Niederlande

Die Retterin des Tagebuchs

Vorbild an Zivilcourage: Miep Gies Foto: JA

Die Retterin des Tagebuchs der von den Nazis ermordeten Anne Frank ist tot. Miep Gies starb am Montagabend nach kurzer Krankheit im Alter von 100 Jahren im Pflegeheim ihres Wohnortes Hoorn in der Provinz Friesland. Sie erlag den Folgen von Verletzungen, die sie sich im Dezember bei einem Sturz zugezogen hatte. »Mit ihr ist die letzte Zeugin der Geschehnisse im Versteck der jüdischen Familie Frank von uns gegangen«, sagte die Leiterin des Amsterdamer Anne-Frank-Museums, Teresien da Silva. Gies sei die wichtigste und bekannteste der insgesamt fünf Helfer der acht Menschen gewesen, die sich seit 1942 im Hinterhaus der Prinsengracht 263 vor den Nazis verbargen. Sie hatte die Franks und weitere versteckte Juden unter Einsatz ihres Lebens versorgt.

Fast bis zuletzt habe Gies, die am 15. Februar 1909 in Wien als Hermine Santrouschitz geboren wurde und als Kind zu einer Kräftigungskur in die Niederlande gekommen war, noch fast täglich Briefe aus aller Welt gelesen und Fragen über ihre Beziehung zu Anne Frank beantwortet.

Auch der S. Fischer Verlag in Frankfurt am Main äußerte seine Trauer um Miep Gies und würdigte sie als außergewöhnlichen Menschen. Sie habe ihr Leben für andere riskiert »und einen der wichtigsten Texte des 20. Jahrhunderts für uns gerettet«. Bei S. Fischer sind Anne Franks Tagebuch und Miep Gies’ Erinnerungsband Meine Zeit mit Anne Frank erschienen.

Gies’ mutiger Einsatz im von den Nazis besetzten Amsterdam begann im Juli 1942. Sie arbeitete als Sekretärin für Annes Vater Otto Frank, der eine Handelsfirma für Kochzutaten betrieb. »Als er sie fragte, ob sie ihm und seiner Familie im Versteck helfen würde, zögerte sie keinen Augenblick«, erklärte die Anne-Frank-Stiftung.

Über Gies hatte Anne Frank am 11. Juli 1943 in ihr Tagebuch geschrieben: »Miep schleppt sich ab wie ein Packesel. Fast jeden Tag treibt sie irgendwo Gemüse auf und bringt es in großen Einkaufstaschen auf dem Fahrrad mit. Sie ist es auch, die jeden Samstag fünf Bücher aus der Bibliothek bringt. Sehnsüchtig warten wir immer auf den Samstag, weil dann die Bücher kommen, wie kleine Kinder auf ein Geschenk.«

Gies wurde vielfach geehrt – unter anderem durch den Staat Israel, mit dem niederländischen Ritterorden und mit dem Bundesverdienstkreuz I. Klasse. Sie lebte jahrelang zurückgezogen in ihrem Haus in Friesland.

dpa/ja

USA

Ein Stadtneurotiker wird 90

Woody Allen steht als Autor, Regisseur und Schauspieler für einzigartige Filme. Doch bis heute überschatten Missbrauchsvorwürfe sein Lebenswerk

von Barbara Schweizerhof, Sophie Albers Ben Chamo  29.11.2025

Meinung

Wenn ein Botschafter Schoa-Überlebende zu Lügnern erklärt

Tom Rose, neuer US-Botschafter in Warschau, hat in einer Rede die Komplizenschaft Tausender Polen während des Holocaust bestritten. Das ist fatal für das Ansehen der USA

von Menachem Z. Rosensaft  29.11.2025

Großbritannien

Frauen haben Besseres verdient

Die Journalistin Marina Gerner beklagt in ihrem Buch fehlende Innovationen im Bereich Frauengesundheit – und eckt nicht nur mit dem Titel an

von Amie Liebowitz  28.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  28.11.2025

Niederlande

Demonstranten stören Vorlesung in Gedenken an Nazi-Gegner

An der Universität Leiden erzwangen antiisraelische Studenten die Verlegung einer Gedächtnisvorlesung zum Andenken an einen Professor, der während der Nazi-Zeit gegen die Judenverfolgung protestiert hatte

von Michael Thaidigsmann  28.11.2025

Großbritannien

Verdächtiger nach Anschlag auf Synagoge in Manchester festgenommen

Der Angriff auf die Synagoge am Vorabend des höchsten jüdischen Feiertags Jom Kippur sorgte international für Bestürzung. Jetzt wurde ein weiterer Tatverdächtiger festgenommen

von Burkhard Jürgens  27.11.2025

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

Interview

»Meinungsvielfalt gilt es auszuhalten« 

Am 8. Dezember wählt die Gemeindeversammlung der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ein neues Präsidium. Ein Gespräch mit den Kandidaten über Herausforderungen an die Gemeinde, Grabenkämpfe und Visionen

von Nicole Dreyfus  27.11.2025

Schweiz

Antisemitismus auch in der queeren Szene benennen

Viele Jüdinnen und Juden fühlen sich teils unsicher, wenn in der queeren Szene über Israel gesprochen wird. Der Verein Keschet will das ändern

von Nicole Dreyfus  27.11.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

Meinung

Mit Kufiya und Waffen

Ein Kinderbuch mit Folgen

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.11.2025