Schweiz

Burka, Seder und Imame

Der junge Mann mit Dreitagebart und Kippa spricht engagiert, aber zugleich locker ins Fernsehmikrophon: »Ich heiße Noam Hertig, bin praktizierender Jude und gehe jetzt ins bosnisch-muslimische Gemeindezentrum, um mich über das islamische Opferfest zu informieren.« Zielstrebig schreitet er auf einen funktionalen Bau in einem Industriekomplex am Rande Zürichs zu. Dort angekommen, klopft er einem Mittvierziger freundschaftlich auf die Schulter. »Guten Tag, sind Sie hier der Chef?« Der Mann korrigiert ihn milde: »Sozusagen, ich bin hier der Imam.«

Mit der Fünf-Minuten-Sendung »Bilder zum Feiertag«, die seit einigen Monaten ausgestrahlt wird, möchte das Schweizer Fernsehen neue Wege gehen. Denn anders als bisher sollen die nichtchristlichen Religionen weitaus stärker vorgestellt werden. Das Flaggschiff der Fernsehmacher auf dem Gebiet der Religion, die Sendung »Das Wort zum Sonntag«, eignet sich schon vom Titel her kaum für andere Glaubensgemeinschaften. »Ein ›Wort zum Freitag‹ oder ›zum Schabbat‹ wird es aber sicher nicht geben«, sagt die zuständige Redaktionsleiterin beim Schweizer Fernsehen SF DRS, Nathalie Wappler. Stattdessen versuche man, den nichtchristlichen Kulturen auf andere Art und Weise eine Stimme zu geben. Und da bietet sich das kurze Gefäß »Bilder zum Feiertag« geradezu ideal an. Jüdische, islamische, buddhistische Feste werden darin ebenso vorgestellt wie Feiern orthodoxer Christen jenseits der beiden Landeskirchen, und das schon seit einigen Jahren.

Nebenjobs Nun geht man bei »Bilder zum Feiertag« aber noch weiter: Wie Noam Hertig sind auch junge Vertreter anderer Religionen im Nebenjob unterwegs, um sich einer anderen Glaubensgemeinschaft journalistisch zu nähern – mit dem Ziel, diese Religionsgemeinschaft auf dem Bildschirm in ein paar Minuten möglichst aussagekräftig zu porträtieren.

So lud sich in einer Sendung im vergangenen Dezember die muslimische Biologiestudentin Raschida Bouhouch zusammen mit einem Kamerateam bei der Basler Familie Selig zum Kaffee ein. Es gab Sufganiot, Berliner Pfannkuchen, denn es war Chanukka. Und die empfahl die sympathische Zürcherin ihren Zuschauern ebenso intensiv, wie sie vorher über die Architektur der Synagoge gestaunt hatte: Das Bauwerk – im 19. Jahrhundert im sogenannten maurischen Stil errichtet – »erinnert mich stark an Marokko«, sagte die junge Reporterin. Von dort stammt ihre Familie. Gestaunt hatte in einer früheren Sendung Noam Hertig in der Moschee: »Das ist ja wie bei uns: Von überallher kommen die Menschen, und die Stimmung beim Gebet ist so ungezwungen!«

misstrauen Doch so viel Gemeinsamkeit wecke da und dort auch Misstrauen, sagt Fernsehredakteurin Nathalie Wappler: »Nach den Sendungen mit Noam Hertig und Raschida Bouhouch hatten wir viele Reaktionen christlicher Zuschauer« – die hätten teilweise moniert, dass hier ein jüdisch-muslimisches Zusammenleben gezeigt werde, das durch die Geschehnisse im Nahen Osten immer wieder Lügen gestraft werde.

Nathalie Wappler lässt sich durch diese Reaktionen aber nicht aus ihrem Konzept bringen. Im Gegenteil: Sie arbeitet daran, ein längeres Sendeformat für »Bilder zum Feiertag« zu entwickeln, bei dem auch das Thema Integration eine noch stärkere Rolle spielen soll. Unterstützt wird sie dabei von den Landeskirchen, bei deren Vertretern die neuen Ideen gut ankommen. Ebenso positiv sieht das von jüdischer Seite Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG). Das neue Konzept der Sendung entspreche durchaus den Vorstellungen des SIG, sagt er. Eine direkte Einflussnahme hat der Verband allerdings nicht. Denn anders als etwa in Deutschland sind die Religionsgemeinschaften nicht in den Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vertreten.

Die neue Form der Religionsberichterstattung im Schweizer Fernsehen stößt allerdings nicht durchweg auf Begeisterung: So waren in der – nicht repräsentativen – Umfrage einer Sonntagszeitung nur 30 Prozent an regelmäßigen Berichten über nichtchristliche Religionen interessiert.

Und das Kopftuch von Reporterin Raschida Bouhouch hat gar die Laizistische Gesellschaft der Schweiz auf den Plan gerufen. Sie erwägt eine Beschwerde gegen den Sender. »Religiöse Symbole gehören nicht in die Moderation eines gebührenfinanzierten Fernsehsenders«, ließ sich eine Sprecherin der bisher kaum in Erscheinung getretenen Organisation zur Begründung vernehmen.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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