Interview

»Die Welt sieht heute besser aus«

Abraham Foxman Foto: Arlen Flax

Interview

»Die Welt sieht heute besser aus«

Abraham Foxman über 100 Jahre Anti-Defamation League, das Internet und Hoffnungen für die Zukunft

von Tobias Kühn  23.04.2013 07:34 Uhr

Herr Foxman, nächste Woche begeht die Anti-Defamation League (ADL) ihren 100. Geburtstag. Was haben Sie seit 1913 erreicht?
Man spricht oft von der guten alten Zeit, aber sie war ziemlich schlecht: voller Antisemitismus, religiöser Intoleranz und Rassismus. Gemeinsam mit Partnern hat unsere Organisation Brücken gebaut, Einstellungen verändert, durch unser Zutun wurden Gesetze novelliert, und der Antisemitismus hat in den USA enorm abgenommen. Die Welt ist zwar noch weit davon entfernt, perfekt zu sein, aber sie sieht heute viel besser aus als vor 100 Jahren.

Was ist heute die größte Herausforderung für Ihre Organisation?
Das Internet. Es verändert die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen, denn es bietet Anonymität. Jahrzehntelang haben wir hart daran gearbeitet, dem Fanatismus, dem Antisemitismus und dem Rassismus die Maske der Anonymität zu entreißen. Doch das Internet bringt diese Maske zurück. Wenn Menschen nicht identifiziert werden können, sinkt ihre Hemmschwelle, sich fanatisch oder abfällig zu äußern. Zudem macht es das Internet möglich, innerhalb von Sekunden weltweit Hass zu verbreiten. Hinzu kommt: Das Internet vergisst nicht; der ausgestreute Hass bleibt ewig erhalten.

Sie haben als Kind die Schoa überlebt. Inwiefern hat Ihre Biografie einen Einfluss auf Ihre Arbeit?
Wer weiß das? Ich tue mich schwer mit dem Gedanken, dass mich die Erlebnisse meiner Kindheit zur ADL geführt haben. Aber sicherlich wäre es ein schöner Filmstoff: Ein junger Mann überlebt die schlimmste Form von Fanatismus und Antisemitismus in Europa, wird von einer katholischen Frau, die ihr Leben riskiert, gerettet – und was tut er als Erwachsener? Er kämpft gegen Antisemitismus und bewegt Menschen dazu, sich für andere einzusetzen wie einst sein Kindermädchen.

Manchmal ist Ihr Engagement in der jüdischen Gemeinschaft etwas umstritten.
Man hört mitunter, unser Einsatz für die Rechte von Homosexuellen werde in der Community nicht gern gesehen. Doch das betrifft nur bestimmte orthodoxe Gruppen. Viel kontroverser wird in der jüdischen Gemeinschaft unser Engagement gegen Islamophobie diskutiert. Und manche wünschen sich, wir würden uns nicht immer so laut zu Wort melden.

Wo sehen Sie Ihre Organisation in 100 Jahren?
Ich bin Optimist und möchte glauben, dass es uns dann nicht mehr geben wird. Die Menschheit hat in den vergangenen 100 Jahren unglaubliche Fortschritte gemacht: Wir sind zum Mond geflogen, haben Krankheiten besiegt, Herzen transplantiert – undenkbar vor 100 Jahren! Vielleicht gelingt es der Wissenschaft bis zum Jahr 2113, Teile in der menschlichen DNA zu identifizieren, die für den Hass verantwortlich sind. Und vielleicht finden wir in der DNA, dass es das Normale ist, sich für andere einzusetzen. Wenn uns das gelingt, brauchen wir keine ADL mehr.

Mit dem Direktor der Anti-Defamation League sprach Tobias Kühn.

Tel Aviv

Noa Kirel und Daniel Peretz heiraten mit »kleiner Feier«

Die Sängerin und der HSV-Torwart standen in Jaffa unter großen Sicherheitsvorkehrungen unter der Chuppa

von Nicole Dreyfus  13.11.2025

Ausstellung

Avantgardistin der Avantgarde

Berthe Weill förderte nicht nur die moderne Kunst der Jahrhundertwende, als Galeristin war sie selbst eine Schlüsselfigur. Eine Ausstellung in Paris ehrt die Pionierin

von Sabine Schereck  13.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Zürich

Goldmünze von 1629 versteigert

Weltweit existieren nur vier Exemplare dieser »goldenen Giganten«. Ein Millionär versteckte den Schatz jahrzehntelang in seinem Garten.

von Christiane Oelrich  11.11.2025

USA

Mehrgewichtig, zionistisch und stolz

Alexa Lemieux ist Influencerin in den sozialen Medien und zum Vorbild für viele junge jüdische Frauen geworden

von Sarah Thalia Pines  11.11.2025

Prag

Der Golem-Effekt

Seit mehr als fünf Jahrhunderten beflügelt das zum Schutz der Juden geschaffene Wesen aus Staub und Worten die Fantasie. Ein Blick zurück mit Büchern, Filmen und den »Simpsons«

von Sophie Albers Ben Chamo  11.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Wien

Österreichs Regierung mit neuer Strategie gegen Antisemitismus

KI-gestützte Systeme zum Aufspüren von Hate Speech, eine Erklärung für Integrationskurse, vielleicht auch Errichtung eines Holocaust-Museums: Mit 49 Maßnahmen bis zum Jahr 2030 will Wien gegen Antisemitismus vorgehen

 10.11.2025

Jerusalem

Zerstrittene Zionisten

Der Zionistische Weltkongress tagt zum 39. Mal seit seiner Gründung im Jahr 1897 durch Theodor Herzl. Doch das Treffen droht zum Fiasko für die Organisation zu werden. Die Hintergründe

von Joshua Schultheis  10.11.2025