Rabbiner Bar-Geva, Sie sind mit ihrer Familie kürzlich nach Mallorca umgezogen, um dort als Rabbiner zu arbeiten. Was bedeutet dieser Schritt für die jüdische Gemeinde?
Mein Vorgänger war nur in Teilzeit tätig und pendelte zwischen Mallorca und Israel. Nun sind zwei seiner Kinder als Soldaten im Krieg, und er kann seine Familie in dieser schwierigen Situation nicht allein lassen. Daher suchte die Gemeinde einen neuen Rabbiner, jemanden, der sowohl Spanisch als auch Englisch und Hebräisch spricht und Kontakt zu den Einheimischen und den Touristen gleichermaßen pflegen kann. Meine Frau ist Israelin, ich komme ursprünglich aus Mexiko und bringe einen eigenen Stil und ein paar neue Ideen mit.
Welche Ideen wären das?
Ich betone Unterschiede nicht so gern, denn eigentlich ist alles miteinander verbunden. Ich möchte den Schwerpunkt auf Aktivitäten legen, die eher sozial als streng liturgisch sind. Das Gemeinsame soll im Vordergrund stehen, aber natürlich ist trotzdem alles koscher und auf Grundlage der Tora.
Was ist das Besondere an der jüdischen Gemeinde auf Mallorca?
Die typische spanische Gemeinde besteht aus »marroquíes«, also Juden, die einst aus dem nordafrikanischen Exil nach Spanien zurückgekehrt sind. Es gibt aber auch viele Juden aus Lateinamerika. Die Gemeinde auf Mallorca wurde in den 70er-Jahren allerdings von englischen Juden gegründet. Die waren sehr modern und offen. In den 2000er-Jahren erkannte man dann offiziell die »chuetas« als Juden an. Das sind sozusagen die mallorquinischen Kryptojuden, die während der Inquisition zur Konversion gezwungen wurden. Einige Familien nahmen daraufhin Kontakt zur Gemeinde auf und traten ihr bei. Die Gemeinde besteht also aus »chuetas«, »marroquíes« und Briten. Andere kommen als Touristen zu Besuch. Schließlich gibt es auch eine kleine Gruppe aus Israel, die zwar nicht sehr aktiv in der Gemeinde ist, aber wir bemühen uns, sie zu integrieren.
Das Insel-Parlament hat 2024 eine Resolution gegen Antisemitismus verabschiedet. Warum war das notwendig?
Eine direkte Bedrohung ist nicht zu spüren. Aber Sicherheitsexperten empfehlen uns, möglichst diskret zu sein. Das ist wie überall in Europa. Leider gibt es seit dem Krieg in Gaza unter bestimmten politischen Gruppen viel Agitation und Hetze. Aber ich möchte gern glauben, dass der durchschnittliche Spanier nicht sehr antisemitisch ist. Und Mallorca ist nicht wie Barcelona, wo eine sehr starke propalästinensische Stimmung herrscht. Ich will das nicht zu negativ bewerten, aber manchmal führt das auch zu Antisemitismus. Hier ist es dagegen etwas ruhiger.
Zuletzt war das bei Deutschen beliebte Lokal »Ballermann« in den Schlagzeilen, weil vor diesem deutsche Fußballtrikots mit Nazi-Aufschrift verkauft wurden. Wie schätzen Sie das ein?
Der Antisemitismus kommt in der Regel aus zwei Richtungen: aus dem rechtsextremen Lager und aus muslimischen, propalästinensischen und arabischen Kreisen. Meine Frau und ich haben zuvor in Alicante gelebt, und sie hat dort immer stolz gesagt, dass sie aus Israel komme, und alle Fragen, die dann aufkamen, gern beantwortet. Es gibt Menschen, mit denen kann man sprechen, und es gibt Menschen, mit denen kann man es eben nicht. Aber die meisten sind eher neugierig. Ich finde allerdings nicht, dass wir für die israelische Politik verantwortlich gemacht werden können. Die Leute müssen verstehen, dass die jüdische Gemeinde auf Mallorca mallorquinisch ist. Uns nicht als zugehörig, nicht als Teil der Insel wahrzunehmen, ist für mich schon Antisemitismus.
Was erfüllt Sie in Hinblick auf die Zukunft mit Freude?
Ich bin hier, damit jüdische Menschen in die Synagoge kommen. Aber nicht nur das: Sie sollen sich auch verbunden fühlen. Ich möchte, dass sie wissen, dass sie Juden sind, und dass sie ihre Tradition bewahren und an die nächste Generation weitergeben wollen. Die Freitagsgottesdienste sind sehr gut besucht. Es freut mich, dass hier so unterschiedliche Menschen zusammenkommen. Und das möchte ich auch den Gemeindemitgliedern in Deutschland sagen: Wenn Sie der Kälte entfliehen möchten, ist es hier nicht nur sehr schön. Es gibt auch eine gastfreundliche Gemeinschaft, die Sie mit offenen Armen empfängt.
Mit Rabbiner Eliahu Bar-Geva sprach Linn Vertein.