USA

Big Spender

Milliardäre sind in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht beliebt. 40 von ihnen haben sich darum in Amerika zu einem »Giving Pledge« zusammengeschlossen: Sie haben gelobt, wenigstens die Hälfte ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden. Die Initiative geht von Bill Gates, dem Gründer der Computerfirma Microsoft, und von dem Finanzgenie Warren Buffet aus. Buffet hat sogar versprochen, er wolle 99 Prozent seines Privatvermögens verschenken. Sein Lebensstil, hat er gesagt, werde dadurch kein bisschen berührt, auch nicht der seiner Kinder. Seine Großzügigkeit sei kein Ausdruck von Schuldbewusstsein. Er wolle damit vielmehr seine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Die Marktwirtschaft begünstige manche – vor allem Männer mit weißer Hautfarbe –, andere hätten weniger Glück. Den Unglücklichen könne aber geholfen werden.

Die Liste jener, die sich dem »Giving Pledge« angeschlossen haben, ist mit 40 Mäzenen noch keineswegs abgeschlossen. Buffet und Gates wollen noch weitere Milliardäre überzeugen, sich ihrer guten Sache anzuschließen. Wenn man die Namensliste durchliest, fällt auf, dass sich überdurchschnittlich viele Juden per »Giving Pledge« zum Verzicht auf Vermögen verpflichtet haben. Da ist der schwerreiche New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, der berühmte Private-Equity-Geschäftsmann David M. Rubenstein, da sind Herbert und Marion Sandler, die Gründer der World Savings Bank.

nüchtern gefragt Man könnte jetzt lyrisch werden und von der jahrtausendealten Tradition der Zedakka schwärmen, jener jüdischen Wohltätigkeit, der in Deutschland bis 1933 manches Krankenhaus und manche Bibliothek zu verdanken war. Man kann aber auch sehr nüchtern fragen, wie sinnvoll dieser »Giving Pledge« eigentlich ist.

Zunächst eine theologische Anmerkung: Die Idee, dass Reichtum per se böse sei, ist eher eine christliche als eine jüdische Vorstellung. »Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn dass ein Reicher ins Reich Gottes komme«, heißt es gleich an drei Stellen im Neuen Testament. In der Tora findet man nichts dergleichen. Gewiss, es steht geschrieben, dass man den Witwen und Waisen Recht schaffen und den Fremdling lieben soll. Nirgendwo wird aber der Reiche, der seinen Wohlstand ehrlich erwirtschaftet hat, als böser Mann bezeichnet. Im Gegenteil: Das zehnte Gebot befiehlt uns, dass wir den Reichtum unseres Nachbarn gefälligst ohne Neid betrachten sollen. (Stehlen ist sowieso verboten.) Das Gebot der Zedakka erfüllt, wer zwischen einem Fünftel und einem Zehntel seines Vermögens hergibt. Von der Hälfte oder gar 99 Prozent war nie die Rede.

Wohltätigkeit Nun zum Praktischen. Der Reichtum einer Gesellschaft kommt nicht durch Umverteilung zustande, sondern durch wirtschaftliche Produktivität. Diese wird durch Wohltätigkeit nicht angekurbelt. Die Philanthropie der Reichen kann wunderbare Dinge bewirken – in Amerika käme kein Krankenhaus, keine Bildungseinrichtung, keine »Metropolitan Opera« ohne sie aus. Man kann durch Wohltätigkeit aber auch ungewollt viel Schaden anrichten.

Zum Beispiel könnte der »Giving Pledge« den völlig falschen Eindruck hervorrufen, dass wir uns in einer katastrophalen Lage befinden. Im Vergleich mit dem großen Kladderadatsch, der auf den »schwarzen Freitag« von 1929 folgte, ist die heutige Wirtschaftskrise aber geradezu gemütlich. In den 30er-Jahren war ein Viertel der Amerikaner ohne Arbeit, es gab keinerlei Arbeitslosenversicherung, und die Äcker von Oklahoma lösten sich in riesige Staubwolken auf, die gen Osten drifteten. Heute dagegen sind 9,5 Prozent der Amerikaner arbeitslos. Schlimm, aber kein Weltuntergang.

Natürlich schreibt niemand Milliardären vor, wie sie ihr Geld ausgeben sollen. Mögen sie die Hälfte ihres Vermögens verschenken, wenn ihnen danach zumute ist, und sich hinterher wie bessere Menschen fühlen. Höchstwahrscheinlich wird es bald zu einem Statussymbol werden, auf der Liste des »Giving Pledge« aufzutauchen: Früher zeigte man seinen Reichtum durch den Besitz von Villen, Jachten und Privatflugzeugen – heute beweist man ihn dadurch, dass man ihn mit vollen Händen verschenkt. Besonders jüdisch ist das allerdings nicht.

Strassburg

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