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Danke für die Farbe!

Iris Apfel ist tot. Die Designerin und Mode-Ikone wurde erst im hohen Alter zur eigenen Marke

von Sophie Albers Ben Chamo  07.03.2024 10:37 Uhr

Sie nannte sich selbst gern die »älteste Teenagerin der Welt«: Iris Apfel sel. A. (1921–2024) Foto: picture alliance / Sipa USA

Iris Apfel ist tot. Die Designerin und Mode-Ikone wurde erst im hohen Alter zur eigenen Marke

von Sophie Albers Ben Chamo  07.03.2024 10:37 Uhr

Es gibt Menschen, die nehmen einem die Angst vor dem Alter. Iris Apfel tat das mit Anlauf. Im letzten Jahrzehnt ihres Lebens hat die New Yorkerin mehr erlebt als gleich mehrere Menschen in allen davor. Und die »älteste Teenagerin der Welt«, wie sie sich gern selbst nannte, hat es in vollen Zügen genossen, Model, Fashion-Ikone und Medien-Star zu sein.

»Es kam nur so plötzlich«, hat die scharfzüngige Tochter russischer Juden, die 1921 in Queens geboren wurde, einmal kokett einem Interviewer zugeworfen. Um dann mit ihrer fragilen, manikürten Hand lachend das berühmte große Brillengestell geradezurücken. Nun ist Iris Apfel im Alter von 102 Jahren in ihrem sonnigen Zuhause in Florida – natürlich hatte sie auch eins in New York – gestorben. Und die Welt hat ein bisschen an Farbe verloren.

Denn Apfel war eine Herrscherin der leuchtenden Töne. Ganz in Gelb, Rot, Grün oder auch in allen Farben gleichzeitig zierte sie Magazin-Cover und Social-Media-Kanäle, als sie die 90 längst überschritten hatte. 97 Jahre alt war die Frau, die mehr ausgefallene Brillenfassungen besaß als Elton John, als sie den Vertrag bei der berühmten Modelagentur IMG unterzeichnete und so Kollegin von Shalom Harlow, Kate Moss und Miranda Kerr wurde.

Eine Barbie-Puppe nach dem Vorbild von Iris Apfel

Im selben Jahr brachte Mattel eine Barbie-Puppe nach ihrem Vorbild heraus. Fünf Jahre zuvor hatte der Dokumentarfilm Iris von Albert Maysles für Kinofurore gesorgt, der die Kunst der Bildmontage so grandios beherrschte wie Apfel ihr Talent der flamboyanten Kombination von Kleidungsstücken und Accessoires.

Auf Jacqueline »Jackie« Kennedy war Apfel nicht sonderlich gut zu sprechen.

Seinen Anfang genommen hatte der große Iris-Apfel-Hype 2005 mit einer Ausstellung im Costume Institute des Metropolitan Museum of Art in New York. Rara Avis: The Irreverent Iris Apfel war der Titel über den »seltenen, respektlosen Vogel«, der Apfel ihr Leben lang war, mit ihren einzigartigen Symbiosen von Haute Couture und Flohmarkt-Chic, riesigen Plastik­armreifen und filigranem Silberdesign, antik und Punk, grob und fein. »Selten«, weil Iris Apfel dabei mehr Chuzpe hatte als die ganze Branche, und »respektlos«, weil sie sich niemals um Erwartungen scherte. Ihre Expertise war bis dahin allerdings eher Expertenkreisen vorbehalten gewesen.

Zwei Jahre nach der Hochzeit von Iris Barrel aus Queens mit der Liebe ihres Lebens, Carl Apfel, im Jahr 1948 hatte das Paar eine Stofffirma für die Reproduktion alter Textilien aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert gegründet, die »Old World Weavers« (Weber der alten Welt). Und sie waren damit sowie den auf ihren weiten Reisen gefundenen Möbeln und Einrichtungsideen so erfolgreich, dass sie neben reichen New Yorkern schließlich auch das Weiße Haus in Washington ausstatten durften. Und das für insgesamt neun Präsidenten – von Truman bis Clinton.

