, zionistischen Kulturzirkeln, ländlichen Gemeinden und Organi- sationen verschiedener politischer Lager.

planlos Simon Cohn, Chef von Radio Judaica, einem der Mitgliedsverbände, erklärt: »Das CCOJB wurde vor 38 Jahren gegründet, als reichlich planloser Versuch der belgischen Juden, auf dem politischen Parkett aktiv zu werden.« Bei aller Kritik habe Rubinfeld sehr gute Arbeit geleistet. Denn er habe dem »eher chaotischen CCOJB« nach einem »jahrzehntelangen Inkognito-Dasein« endlich eine Stimme verliehen und ihm einen Platz in der ersten Reihe der belgischen Politagenda verschafft, so Cohn. Allerdings habe Rubinfeld konsequent all jene Mitglieder übergangen, die nicht mit ihm einer Meinung waren. »Das schadete auf Dauer unserem inneren Zusammenhalt.«

Tatsächlich war der Auftritt des CCOJB während der vergangenen zwei Jahre selbstbewussst wie noch nie. Rubinfeld wurde zur beliebten medialen Figur, lieferte sich in der belgischen Presse und im Internet einen Schlagabtausch mit Politikern, die an der jüdischen Causa vorbeizuregieren versuchten. Als Leiter einer PR-Agentur verfügte Rubinstein über das nötige Instrumentarium, die nötigen Kontakte – und die nötige Chuzpe. Ob der neue Mann im Amt, der eher zurückhaltende Professor Sosnowski, da mithalten kann?

Denn aggressives Auftreten wird auch in Zukunft vonnöten sein. Joël Rubinfeld zieht Bilanz: »Wir haben zunehmend nicht nur mit einer Radikalisierung der jüdisch-muslimischen Beziehungen durch den Nahostkonflikt zu kämpfen, sondern wir leiden auch unter dem wenig subtilen Elektoralismus der belgischen Politiker.« In Belgien leben rund 40.000 Juden und etwa 600.000 Muslime. »Was glauben Sie wohl, mit wem alle Politiker gut Freund sein wollen?«, fragt Rubinstein rhetorisch. »Über kurz oder lang bedeutet dies eine Gefahr für die Demokratie in unserem Land.«

Held Traumatischer Wendepunkt in Rubinsteins Amtszeit war der Mai des Jahres 2008, als sich bei einer anti-israelischen Demonstration in der wallonischen Stadt Nivelles auch einige Politiker zu Wort meldeten: allen voran der linke Abgeordnete André Flahaut, der den Staat Israel mit der Nazidiktatur gleichsetzte. Rubinfeld ließ Flahaut filmen, stellte den Film auf Youtube und bezeichnete den linken Politiker als Antisemiten. Diese Offensive katapultierte Rubinstein in die Aufmacher der Tageszeitungen und machte ihn über Nacht zum Helden der jüdischen Gemeinden. Schattenseite der Aktion: André Flahaut hat das CCOJB wegen Diffamierung verklagt. Demnächst wird ein Brüsseler Gericht über den Fall verhandeln.

»Wenn es sein muss, werden wir bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen«, schmetterte Rubinfeld im Februar in der Tageszeitung La Libre Belgique. Das war das Letzte, was von ihm vernommen wurde. Der neue Präsident, Maurice Sosnowski hofft, dass man sich mit Monsieur Flahaut doch noch gütlich einigen kann, ohne dabei allzu viele Federn zu lassen. Kritiker bangen, dass sich das unter Rubinfeld so streitbare CCOJB unter der Führung des neuen Präsidenten nicht wieder in sein Schneckenhaus zurückzieht.

www.ccojb.be

Tel Aviv

Noa Kirel und Daniel Peretz heiraten mit »kleiner Feier«

Die Sängerin und der HSV-Torwart standen in Jaffa unter großen Sicherheitsvorkehrungen unter der Chuppa

von Nicole Dreyfus  12.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Zürich

Goldmünze von 1629 versteigert

Weltweit existieren nur vier Exemplare dieser »goldenen Giganten«. Ein Millionär versteckte den Schatz jahrzehntelang in seinem Garten.

von Christiane Oelrich  11.11.2025

USA

Mehrgewichtig, zionistisch und stolz

Alexa Lemieux ist Influencerin in den sozialen Medien und zum Vorbild für viele junge jüdische Frauen geworden

von Sarah Thalia Pines  11.11.2025

Prag

Der Golem-Effekt

Seit mehr als fünf Jahrhunderten beflügelt das zum Schutz der Juden geschaffene Wesen aus Staub und Worten die Fantasie. Ein Blick zurück mit Büchern, Filmen und den »Simpsons«

von Sophie Albers Ben Chamo  11.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Wien

Österreichs Regierung mit neuer Strategie gegen Antisemitismus

KI-gestützte Systeme zum Aufspüren von Hate Speech, eine Erklärung für Integrationskurse, vielleicht auch Errichtung eines Holocaust-Museums: Mit 49 Maßnahmen bis zum Jahr 2030 will Wien gegen Antisemitismus vorgehen

 10.11.2025

Jerusalem

Zerstrittene Zionisten

Der Zionistische Weltkongress tagt zum 39. Mal seit seiner Gründung im Jahr 1897 durch Theodor Herzl. Doch das Treffen droht zum Fiasko für die Organisation zu werden. Die Hintergründe

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Medienbericht

Katar soll mutmaßliches Missbrauchsopfer von Karim Khan ausspioniert haben

Das Emirat scheint sich in den Skandal um den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eingemischt zu haben, wie Recherchen nun zeigen

 07.11.2025