USA

Bima und Sternenbanner

Das »Sternenbanner«, die Flagge der Vereinigten Staaten Foto: Getty Images

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Bima und Sternenbanner

Warum im Zentrum vieler amerikanischen Synagogen die Nationalflagge steht

von Daniel Killy  30.07.2018 20:20 Uhr

Wer in den Vereinigten Staaten eine Synagoge betritt, sieht nahe dem Toraschrein, an der Seite der Bima, meist die Nationalflagge. Wie kommt es, dass eine Flagge der weltlichen Macht in einem so religiösen Kontext steht? Josefin Dolsten von der Jewish Telegraphic Agency ist der Frage nachgegangen, was es mit dieser nordamerikanischen Eigenart auf sich hat.

Nach Angaben von Gary P. Zola, Direktor des Jacob Rader Center of the American Jewish Archives und Professor für Geschichte am Hebrew Union College in Cincinnati, etablierte sich der Brauch während des Ersten Weltkriegs und erneut nach der Gründung des Staates Israel.

Nationalhymne Obwohl die amerikanische Flagge offiziell 1777 eingeführt wurde, erhielt sie erst 1814 ihre heutige Bedeutung, als Francis Scott Key die Nationalhymne komponierte: The Star-Spangled Banner. Er schrieb Text und Melodie noch ganz im Eindruck der trotzig flatternden Fahne über dem Fort McHenry nach der Schlacht von Baltimore im Britisch-Amerikanischen Krieg. Diese Hymne war »die Geburt der Flaggenkultur«, so Gary P. Zola.

Der Bürgerkrieg 1861–1865 war der »große Wendepunkt« für die Bedeutung der Flagge. Während der Schlacht um Fort Sumter im April 1861 beschossen die konföderierten Truppen das Fort. Dabei wurde der Hauptfahnenmast getroffen. Die Fahne von Fort Sumter wurde, wie es Zola formuliert, zum »Märtyrer-Symbol Amerikas«. Sie wurde überall in der Union herumgezeigt und diente dazu, Spenden für die Truppen zu sammeln.

Laut Zola tauchten US-Flaggen in Synagogen erstmals nach der Ermordung Abraham Lincolns am 15. April 1865 auf. Allerdings blieb dies ein vereinzeltes Phänomen – bis zum Ersten Weltkrieg, als die Flagge immer populärer wurde.

Flagge zeigen durften nur Familien, deren Angehörige im Krieg dienten oder gefallen waren. Die Anzahl der Sterne stand für die Anzahl der Familienmitglieder im Einsatz.

Patriotismus »Die Dienstflaggen waren sehr populär, obwohl sie ja nicht der Nationalflagge entsprachen«, erläutert Zola. »Aber sie trugen Sterne und hatten die amerikanischen Farben. Kirchen und Synagogen begannen damit, die Flaggen im Altarraum zu positionieren – als Hommage an die Soldaten und als patriotisches Symbol.« Damit war der Weg frei für US-Flaggen als permanenter Bestandteil der Synagogen.

Fotos von Barmizwa-Feiern aus den 20er- und 30er-Jahren zeigen US-Flaggen im Hintergrund. Seit dem Zweiten Weltkrieg, so Zola, seien Flaggen auf der Bima »flächendeckend vertreten«.

Für einige Synagogen gab es aber noch einen anderen als den patriotischen Grund, eine Flagge zu installieren: die zunehmende Popularität des Zionismus. Nach der Balfour-Erklärung 1917 und der Unabhängigkeitserklärung Israels 1948 wollten viele Synagogen die Zionistenflagge oder die israelische Fahne zeigen. Doch eine zionistische Fahne ohne die amerikanische aufzustellen, erschien den Gemeindemitgliedern unpassend. Also wurden beide aufgestellt.

In den meisten Fällen, so Zola, sei das Aufstellen der US-Flagge nicht Ausdruck eines speziellen jüdischen Patriotismus, sondern Teil eines Brauchs gewesen. »Amerikanische Juden wollen immer das tun, was alle Amerikaner tun. Und im gleichen Maße wie die Flagge Teil der amerikanischen Kultur wurde und die emotionale Bedeutung bekam, die sie heute hat, wollten amerikanische Juden an dieser Entwicklung teilhaben.«

Einige Synagogen machten sich die Entscheidung, Flagge zu zeigen, jedoch nicht leicht. 1954 erklärte der Reformrabbiner Israel Bettan, die Fahne dürfe in amerikanischen Synagogen hängen, da die Aufopferung zum Wohl des eigenen Landes »schon längst den Charakter einer religiösen Pflicht« habe.

1957 entgegnete Rabbi Moshe Feinstein, eine halachische Autorität der Orthodoxie, säkulare Symbole wie Flaggen hätten nichts auf der Bima verloren. Da aber andererseits das Aufstellen von Flaggen nicht gegen die Halacha verstoße, seien die Gemeinden nicht verpflichtet, die Fahnen zu entfernen. Es ist also, wie stets im Judentum, kompliziert – und eigentlich ganz einfach.

München/Gent

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