Osteuropa

Bis ins letzte Schtetl

Markenzeichen: Globus und Glotze Foto: Fotolia

Al Dschasira ist einer der umstrittensten Fernseh-Nachrichtensender weltweit. Gegner verurteilen seine Berichterstattung als parteiisch und anti-amerikanisch. Befürworter loben sie für die Kritik an autoritären Regierungen in Syrien, Libanon oder Ägypten.

Nach dem Vorbild des arabischen Senders soll ab Mitte des Jahres 2012 ein jüdischer Kanal auf Sendung gehen. Das ist der erklärte Wille von Alexander Maschkewitsch, einem aus Kasachstan stammenden Unternehmer mit israelischem Pass. »Heute tobt ein Krieg, der nicht mit Waffen geführt wird, sondern mit Informationen. Jeden Tag und jede Stunde erreichen negative Nachrichten über Israel die Menschen. Deshalb ist es von höchster Wichtigkeit, Israel international mit wahrheitsgemäßer Information zu präsentieren«, sagte Maschkewitsch bei der Vorstellung des Projekts im Frühjahr in Washington.

Das Ziel ist klar: Der geplante Sender soll die Wahrnehmung Israels in der Welt positiv beeinflussen – allerdings nicht durch plumpe Propaganda, wie Maschkewitsch betonte. Die Redaktionen sollen objektiv und wahrheitsgemäß über Israel und die Situation im Nahen Osten berichten.

Ressourcen In der Startphase will Maschkewitsch rund 100 Millionen US-Dollar investieren. Das ist kein großer Betrag für den Unternehmer, der seinen Aufstieg in der Perestrojka-Zeit antrat und heute über ein Vermögen von 3,7 Milliarden US-Dollar verfügen soll. Neben den finanziellen Ressourcen dürfte für das Projekt von Vorteil sein, dass Maschkewitsch international sehr gut vernetzt ist.

Seit 2002 und noch bis zu seinem angekündigten Rücktritt im September führt er als Präsident den Eurasischen Jüdischen Kongress (EAJC). Maschkewitsch uterhält Geschäftsbeziehungen in Russland, der Ukraine, Israel, Zentralasien und Afrika. In Kasachstan wird Maschkewitsch Einfluss bis in die Regierung nachgesagt. Seine Kontakte in dem zentralasiatischen Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung soll er in der Vergangenheit mehrfach genutzt haben, um für die israelische Regierung Türen zu öffnen.

Maschkewitschs Projekt eines jüdischen Fernsehsenders ist nicht das einzige. Viel weiter vorangetrieben haben ihr Vorhaben offenbar die ukrainischen Unternehmer Igor Kolomojski und Wadim Rabinowitsch. Im April erklärte Kolomojski in Paris, noch im Jahr 2011 mit Jewish News One auf Sendung gehen zu wollen.

Polyglott Wenig später wurde bekannt, dass sein Geschäftspartner Rabinowitsch bereits sämtliche Aktien und die Sendelizenz des ukrainischen Fernsehsenders News One aufgekauft hat. Auf der Basis von News One entstehen derzeit die Strukturen von Jewish News One. Senden wollen Kolomojski und Rabinowitsch aus Studios in Brüssel, Paris, London, Washington, Kiew und Israel – zunächst auf Englisch, später auch auf Französisch, Deutsch und Russisch.

Wenn der Kanal der beiden tatsächlich noch in diesem Jahr auf Sendung geht, ist dann der Start von Maschkewitschs Projekt im Jahr 2012 überhaupt noch sinnvoll? Gibt es Bedarf für zwei weltweit ausgestrahlte jüdische Fernsehsender? Laut Roman Spektor, Sprecher von EAJC-Präsident Maschkewitsch, haben die beiden Projekte unterschiedliche thematische Schwerpunkte: Maschkewitschs Sender werde über Ereignisse in Israel und dem Nahen Osten berichten. Der Sender von Kolomojski und Rabinowitsch werde sich nicht auf Israel und den Nahen Osten beschränken, sondern jüdische Themen in ihrer gesamten Bandbreite beleuchten.