Der Legende nach kam Apfel mit allen gut zurecht, nur auf Jacqueline »Jackie« Kennedy war sie nicht sonderlich gut zu sprechen. Die habe ihr nämlich mit einem berühmten französischen Designer in die Arbeit hineinreden wollen. Nach 42 äußerst produktiven Jahren haben die Apfels die Old World Weavers 1992 für einen guten Preis verkauft.

Den Unterschied zwischen Mode und Stil lernte sie früh

Den Unterschied zwischen Mode und Stil hat Iris Apfel früh gelernt. Allerdings weder in ihrem ersten Job beim berühmten US-Modemagazin »Women’s Wear Daily« noch beim Studium der Kunstgeschichte in New York, sondern von ihrer Mutter, Sadye Barrel. »Meine wunderbare Mama, meine großartige Mentorin, meine faszinierende Muse, die mir beigebracht hat, wie man am Altar des Accessoires betet. Das alles verdanke ich dir«, postete Apfel einmal zum Muttertag auf Twitter. »Ich wünschte, du wärst hier, um mit mir zu feiern.«

Die hatte ihrer Tochter die erste Lektion in Sachen Mode verpasst, als diese etwa zwölf Jahre alt war: Damals habe sie ihr 25 Dollar gegeben, um sich ein Outfit für die Fifth Avenue Easter Parade zu kaufen, zitiert »Vanity Fair« Apfels Erinnerungen. Sie habe dann ein Kleid für 12,95 Dollar und Pumps für 3,95 gefunden, sodass sie genug Geld übrig hatte für einen Strohhut, ein kleines Mittagessen und die Fahrt nach Hause. Die Eltern waren begeistert.

»Du bist nicht hübsch und wirst es auch nie sein, aber das spielt keine Rolle, denn du hast Stil.«

Frieda Loehmann über Apfel

Und dann war da das Schnäppchenkaufhaus Loehmann’s in Brooklyn, wo Apfel auf ihren Streifzügen immer wieder das Taschengeld gegen außergewöhnliche Dinge tauschte, die sie so sehr liebte wie ungewöhnliche Kleidung, ausgefallene Brillengestelle und Modeschmuck. Die Besitzerin Frieda Loehmann habe sie eines Tages zur Seite genommen und gesagt: »Junge Dame, ich habe dich beobachtet. Du bist nicht hübsch und wirst auch nie hübsch sein, aber das spielt keine Rolle. Du hast etwas viel Besseres. Du hast Stil.« Und den könne man nicht kaufen, den habe man in der DNA, so Apfel, die sich immer wieder gern über das Befolgen von Modetrends aufregte: zerrissene Jeans als Fashion-Statement? »Totaler Irrsinn!«

Was Apfel aus Loehmanns aufmerksamer Weitsicht in den kommenden Jahrzehnten gemacht hat, kann man noch auf ihrem Instagram-Account mit seinen drei Millionen Followern lesen: »More is more and less is a bore« (Mehr ist mehr, und weniger ist langweilig).

Der »Ring des Ewigen Juden« zu Carls Geburtstag

Ihr kostbarster Fund auf all den Märkten der Welt sei übrigens der »Ring des Ewigen Juden« gewesen, den sie auf einer Reise in Dublin fand und ihrem Carl 1958 zum Geburtstag schenkte. Der habe ihn bis zu seinem Tod 2015 getragen. Laut »Jewish Women’s Archive« war es ein Ring in Form eines Löwen mit hebräischer Inschrift. Als Kind war Apfel viel und gern in der Synagoge, dann erst wieder 80 Jahre später, als das Astoria Center Israel in Queens sie ehrte.

Bleibt die Frage, was wir von Iris Apfel lernen können: »Das Leben beginnt und endet mit einem Staunen«, sagte sie einmal dem »Guardian«. »Die Menschen verbringen viel zu viel Zeit mit kalten, harten Fakten und Technologie. Es sollte mehr Geheimnis und Glamour geben!« Amen.

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