Arye Sharuz Shalicar

Die Zuschauer

Politikberater, Schriftsteller und Vater: Arye Sharuz Shalicar (44) Foto: © Uwe Steinert

Arye Sharuz Shalicar

Die Zuschauer

Deutschland schweigt zum Terror gegen Demonstranten im Iran – dabei müsste es beim Protest an erster Stelle stehen

von Arye Sharuz Shalicar  20.11.2019 15:13 Uhr

Deutschland schaut zu. Wieder! Ist das die Lektion aus der Vergangenheit des Zweiten Weltkriegs? Ist mit »Nie wieder!« gemeint, dass man zuschaut, wenn Diktatoren, Tyrannen und Radikalislamisten ihre eigene Bevölkerung auf offener Straße niedermetzeln?

Genau das nämlich passiert heute in der Islamischen Republik Iran. Wieder! Ähnlich wie schon in der Grünen Revolution vor zehn Jahren trauen sich Hunderttausende frustrierte Iraner auf die Straße, um nicht nur gegen Benzinpreise oder irgend etwas Spezifisches zu demonstrieren, sondern gegen das System, die islamische Unterdrückung, das Verschwenden von über 100 Millionen Euro jährlich an Terrorgruppen und -milizen, sowohl schiitische als auch sunnitische, in der Region und gegen den vollkommen inhumanen Lebensalltag, in dem die Iraner sich seit der islamischen Revolution wiederfinden.

Es tut mir weh.

FREIHEIT Denn es betrifft mich gleich dreifach. Einmal als Deutscher, schließlich bin ich in Deutschland geboren, habe meine gesamte Schullaufbahn in Berlin absolviert, diente sogar in der Bundeswehr und studierte an deutschen Universitäten.

Die Iraner sind gefangen im Iran! Sie schreien nach Freiheit. Sie schreien nach Würde.

Dann als Israeli, zu dem ich seit dem Jahr 2001 geworden bin, der versteht, dass die Islamisten in Teheran es ernst meinen, wenn sie schon mehrmals öffentlich verkündet haben, einen einzigen Staat auf der Welt, Israel, vernichten zu wollen.

Und zuletzt als Perser. Denn mit meinen Eltern spreche ich bis heute auf Farsi, wir lieben die persische Küche, persische Teppiche, persische Gedichte und die Gastfreundschaft und Weltoffenheit der Iraner, wenn man sie im Exil antrifft.

Die Iraner sind gefangen im Iran!

Sie schreien nach Freiheit.

Sie schreien nach Würde.

RELIGIONSWÄCHTER Doch die Welt hält größtenteils still. Und das, obwohl allen bekannt ist, dass die Mullahs das Internet abschalten ließen, um langsam aber sicher, und ohne dass es im Internet kursiert, die Revolutionswächter tun zu lassen, was zu tun ist, um die Velayet-e Faqih – die Herrschaft des obersten Religionsgelehrten – am Leben zu erhalten.

Koste es so viele Menschenleben, wie es kosten mag.

Erbarmungslos!

Trotz der Einschränkung des Internets haben Hunderte Videoaufnahmen in den letzten Tagen ihren Weg in die freie Welt gefunden. Auch nach Deutschland.

Ich selbst habe mehrere Momentaufnahmen sowohl auf Facebook als auch auf Twitter geteilt und gehofft, dass auch in Deutschland eine Diskussion entfacht wird über die deutsche Haltung zum Vorgehen des islamischen Regimes gegen seine eigene Bevölkerung – ganz abgesehen von den Verbrechen, die es schon seit Jahrzehnten in Afghanistan, Libanon, Syrien, Irak und mittlerweile auch im Jemen und im Gazastreifen begeht.

Deutschland schweigt! Dabei sollte die Bundesrepublik auf der internationalen Bühne stehen, wenn es um Menschenrechte geht.

LEKTION Doch Stille. Vollkommene Stille. Deutschland schweigt! Dabei sollte Deutschland auf der internationalen Bühne an allererster Stelle stehen, wenn Diktatoren Oppositionelle und Demonstranten einkerkern, misshandeln und nicht selten verschwinden lassen.

Als Lektion aus der eigenen Vergangenheit.

Aber die scheint mittlerweile nur dafür gut zu sein, um einmal im Jahr den Kopf kurz zu senken, um Trauer den toten Juden und ihren Nachfahren gegenüber zu bekunden. Bevor man weiter wegschaut und sich – zumindest was das Gewissen betrifft – zu Mittätern macht.

Der Verfasser ist deutsch-iranisch-israelischer Publizist und Buchautor.

USA

Unsicher in New York

Zohran Mamdani ist der mögliche nächste Bürgermeister der Metropole – und für viele Juden ein Problem

von Mark Feldon  30.10.2025

Judenhass

»Ich werde Selbstmordattentäter diese Nacht«: Mann plante Messerangriff auf Juden

Der arabischstämmige Mann wurde im letzten Moment von der Polizei festgenommen. Nun stand er vor Gericht

von Nicole Dreyfus  30.10.2025

Barcelona

Mordverdacht: Ermittlungen gegen Sohn von Mango-Gründer

Spanischen Medienberichten zufolge sind die Umstände des Todes des Modeunternehmers Isak Andic im Dezember 2024 noch nicht geklärt. Doch es gibt einen Verdacht

 30.10.2025

München

Europäische Rabbiner sagen Baku-Konferenz aus Sicherheitsgründen ab

Rund 600 Teilnehmer aus aller Welt sind angemeldet. Viel Geld war in die Vorbereitung geflossen

von Imanuel Marcus, Mascha Malburg  28.10.2025 Aktualisiert

Meinung

Antisemitismus der Anständigen

Judenhass in der Schweiz ist brandgefährlich, weil er so höflich und diskret daherkommt

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.10.2025

Meinung

Die SP im moralischen Blindflug

Mit zwei widersprüchlichen Resolutionen beweist die Sozialdemokratische Partei der Schweiz einmal mehr ihre ethische Orientierungslosigkeit

von Nicole Dreyfus  27.10.2025

USA

Der reichste Mann der Welt – für einen Tag

Larry Ellison gehört zu den Großen des Silicon Valley und hält Künstliche Intelligenz für die wichtigste Erfindung der Menschheit

von Sara Pines  26.10.2025

Nachruf

Letzter Kämpfer des Aufstands des Warschauer Ghettos gestorben

Michael Smuss wurde 99 Jahre alt

 24.10.2025

Wien

Nobelpreisträger warnt vor technischer Abhängigkeit von den USA

Joseph E. Stiglitz kritisiert Präsident Trump und ruft Wissenschaft und Medien zur Verteidigung der Medienfreiheit weltweit auf

von Steffen Grimberg  24.10.2025