Polen

Corona-Notstand

Schlangestehen: Krankenwagen mit Covid-Patienten vor einer Klinik in Breslau Foto: picture alliance / NurPhoto

Polen hat die Corona-Pandemie besonders schwer getroffen. Auch wenn die Ansteckungszahlen allmählich auf rund 20.000 täglich sinken, sind nach wie vor rund 500 bis 600 Todesopfer täglich zu beklagen, so viel wie in kaum einem anderen Land Europas.

Die Ambulanzen bringen nur noch die schwersten Fälle in die Krankenhäuser. Es fehlt an Pflegepersonal und Ärzten. Die meisten Kranken müssen sich irgendwie zu Hause kurieren.

Doch während viele gläubige Katholiken Trost und Kraft in den nach wie vor geöffneten Kirchen suchen, sind Polens Synagogen inzwischen seit fast einem Jahr geschlossen. Nur zu den Feiertagen trifft man sich – zumeist draußen und unter Einhaltung aller Abstands- und Hygieneregeln. Dank dieser strengen Disziplin, die von den meisten auch im Alltag beachtet wird, gab es in Polens jüdischer Gemeinschaft bislang kaum Corona-Kranke.

Online Doch die regelmäßigen Zusammenkünfte fehlen vielen. Dabei muss niemand auf Vorträge und Workshops zu religiösen Themen verzichten, die der orthodoxe Oberrabbiner des Landes, Michel Schudrich, fast jeden Tag online anbietet. In der Warschauer Reformgemeinde Ec Chaim hält Rabbiner Stas Wojciechowicz sogar Online-Gottesdienste ab. Zu einer Bar- oder Batmizwa werden die Synagogen auch geöffnet, aber nur für den engsten Familienkreis und ein paar gute Freunde und Freundinnen.

Das gesamte jüdische Leben hat sich in den virtuellen Raum verlagert. Insbesondere für Kinder und Jugendliche ist das schwer zu ertragen. Die beiden jüdischen Mittel- und Oberschulen in Warschau und Breslau sind wie auch die anderen Schulen in Polen seit März 2020 fast durchgängig geschlossen, so lange wie in keinem anderen Land Europas. Denn in Polen hatten die Ärzte schnell bemerkt, dass bei Kindern und Jugendlichen die Covid-19-Erkrankung zwar viel milder verlief als bei Erwachsenen, die Kinder dafür aber oft mit schweren Folgeerkrankungen zu kämpfen hatten.

Auch der »Szenetreff« der Warschauer Juden, das JCC (Jewish Community Center), mit seinem sonntäglichen koscheren »Boker Tow«-Brunch ist seit fast einem Jahr geschlossen. Zwar bieten das JCC und auch das jüdische Museum POLIN zahlreiche Back- und Kochkurse zur jüdischen Küche des alten Galizien in Ostpolen oder des modernen Israel an, außerdem Vorträge, Diskussionen und Workshops aller Art, doch es ist eben alles nur online.

Impfen Große Hoffnung setzen Polens Juden auf die gut organisierte Impfaktion der Regierung. Anders als die katholische Bischofskonferenz, deren Bioethiker Bischof Józef Wróbel vor »unmoralischen Impfstoffen« warnte, die angeblich aus Zelllinien abgetriebener Föten hergestellt würden, gab es vonseiten der polnischen Rabbiner keinerlei Vorbehalte gegenüber den lebensrettenden Impfstoffen.

Seit einiger Zeit begrüßen sich Polens Juden am Telefon und Computer oder auch bei mehr oder weniger zufälligen Treffen auf der Straße anders als bisher nicht mehr mit einem »Hallo, wie geht’s?«, sondern mit der Frage »Bist du schon geimpft?« oder »Wann hast du den zweiten Termin?«.

Danach geht es oft schnell über zur aktuellen Urlaubsplanung. Viele Gemeindemitglieder wollen ihre erste Reise nach der Pandemie nach Israel machen, dort Verwandte und Freunde besuchen, vor allem aber wieder »Jüdischkeit tanken«, wie es in Warschau, Krakau und Breslau oft heißt.

identität Denn die tief durchlebten Gedenktage – vergangene Woche war der Jahrestag des Warschauer Ghettoaufstands vom 19. April 1943 – sind nur eine Seite der polnisch-jüdischen Identität. Wie am Jom Haschoa in Israel heulten auch in diesem Jahr in Warschau wieder pünktlich um 12 Uhr die Sirenen, und auf den Straßen blieben viele Menschen stehen, um der jüdischen Opfer zu gedenken. Doch in Israel gibt es auch den Strand, das Meer und eine große Lebensfreude.

Und auch wenn Pessach längst vorbei ist, wünschen sich daher viele polnische Juden, bevor sie das Telefonat oder das Zoomgespräch beenden: »Nächstes Jahr in Jerusalem!« Die meisten hoffen jedoch, dass es noch in diesem Jahr klappt.

Ungarn

Europäisch und zeitgemäß

Das einzige jüdische Theater heißt Gólem und ist jünger und provokanter, als die meisten erwarten

von György Polgár  18.04.2024

Großbritannien

Seder-Tisch für die Verschleppten

131 Stühle und zwei Kindersitze – einer für jede Geisel – sind Teil der Installation, die in London gezeigt wurde

 18.04.2024

Medien

Die Mutter einer Geisel in Gaza gehört zu den »einflussreichsten Menschen 2024«

Das Time Magazine hat seine alljährliche Liste der 100 einflussreichsten Menschen des Jahres veröffentlicht. Auch dieses Mal sind wieder viele jüdische Persönlichkeiten darunter

 18.04.2024

Indonesien

Unerwartete Nähe

Das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt will seine Beziehungen zu Israel normalisieren

von Hannah Persson  18.04.2024

Schweiz

SIG begrüßt Entscheidung für Verbot von Nazi-Symbolen

Wann die Pläne umgesetzt werden, bleibt bisher unklar

von Imanuel Marcus  17.04.2024

Judenhass

Antisemitische Vorfälle in den USA um 140 Prozent gestiegen

Insgesamt gab es 8873 Übergriffe, Belästigungen und Vandalismusvorfälle

 17.04.2024

Chile

Backlash nach Boykott

Mit israelfeindlichem Aktionismus schadet das südamerikanische Land vor allem sich selbst

von Andreas Knobloch  16.04.2024

Kiew

Ukraine bittet um gleichen Schutz wie für Israel

Warum schützt der Westen die Ukraine nicht so wie Israel? Diese Frage stellt der ukrainische Staatschef Selenskyj in den Raum

von Günther Chalupa  16.04.2024

Statement

J7 Condemn Iranian Attack on Israel

The organization expressed its »unwavering support for Israel and the Israeli people«

von Imanuel Marcus  15.04.2024