Schweiz

Das Kreuz am Sonntag

Werbematerial der SVP Foto: dpa

Die Worte vor dem Sitz des Parlaments in Bern beeindrucken, auch weil sie in der Schweizer Öffentlichkeit nicht mehr oft zu hören sind: »Angesichts dessen, dass das Antisemitismus-Ungeheuer in Europa wieder am Erwachen ist, erwarte ich von der Regierung, dass sie sowohl im Inland als auch außerhalb unseres Landes gegen den Antisemitismus sensibilisiert.« Das sagte kürzlich bei einer Gedenkveranstaltung für Judenretter der Schweizer Parlamentsabgeordnete und Biobauer Erich von Siebenthal.

Die aufrüttelnden Worte könnten durchaus von einem Schweizer Linken stammen. Doch der Redner stellt sich öffentlich auch hinter Israel – und das macht kaum noch ein Linker. Und so ist Erich von Siebenthal, seines Zeichens Präsident der parlamentarischen Gruppe Schweiz–Israel, auch kein Linker, sondern Mitglied der rechten Schweizerischen Volkspartei (SVP). Das ist kein Zufall. Denn fast immer, wenn es um die Unterstützung Israels geht, melden sich heute vor allem SVP-Politiker zu Wort.

Israel Manche der knapp 14.000 jüdischen Wähler, die die Einstellung der Parteien gegenüber Israel zum Maßstab für ihre Wahlentscheidung machen, kann das in Gewissensnot bringen. Denn viele Exponenten der SVP sind als harte Gegner der Anti-Rassismus-Strafnorm bekannt, die seit gut 20 Jahren in der Schweiz gilt. Für manche Volkspartei-Mitglieder ist diese Strafnorm nichts anderes als ein verhasstes »Maulkorb-Gesetz«, das sie wieder abschaffen möchten. Für die jüdische Gemeinschaft des Landes, nicht zuletzt für den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG), ist das jedoch ein absolutes Tabu. Misstrauen schürt außerdem, dass SVP-Übereifrige beim Thema Anti-Rassismus-Strafnorm gelegentlich sogar Schützenhilfe von ganz Rechts in Anspruch nehmen.

Der Graben zwischen der wählerstärksten Partei der Schweiz und der jüdischen Gemeinschaft des Landes verlief dabei früher eigentlich sogar noch tiefer: So waren in den 90er-Jahren bei der Diskussion über die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg in SVP-Kreisen durchaus versteckte, teilweise auch ganz offene antisemitische Tendenzen auszumachen.

Sozialdemokraten Die damals treuen Verbündeten der Schweizer Juden, nämlich Sozialdemokraten und Grüne, gehen seit Jahren eher auf Distanz zur jüdischen Gemeinschaft – und daran ist wiederum das andere Thema schuld: »Israel«. Zwar ist der zurzeit einzige jüdische Abgeordnete im Schweizer Parlament, Daniel Jositsch, Sozialdemokrat. Doch von den weiteren sieben jüdischen Kandidaten, die am 18. Oktober bei den nationalen Wahlen antreten, gehören nur noch zwei zur Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP).

»Man darf die Beziehung zwischen der SP und jüdischen Vertretern ohnehin nicht überbewerten«, sagt ein sozialdemokratisches Urgestein, der frühere Basler Abgeordnete Carl Miville. Viele jüdische Familien wählten schon früher eher die Bürgerlichen – vielleicht, weil sie ihre materiellen Interessen bei diesen Parteien besser aufgehoben sahen. Und dabei sei es eben geblieben. Miville gilt auch mit 95 Jahren noch als treuer Freund Israels. Er stört sich nicht an der Tatsache, dass die SVP heute innerhalb der Schweiz als größter politischer Unterstützer des jüdischen Staates gilt: »Das kann der Sache Israels doch nur nützen.«

Anders sieht das der Historiker Daniel Gerson, der selbst Mitglied der Jüdischen Gemeinde Bern ist. Er glaubt nicht, dass diesmal mehr Juden als früher für die SVP stimmen werden. »Aber die Distanz zwischen der rechtspopulistischen SVP und einem großen Teil der jüdischen Minderheit hat sich meiner Meinung nach verringert.« Das bewiesen schon die zahlreichen Inserate von Kandidaten der Volkspartei in der jüdischen Zeitschrift »Tachles«. Dort steht in den Anzeigen einiger SVP-Kandidaten, sie seien »Freunde Israels«.

Imanuels Interpreten (13)

Herb Alpert: Der Universalkünstler

Vom Trompeter zum Philantropen: Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Kalifornien erreichte in den 90 Jahren seines bisherigen Lebens viel

von Imanuel Marcus  10.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  10.09.2025 Aktualisiert

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025

Belgien

Aus der Straße des Antisemiten wird die Straße der Gerechten

In Brüssel gibt es jetzt eine Rue Andrée Geulen. Sie ist nach einer Frau benannt, die im 2. Weltkrieg mehr als 300 jüdische Kinder vor den deutschen Besatzern rettete. Doch bei der Einweihung herrschte nicht nur eitel Sonnenschein

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Vuelta

Spanischer Radprofi Romo stürzt wegen Protestaktion

Die »propalästinensischen« Proteste bei der Spanien-Rundfahrt nehmen kein Ende. Auf der 15. Etappe ist es zu Stürzen gekommen

 07.09.2025

Österreich

Eine Legende feiert den jüdischen Zusammenhalt

Vor genau 100 Jahren wurde der SC Hakoah erster Profi-Fußballmeister. Der Verein hatte damals eine Mannschaft von Weltrang. Es gibt ihn nach wie vor – nur etwas anders

von Stefan Schocher  07.09.2025

London

Heftige Gewalt gegen Beamte bei »propalästinensischem« Protest

Bei »propalästinensischen« Protesten kam es im Herzen Londons zu heftigen Ausschreitungen gegen Polizisten

 07.09.2025

Mallorca

»Die Freitagsgottesdienste sind sehr gut besucht«

Der neue Rabbiner Eliahu Bar-Geva über Gemeinsamkeiten und seine Pläne für die Zukunft der jüdischen Gemeinde auf der Ferieninsel

von Linn Vertein  07.09.2025

Fürth

Ruth Weiss ist gestorben

Sie engagierte sich ihr Leben lang gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Nun ist die in Franken geborene Schriftstellerin mit 101 Jahren gestorben

 05.09.2025 Aktualisiert