Dynamisch Auch Rabinowitsch betont, dass sich die beiden Rundfunkstationen nicht ins Gehege kämen. »Unser Sender ist einfacher und dynamischer.« Maschkewitschs Programm sei globaler, so der Geschäftsmann.

Laut dem ukrainischen Nachrichtenportal Jewish News, an dem Rabinowitsch über seine Media International Group beteiligt ist, fand im Frühjahr in Kiew ein Treffen der drei Unternehmer statt. Dabei sollen sie Möglichkeiten der Zusammenarbeit bei der Schaffung eines weltweit ausgestrahlten jüdischen Fernsehsenders ausgelotet haben. Sind die zahlreichen, teils widersprüchlichen Meldungen über zwei konkurrierende Projekte am Ende Teil einer Kommunikationsstrategie, um potenzielle Konkurrenten und Gegner in die Irre zu führen?

Denn ein Politikum ist ein weltweit ausgestrahlter, jüdischer Fernsehsender in jedem Fall. Damit erhielten die osteuropäischen Gründer ein machtvolles Instrument für die Meinungsbildung. Möglicherweise würden sich damit auch die Gewichte innerhalb der weltweiten jüdischen Gemeinde verschieben.

Nachruf

Letzter Kämpfer des Aufstands des Warschauer Ghettos gestorben

Michael Smuss wurde 99 Jahre alt

 24.10.2025

Wien

Nobelpreisträger warnt vor technischer Abhängigkeit von den USA

Joseph E. Stiglitz kritisiert Präsident Trump und ruft Wissenschaft und Medien zur Verteidigung der Medienfreiheit weltweit auf

von Steffen Grimberg  24.10.2025

Polen

Antisemitische Hetzer verhindern Konzert jüdischer Musiker

Der Chor der Pestalozzi-Synagoge in Berlin war eingeladen, in Września gemeinsam mit dem dortigen Kinderchor den Komponisten Louis Lewandowski zu ehren. Nach Hetze und Drohungen wurden alle Veranstaltungen abgesagt

von Sophie Albers Ben Chamo  23.10.2025

Großbritannien

Jiddisch verbindet

Zwischen Identitätssuche, Grammatik und Klezfest. Unsere Autorin war beim Sprachkurs »Ot Azoy« in London

von Sabine Schereck  23.10.2025

Rabbiner Noam Hertig aus Zürich

Diaspora

Es geht nur zusammen

Wie wir den inneren Frieden der jüdischen Gemeinschaft bewahren können – über alle Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten hinweg

von Rabbiner Noam Hertig  23.10.2025

Großbritannien

Ärztin wegen antisemitischer Agitation festgenommen

Dr. Rahmeh Aladwan wurde vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen, weil sie die Hamas-Verbrechen vom 7. Oktober verherrlicht hatte. Nun muss der General Medical Council über ihre Approbation entscheiden

von Michael Thaidigsmann  22.10.2025

Regierungsrätin und Vorsteherin der Gesundheitsdirektion Natalie Rickli lehnte die unverbindliche Anfrage des Bundes ab, 20 Kinder aus Gaza in der Schweiz aufzunehmen.

Schweiz

Kinder aus Gaza bald in Zürich?

In der Schweiz wird eine politische Debatte darüber geführt, ob verletzte Kinder aus dem Gazastreifen aufgenommen werden sollen

von Nicole Dreyfus  22.10.2025

Mexiko

»La Doctora« liefert

Die Sozialdemokratin und Physikerin Claudia Sheinbaum ist seit einem Jahr Präsidentin. Eine erste Bilanz

von Michael Ludwig  21.10.2025

Charlotte (North Carolina)

Schachgroßmeister Daniel Naroditsky mit 29 Jahren gestorben

Das Charlotte Chess Center würdigt ihn als »herausragenden Schachspieler, Lehrer und geliebten Freund«

 21.10.2025