Interview

»Die Furcht vor Anschlägen ist groß«

Herr Bali, befürchten die Juden in der Türkei nach den Ereignissen der vergangenen Woche antisemitische Ausschreitungen?
Die Angst ist immer da, denn Antisemitismus ist nun einmal eine Tatsache in der Türkei. Zurzeit ist die Furcht vor physischen Anschlägen noch stärker, besonders seit den großen Demonstrationen. Ich glaube nicht, dass sie gerechtfertigt ist, aber schließlich gab es ja solche Anschläge in der Vergangenheit: Vor sieben Jahren wurden hier Synagogen in die Luft gejagt. Daran erinnert man sich. Und deshalb gibt es die Befürchtungen, dass die Dinge erneut aus dem Ruder laufen.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat mehrmals öffentlich unterstrichen, dass die türkischen Juden zur Türkei gehören und dass sie unter dem Schutz des Staates stehen. Ist es Erdogan ernst damit?
Ich glaube, es ist der Regierung ernst. Die Türkei hat kein Interesse daran, dass es Ausschreitungen gibt.

Wie geht es jetzt weiter?
Meiner Meinung nach hätte sich die Türkei überhaupt nicht in diese Sache verwickeln lassen sollen. Nun, da es geschehen ist, fordert Ankara drei Dinge: eine internationale Untersuchung der Ereignisse, eine Entschuldigung seitens Israel und möglicherweise auch Schmerzensgeld für die Familien der Opfer.

Der Türkei wird hin und wieder vorgeworfen, sie wende sich unter der Erdogan-Regierung vom Westen ab und dem islamischen Osten zu. Wie sehen Sie das?
Es hat mehr mit dem Ehrgeiz der Türkei zu tun. Sie will ein politischer Akteur sein, um den im Nahen Osten niemand herumkommt. In diesem Zusammenhang betreibt sie eine »unabhängige« Außenpolitik, das heißt, sie tut nicht unbedingt das, was die USA wollen. Hinzu kommt noch die spezielle muslimische Sensibilität.

Aber ist denn das ein weiser außenpolitischer Kurs?
Ja, sofern die Entwicklung unter Kontrolle gehalten wird. Wenn Emotionen eine große Rolle spielen, ist es hingegen nicht klug. Im Moment sind die Emotionen beherrschend.

Presseberichten zufolge will Erdogan seine Kontakte zur Hamas nutzen, um die Freilassung des seit vier Jahren festgehaltenen israelischen Soldaten Gilad Schalit zu erreichen. Eine bloße Schauveranstaltung?
Natürlich wird es Leute in Israel geben, die das so sehen. Aber wenn man davon ausgeht, dass derzeit die meisten Israelis gegen die Türkei eingestellt sind, dann würden vielleicht 40 Prozent nach einer solchen Aktion sagen: »Erdogan ist doch nicht so übel.« Es wäre psychologisch sehr hilfreich, und es würde der Türkei auch international nützen.

Was erwarten Sie für die Zukunft der türkisch-israelischen Beziehungen?
Mit der Zeit werden sie sich wieder erholen. Die Emotionen werden verschwinden. Das war auch in den letzten 50, 60 Jahren so. Es gab immer ein Auf und Ab.

Mit dem Istanbuler Historiker und Antisemitismusforscher sprach Thomas Seibert.

New York

Das sind die Rabbiner in Mamdanis Team

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat Mamdani keinen Ortodoxen in seine Übergangsausschüsse berufen – eine Lücke, die bereits im Wahlkampf sichtbar wurde

 02.12.2025

Dänemark

Männer sollen 760.000 Euro für die Hamas gesammelt haben

Am Dienstagmorgen nahm die Polizei einen 28-Jährigen fest. Sein mutmaßlicher Komplize sitzt bereits in U-Haft

 02.12.2025

Italien

Francesca Albanese und ihre »Mahnung« an die Presse

In Turin wurden die Redaktionsräume von »La Stampa« von Demonstranten verwüstet. Die Reaktion der UN-Sonderbeauftragten für die Palästinensergebiete verstörte viele

von Michael Thaidigsmann  02.12.2025

Jüdisches Leben im Libanon

Noch immer hat Beirut eine Synagoge, aber die Gläubigen nehmen ab

Einst war Libanon ihr Zufluchtsort, dann kam der Bürgerkrieg, und viele gingen. Doch nach wie vor gehören Juden zu den 18 anerkannten Religionsgruppen im Libanon - auch wenn nur noch wenige im Land leben

von Andrea Krogmann  02.12.2025

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

Interview

»Meinungsvielfalt gilt es auszuhalten« 

Am 8. Dezember wählt die Gemeindeversammlung der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ein neues Präsidium. Ein Gespräch mit den Kandidaten über Herausforderungen an die Gemeinde, Grabenkämpfe und Visionen

von Nicole Dreyfus  01.12.2025

Italien

Der Anti-Banksy

AleXsandro Palombo unterstützt mit seiner Kunst Israel, anstatt es zu verdammen

von Federica Matteoni  01.12.2025

Haifa

Nach abgesagter Auktion: Holocaust-Zeugnisse jetzt in Israel

Die geplante Versteigerung von Holocaust-Zeugnissen in Deutschland hatte für große Empörung gesorgt. Nun wurden viele der Objekte nach Israel gebracht und sollen dort in einem Museum gezeigt werden

von Sara Lemel  01.12.2025

Dublin

Herzog-Park wird vorerst nicht für Palästina befreit

Das ging selbst der israelkritischen Regierung Irlands zu weit: Die Dubliner Stadtverwaltung hat Pläne gestoppt, eine nach Israels sechstem Staatspräsidenten Chaim Herzog benannte Grünanlage umzubenennen

von Michael Thaidigsmann  01.12.2025

USA

Ein Stadtneurotiker wird 90

Woody Allen steht als Autor, Regisseur und Schauspieler für einzigartige Filme. Doch bis heute überschatten Missbrauchsvorwürfe sein Lebenswerk

von Barbara Schweizerhof, Sophie Albers Ben Chamo  29.11.2025