Österreich

Der den Titel holte

Hans Menasse (1930–2022) Foto: picture alliance / Robert Newald / picturedesk.com

Es hat sich immer so ergeben im Leben des Hans Menasse, man kann auch sagen: Der frühere österreichische Fußballnationalspieler und Vater der Schriftsteller Robert und Eva Menasse hat jeweils das Beste aus den teils schlimmen Situationen gemacht.

Dass ein kleiner jüdischer Junge, geboren 1930 in ein säkulares Wiener Elternhaus, Fußballer werden wollte, mag vielleicht noch wenig überraschend sein. Und auch, dass der Vater, ein Fan der Wiener »Vienna«, ihn einmal mit ins Stadion nahm, damit der Kleine den vom Vater verehrten Nationalspieler Karl Rainer sehen konnte, passt ins Bild einer behüteten Kindheit. Doch das Jahr 1938 kam, Österreich schloss sich NS-Deutschland an, »und dann, eines Tages, ist der Rainer plötzlich vor unserer Tür gestanden und hat unsere Wohnung arisiert«, erzählte Menasse einmal.

Der vom Vater bewunderte Fußballer erwies sich als ordinärer Arisierungsprofiteur. Die Familie zog zur Großmutter. Sie wurde später nach Theresienstadt deportiert und kam dort ums Leben.

Kindertransport Weil Hans Menasses Mutter katholisch war, wurde der Vater »nur« zur Zwangsarbeit verpflichtet, und Hans konnte gemeinsam mit seinem älteren Bruder Kurt mit den Kindertransporten nach England geschickt werden.

»In Wien, mit acht Jahren, war ich ein lebhaftes, fröhliches Kind. Aber dort? Ich bin auf einmal schüchtern geworden. Ich hab’ angefangen, Nägel zu beißen, bin leicht rot geworden, ich hab’ gestottert ein bisserl, war introvertiert.«

Aber der kleine Hans lernte perfekt Englisch, Deutsch verlernte er beinah, und er lernte Fußball – und wie! Als 16-Jähriger kam er zu Luton Town, einen Profi-Klub, dessen Fan er war. »Ich hatte vier oder fünf Spiele mit den Luton Town Colts, bei den Fohlen, das war ihr Jugendteam.« Jahre später schickte Menasse Luton Town eine E-Mail und erzählte seine Geschichte. Er wurde prompt zu einem Heimspiel eingeladen.

Im Winter 1945 hatten sich die Eltern bei ihm gemeldet, zurück nach Wien konnte er erst im Frühjahr 1947.

Im Winter 1945 hatten sich die Eltern bei ihm gemeldet, zurück nach Wien konnte er erst im Frühjahr 1947. Später meldete sich sogar Arsenal London bei ihm, aber da musste Hans absagen. Er war bereits in Wien. 1950 debütierte er in der ersten Mannschaft der Vienna und schoss gleich acht Tore in der ersten Saison – bei nur neun Einsätzen. 1953 wurde er Nationalspieler, 1954/55 österreichischer Meister. Wegen einer Gelbsucht-Erkrankung verpasste er die WM 1954. Seine Liebe war die Vienna nie gewesen, das war immer »Austria Wien«, und tatsächlich konnte er 1959 noch eine Saison bei seinem Lieblingsklub spielen.

BERUF Der Vater drängte ihn, einen »ordentlichen Beruf« zu ergreifen: Dreher bei Siemens hatte er sich vorgestellt. Doch der jüdische Hausmeister fand die Idee nicht gut: »Hören’s, Herr Menasse, wann hat es je einen jüdischen Dreher gegeben?«, erinnerte er den Vater daran, dass sein Sohn perfektes Englisch sprach. Gerade habe doch ein englischer Filmverleih in Wien begonnen, da gebe es doch gewiss etwas für Hans.

Gab es sehr wohl. Und so wurde Hans Menasse bald als Pressebetreuer für internationale Filmfirmen in Österreich unersetzlich. Für Stars wie Alfred Hitchcock, Sophia Loren oder Charlton Heston organisierte er die PR. Und als ein völlig unbekannter Regisseur, der in seiner Heimat als Wunderkind galt, nach Wien kam, mühte sich Hans Menasse ab, damit der eigenwillige Kerl wenigstens ein paar Interviews geben konnte. Es war Steven Spielberg.

Und was wurde aus Karl Rainer, dem Idol der Kindheit, das die Gunst der Stunde genutzt hatte, um sich die Wohnung der Familie Menasse unter den Nagel zu reißen? »Bei dem klopfte mein Bruder in englischer Uniform, in Begleitung unseres Vaters, an. Dem Rainer schlief das Gesicht ein, und er wurde kreidebleich beim Anblick der beiden. Mein Bruder meinte nur verächtlich: ›Keine Angst, wir wollten uns nur noch einmal die Wohnung anschauen.‹«

Am 28. Februar ist Hans Menasse wenige Tage vor seinem 92. Geburtstag in Wien gestorben.

Großbritannien

Aufsicht rügt BBC wegen »schwerwiegender Irreführung«

Eine BBC-Doku aus Gaza drehte sich um den 13-jährigen Sohn eines hochrangigen Hamas-Funktionärs. Doch davon erfuhren die Zuschauer nichts. Jetzt beschloss die Ofcom Sanktionen gegen den Sender

 17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts.

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

USA

Auf der Suche nach dem »Jewish Glam«

Wie jüdische Fotografinnen und Fotografen Hollywood zu seinem berühmten Glamour verhalfen

von Ute Cohen  17.10.2025

Stockholm

Wirtschaftsnobelpreis geht auch an jüdischen Ökonom

Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt werden für ihre Forschung zu nachhaltigem Wachstum geehrt

 13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

von Nicole Dreyfus  12.10.2025

Malibu

Kiss-Sänger Gene Simmons bei Unfall verletzt

Der 76-Jährige soll hinter dem Steuer das Bewusstsein verloren haben

 10.10.2025

Meinung

Außen hui, innen pfui: Trumps Umgang mit den Juden

Während sich der US-Präsident um die Juden in Israel verdient macht, leidet die jüdische Gemeinschaft im eigenen Land unter seiner autoritären Innenpolitik. Das sollte bei aller Euphorie über den Gaza-Deal nicht vergessen werden

von Joshua Schultheis  09.10.2025

Literatur

Nobelpreis für Literatur geht an László Krasznahorkai

Die Literaturwelt blickt erneut gebannt nach Stockholm. Dort entscheidet man sich diesmal für einen großen Schriftsteller aus Ungarn - und bleibt einem Muster der vergangenen Jahre treu

von Steffen Trumpf  09.10.2025

Italien

»Mein Sohn will nicht mehr Levy heißen«

Wie ist es in diesen Tagen, Jude in einer europäischen Metropole zu sein? Ein Besuch bei Künstler Gabriele Levy im jüdischen Viertel von Rom

von Nina Schmedding  06.10.2025