Spanien

Der »Engel von Budapest«

Ángel Sanz Briz (1910–1980) Foto: Archivo Familia Sanz Briz

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Der »Engel von Budapest«

Der Diplomat Ángel Sanz Briz rettete 5000 ungarischen Juden das Leben – in Madrid liegt jetzt eine Namensliste aus

von Andreas Knobloch  19.01.2022 07:48 Uhr

Im Herbst wäre Ángel Sanz Briz 111 Jahre alt geworden. Anlässlich des Jahrestages veröffentlichte das in Madrid beheimatete Centro Sefarad-Israel nun die Liste mit den Namen der Personen, die von dem spanischen Diplomaten während des Zweiten Weltkriegs durch die Ausstellung spanischer Pässe in Budapest vor dem Holocaust gerettet wurden.

In Anlehnung an seinen Vornamen ist Ángel Sanz Briz als der »Engel von Budapest« in die Geschichte eingegangen. Im Jahr 1944 rettete der Diplomat durch die Bereitstellung sicherer Unterkünfte und die Ausstellung besonderer Schutzdokumente mehr als 5000 Menschen das Leben. Die meisten von ihnen waren vom Naziregime verfolgte Juden.

Gerechter »Wir haben nicht viele ›Gerechte unter den Völkern‹, Ángel Sanz Briz ist einer von ihnen«, sagt Yéssica San Román. Sie ist in der Schweiz aufgewachsen und hat in Basel osteuropäische Geschichte mit Schwerpunkt Judentum studiert. »Für uns, für Spanien, macht es das besonders, weil es uns mit der Geschichte des Holocausts verbindet«, sagt sie. »Deshalb ist unser Anliegen, die Geschichte von Ángel Sanz Briz noch stärker in die Öffentlichkeit zu bringen, damit wir in Spanien auch sehen, dass wir nicht außerhalb der Schoa standen.«

San Román leitet den Bereich Bildung, Holocaust und Antisemitismus am Centro Sefarad-Israel. Die 2006 gegründete staatliche Einrichtung wird vom spanischen Außenministerium, der Autonomen Region Madrid und der Stadt Madrid finanziert. Sie soll Brücken schlagen zwischen der jüdischen und der nichtjüdischen Welt. »Viele denken, es sei eine jüdische Institution, aber das ist sie nicht«, erklärt San Román. Man richte sich an ein allgemeines Publikum, das sich fürs Judentum interessiert – mit einem spezifischen Fokus auf der sefardischen Kultur.

Ziel ist es, Dokumente zusammenzustellen, um das Schicksal der geretteten Juden zu dokumentieren.

Schwerpunkt ihrer Abteilung ist die Organisation von Lehrerfortbildungen. »In Spanien ist das Thema Holocaust in der Sekundar- und der Oberstufe obligatorisch, das heißt, die Lehrer müssen es in den Unterricht mit einbeziehen«, sagt San Román. Als unbewaffneter Held tauge Sanz Briz als Identifikationsfigur, glaubt sie.

»Manchmal können wir solche Helden wie Ángel Sanz Briz besser verstehen, oder sie können uns Mut machen, uns selbst einmal in einer solchen Situation zu sehen, unsere Bequemlichkeit und unseren Beruf zu riskieren, um andere Menschen zu retten.« Sanz Briz rettete Tausenden Juden das Leben, »zu einer Zeit, als die Deportationen aus Ungarn seit März 1944 in vollem Gange waren«, sagt San Román. »Die nach Auschwitz deportierten Juden wurden zumeist sofort in den Gaskammern ermordet.«

LISTE Die Verbreitung der Liste mit den Namen derjenigen Menschen, denen Sanz Briz die Flucht vor der nationalsozialistischen Verfolgung ermöglichte, soll das Bewusstsein für diesen historischen Kontext schärfen. San Román betont, dass es sich um eine lange Zeit bekannte Liste handelt, die sich im Generalarchiv der Verwaltung befindet und nun vom Centro Sefarad-Israel verbreitet wird.

»Wir wollen Social Media nutzen, um die Liste bekannt und vor allem einfach zugänglich zu machen, um hoffentlich Überlebende oder ihre Nachkommen zu finden«, sagt San Román. Dafür habe man eine eigene E-Mail-Adresse eingerichtet: lalista­sanzbriz@­sefarad-israel.es

Man wolle keine Zeit verlieren. »Erst kürzlich habe ich von einer Frau in Aus­tralien erfahren, die von Ángel Sanz Briz gerettet wurde«, erzählt San Román. »Sie steht auch auf der Liste – und ist vor drei Jahren gestorben. Ich hätte die Frau gern interviewt.«

Ziel ist es, Dokumente zusammenzustellen, um das Schicksal der geretteten Juden zu dokumentieren. Wünschenswert wäre es, daraus Unterrichtsmaterial zu erarbeiten, sagt San Román. »Ich weiß nicht, wie viele Gerettete wir wiederfinden können, aber auch, wenn es nur drei Geschichten sind, die wir dokumentieren können, dann haben wir gewonnen.«

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