Moskau

»Die Jugend hat keine Angst«

Jewgenija Albaz Foto: imago/ITAR-TASS

Frau Albaz, wieder wurden in Moskau Hunderte Demonstranten, die für freie und faire Wahlen auf die Straße gingen, festgenommen. Wie konnten relativ unbedeutende Regionalwahlen, wie die zum Moskauer Stadtparlament, zu so einer Eskalation führen?
Es geht hier immerhin um Moskau. Moskau ist eine Metropole von der Größe eines europäischen Staates, mit 15 bis 16 Millionen Einwohnern. Zudem wird im Rest Russlands sehr genau beobachtet, was in Moskau passiert. Und letztlich wissen wir doch, dass Revolutionen immer von den Hauptstädten ausgehen. Russland ist außerdem ein sehr zentralisiertes Land. Moskau ist das Zentrum von Geld, Macht, Bürokratie und der Opposition des Landes.

Sie sprechen sogar von einer revolutionären Stimmung.
Natürlich ist das eine Übertreibung. Aber es gibt dieses starke Gefühl von Erniedrigung bei jenen Moskauern, die ihre Unterstützungserklärungen für unabhängige Kandidaten bei den Wahlen abgegeben haben. Sie haben dafür unterschrieben, eine wirkliche Wahl zu haben, wer in das Moskauer Stadtparlament einzieht. Dieses Recht wurde ihnen verweigert. Einige Bürokraten haben einfach beschlossen, dass ihre Unterschriften gefälscht sein sollen. Das hat die Menschen extrem aufgebracht und verletzt zudem die Grundrechte der russischen Verfassung.

Oppositionskandidaten wurden in Russland immer wieder von den Wahlen ausgeschlossen. Inwiefern ist die Situation jetzt eine andere?
Der Staat hat die letzten großen Proteste 2011/12 schon brutal niedergeschlagen. Danach wurde es schwierig, oppositionell tätig zu sein. Jetzt sehen wir aber einen Generationenwechsel: An den Wochenenden geht eine neue, junge Generation von Russen in ihren 20ern und frühen 30ern auf die Straße, die nicht unter einem totalitären System wie der Sowjetunion gelebt hat. Diese jungen Menschen haben keine Angst vor dem Staat und sehen sich im Recht, zu kontrollieren, wohin das Steuergeld fließt. Das waren völlig friedliche Aktionen, aber die Polizei hat sie dennoch verprügelt.

Der Bürgermeister Sergej Sobjanin hat den Polizeieinsatz als angemessen bezeichnet und die Einsatzkräfte sogar gelobt. Wie sehen Sie das?
Damit hat er seine Wähler betrogen. Anstatt die Moskauer vor Gewalt zu schützen, die ganz klar von der Polizei ausging, hat er die Polizei geschützt! Die Polizei hat mit völlig unangemessener Brutalität reagiert.

Brutaler als bei anderen Protesten?
Seit den 90er-Jahren nehme ich immer wieder an Protesten teil. Aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Die Polizei hat sich völlig verantwortungslos verhalten. Offensichtlich hat sie den Befehl erhalten, so brutal wie möglich gegen die friedlichen Demonstranten vorzugehen.

Mit der Chefredakteurin des Magazins »The New Times« und dem Präsidiumsmitglied im Russischen Jüdischen Kongress sprach Simone Brunner.

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025