Interview

»Das ist schlimm für Griechenland«

Benjamin Albalas Foto: Rolf Walter

Herr Albalas, bei der Europawahl am Sonntag ist die rechtsextreme »Goldene Morgenröte« mit knapp zehn Prozent drittstärkste Partei Griechenlands geworden. Was heißt das für die Juden im Land?
Zunächst einmal heißt das: Die griechischen Neonazis haben jetzt drei Sitze im Europaparlament. Das ist schlimm für unser Land, und wir als jüdische Gemeinde sind sehr enttäuscht. Wir wissen nicht, was jetzt kommen wird. Aber leider war das Ergebnis abzusehen.

Inwiefern?
Wir hatten am 18. Mai Kommunalwahlen. Sie galten als Test für die Europawahl. In Athen erhielt der Spitzenkandidat der Goldenen Morgenröte rund 16 Prozent der Stimmen. Und auch in einigen anderen Städten zogen einzelne Rechtsextreme in die kommunalen Parlamente ein. Das ließ für die Europawahlen nichts Gutes erahnen.

Warum wählen so viele Griechen die Goldene Morgenröte?
Zunächst ist da die Finanzkrise. Zweitens haben viele Leute die Nase voll von den beiden Regierungsparteien. Drittens sind diese Wähler nationalistisch. Sie finden in der Goldenen Morgenröte eine Plattform, wo sie ihre Gefühle ausdrücken können. Etliche Griechen stören sich an den illegalen Migranten, vor allem denen, die aus muslimischen Ländern kommen. Sie trauen der Goldenen Morgenröte am ehesten zu, dieses »Problem« zu lösen.

Laut einer aktuellen Studie der Anti-Defamation League (ADL) ist Griechenland in Europa das Land mit den meisten Antisemiten.
Ich denke, das stimmt so nicht. Die Fragen, die die Teilnehmer der Studie beantworten mussten, sind aus meiner Sicht wenig objektiv und kaum dazu geeignet, eine antisemitische Einstellung wirklich zu ermitteln. Ja, es gibt Antisemitismus in Griechenland, aber ich denke, es ist unfair zu behaupten, 68 Prozent aller Griechen seien Antisemiten. Wir Juden haben seit fünf Jahren weder Vandalismus erlebt noch Angriffe. Schauen Sie sich dagegen Länder wie Frankreich an! Da gibt es so viel physische Gewalt gegen Juden. Oder Schweden! Nach der ADL-Studie ist es das am wenigsten antisemitische Land in Europa. Das kann ja wohl nicht sein.

Wie wird der Einzug der Goldenen Morgenröte ins Europaparlament Griechenland verändern?
Die Neonazis werden sicherlich mächtiger werden. Aber ich bezweifle, dass andere rechtsextreme Bewegungen in Europa sie akzeptieren werden. Madame Le Pen vom französischen Front National nimmt die Goldene Morgenröte bestimmt nicht in ihre Fraktion auf.

Es gibt im neuen EU-Parlament aber noch andere, mit denen die Goldene Morgenröte gemeinsame Sache machen könnte.
Ja, das ist zu befürchten. Man denke nur an die antisemitische, ungarische Jobbik-Partei. Und wahrscheinlich werden sie auch mit der NPD zusammenarbeiten. Das muss man sich einmal vorstellen: Bald sitzt ein deutscher Neonazi im Straßburger Europaparlament!

Mit dem Präsidenten des Zentralrats der jüdischen Gemeinden in Griechenland sprach Tobias Kühn.

Frankreich

Umfrage: Mehrheit gegen sofortige Anerkennung Palästinas

Laut einer repräsentativen Befragung unterstützt nur ein Drittel der Franzosen das Vorgehen von Präsident Emmanuel Macron, der kommende Woche einen »Staat Palästina« anerkennen will

 19.09.2025

Großbritannien

Der grüne Populist

Zack Polanski ist der neue Chef der Grünen. Möglicher Partner: ausgerechnet Jeremy Corbyn

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  18.09.2025

Belgien

Grabschändung am Todestag

Das Grab des jüdischen Politikers Jean Gol in Lüttich wurde genau 30 Jahre nach seinem Tod geschändet. Gols Tochter sieht einen eindeutigen Zusammenhang zum Nahostkonflikt

 18.09.2025

USA

Angriff auf Cousin einer ermordeten Geisel

Ariel Yaakov Marciano wurde in Santa Monica angegriffen und geschlagen, weil er Hebräisch sprach

 17.09.2025

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025