Egal ob Gefilte Fisch oder Hühnersuppe, Matbucha oder Chraime, der Duft guten Essens gehört zum Freitag, wenn man Glück hat, schon ab dem frühen Morgen. Die Geschmäcker sind verschieden, aber die Gebräuche und Traditionen sind so überdauernd, verflochten und spannend, dass das Jüdische Museum London dem Schabbatessen nun eine eigene Ausstellung widmen will.
Dazu hat es die jüdische Bevölkerung Großbritanniens aufgefordert, Rezepte und kulinarische Traditionen zu teilen. »Essen ist ein so wichtiger Teil der jüdischen Kultur. Wir möchten zusammentragen, was jüdisches Essen für die vielfältigen jüdischen Menschen da draußen bedeutet«, zitiert die »Jewish Telegraphic Agency« (JTA) Adam Corsini, den Leiter der Museumssammlungen.
Wie haben sich Rezepte entwickelt, woher kommen sie und welche Einflüsse gibt es, sind Fragen, die das Großprojekt beantworten soll. Er hoffe, dabei etwas zu finden, das in einem Rezept verankert ist, wohinter eine viel größere Geschichte stecke, die von Familien und Traditionen erzähle. Dass erkennbar werde, wie »Elemente aus verschiedenen Teilen der Familiengeschichte zusammenfließen und etwas Neues schaffen und dass dies dann an die nächste Generation weitergegeben wird«.
Bester Chamin der Welt
Die eingesendeten Rezepte und Geschichten sollen Teil einer Archivsammlung werden und schließlich für jedermann zugänglich gemacht werden. Letzteres könnte natürlich ein Grund sein, das Rezept für den besten Chamin der Welt der Großmutter nicht einzuschicken, aber vielleicht sorgt es ja auch für Stolz.
Wie die Ausstellung am Ende aussehen soll, sei noch nicht bekannt, so die Kuratoren, da das Jüdische Museum London derzeit kein festes Zuhause hat. Nach Umzügen und Neuerfindungen ist die 1932 gegründete Institution derzeit auf Haussuche. Deshalb ist vorerst eine Online-Ausstellung in Planung, die auch kurze Videoclips vorsieht, die die Zubereitung von Gerichten zeigen, während die Geschichten dazu erzählt werden.
Und tatsächlich seien auch schon Rezepte eingegangen, berichtet Corsini weiter. Unter anderem das der in London lebenden israelischen Restaurantbesitzerin Limor Chen. Ihre Hühnersuppe spiegele das gemischte Erbe ihrer Eltern wider, zitiert JTA die Kochbuchautorin: Die Familie ihrer Großmutter mütterlicherseits wanderte in den 1920er-Jahren aus Osteuropa in das damals Britische Mandatsgebiet ein.
Mit seiner Familie aus dem Iran emigriert
Ihr Vater wiederum sei als kleiner Junge mit seiner Familie aus dem Iran emigriert. »Seine Gerichte dufteten wunderbar nach Kräutern wie Koriander, Petersilie, Dill und Minze, und es gab exotischere Zutaten wie Berberitzen und getrocknete Limette«, so Chen. Bei der Großmutter im Kibbuz hingegen gab es die traditionelle klare Hühnersuppe.
»Aber bei uns zu Hause bekam sie eine neue Form, denn mein Vater fügte Kichererbsen, Kräuter und Gewürze wie Kurkuma und Kreuzkümmel hinzu.« Die Suppe habe sich »mit Kreativität und Liebe« durch die Geschmäcker der verschiedenen Kulturen entwickelt, »wobei jeder die Versionen der anderen genoss, aber seine eigene Geschichte in die wörtliche und metaphorische Suppe einfließen ließ.« Auch Tradition geht durch den Magen – und bald ins Museum.