Argentinien

Die Metro ehrt eine Aktivistin

Eingang zur Station Callao Foto: Sofia Ross

Argentinien

Die Metro ehrt eine Aktivistin

In Buenos Aires soll eine U-Bahn-Station nach der Frauenrechtlerin Raquel Liberman benannt werden

von Andreas Knobloch  26.10.2023 14:29 Uhr

Die Stadt Buenos Aires wird eine wichtige U-Bahn-Station zu Ehren von Raquel Liberman umbenennen, jener Jüdin, die eine entscheidende Rolle bei der Zerschlagung eines berüchtigten argentinisch-jüdischen Zuhälterrings und bei der Ächtung der Prostitution im Lande spielte.

Wie die argentinische Tageszeitung »La Nación« kürzlich berichtete, wird der Bahnhof Callao im Stadtteil Recoleta im Norden der argentinischen Hauptstadt demnächst den Namen »Callao – Raquel Liberman« tragen. Auf Tafeln soll die Geschichte der Einwanderin und Sexarbeiterin erzählt werden, die sich gegen das als Zwi Migdal bekannte jüdische Netzwerk der organisierten Kriminalität zur Wehr setzte.

»Verschiedene historische Untersuchungen haben das Leben von Raquel Liberman aufgezeigt, die Opfer von Betrug und Prostitution wurde und sich mit ihrem Mut dem mächtigsten Netzwerk des Frauenhandels in Argentinien entgegenstellte«, sagt Patricia Vischi, Präsidentin des Gesundheitsausschusses und Abgeordnete der Stadt Buenos Aires, die sich maßgeblich für die Umbenennung der U-Bahn-Station eingesetzt hat. »Raquel Libermans Vermächtnis sollte geehrt werden. Die U-Bahn-Station Callao liegt in einem Gebiet, in dem sie für kurze Zeit in Freiheit leben konnte.«

Die 1900 in der heutigen Ukraine geborene und in Polen aufgewachsene Liberman wanderte 1922 nach Argentinien ein. Sie kam mit zwei kleinen Kindern an und hoffte, ihren Mann, der vor ihnen eingewandert war, wiederzusehen und ein neues Leben zu beginnen. Doch als ihr Schiff in Buenos Aires anlegte, war ihr Mann bereits an Tuberkulose erkrankt. Er starb wenige Monate später.

Opfer des Zwi Migdal

Die junge Frau musste fortan allein für ihren Lebensunterhalt sorgen. Sie gab die Kinder in die Obhut von Bekannten und versuchte, in der jiddischsprachigen Gemeinde von Buenos Aires Arbeit zu finden. Dort wurde sie Opfer des Zwi Migdal, eines 1906 gegründeten jüdischen Netzwerks, das zwischen Polen und Südamerika operierte und junge Frauen in die Prostitution lockte.

Allein in Argentinien sollen mehrere Hundert Zwi-Migdal-Zuhälter etwa 2000 Bordelle betrieben haben. Das Hauptquartier in Buenos Aires lag in einer Synagoge, in der die Männer Jüdinnen heirateten und so an sich banden. Liberman arbeitete als eine von Tausenden jüdischer Prostituierter, die von der Gruppe kontrolliert wurden.

Der Frauenhandel zu Beginn des 20. Jahrhunderts war kein allein jüdisches Phänomen. Er gelangte im jüdischen Milieu jedoch zu einer besonderen Ausprägung. Viele verarmte Juden und Jüdinnen waren vor antisemitischen Pogromen aus Russland und der Ukraine nach Polen geflohen. Armut und Verzweiflung waren der Nährboden für die Masche der Zwi Migdal: Die Zuhälter reisten in die Schtetl Polens oder Ungarns und versprachen nicht selten minderjährigen Mädchen ein glückliches Leben in der Ferne und heirateten sie. Nach der Abreise wurden die Frauen zur Prostitution gezwungen. Viele von ihnen landeten in Brasilien oder Argentinien.

Körperliche Gewalt und Prostitution

Liberman sparte schließlich genug Geld, um sich von ihren Zuhältern freizukaufen, und eröffnete ein kleines Geschäft. Als die Männer von Zwi Migdal versuchten, sie mit körperlicher Gewalt wieder zur Prostitution zu zwingen, wandte sich Liberman Ende 1929 an die Polizei.

Vor ihr hatten das bereits zahlreiche andere Frauen getan, doch wurden sie nicht gehört. Ein Richter nahm sich Raquel Libermans an. In einem der größten Gerichtsverfahren Argentiniens wurde mehr als 400 Angeklagten der Zwi Migdal der Prozess gemacht; 108 wurden verurteilt, viele flohen ins Ausland. Der viel beachtete Prozess beendete das kriminelle Netzwerk 1935. Im selben Jahr verbot Argentinien die Prostitution. Dass das Geschäft der Zwi Migdal zerschlagen werden konnte, ist das Verdienst von Raquel Liberman.

Sie starb 1935 an Kehlkopfkrebs, kurz bevor sie nach Polen zurückkehren wollte. Im Jahr 2020 würdigte die Stadt Buenos Aires sie mit einer Gedenktafel im jüdischen Viertel Once in der Nähe des Bordells, in dem sie arbeitete. Auf dem Schild ist zu lesen: »Hier wurde Raquel Liberman (1900–1935) ausgebeutet. Ihr Kampf geht weiter.«

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025