Union progressiver Juden

»Berlin war die Wiege«

Rabbi Daniel Freelander Foto: Mark Blinch

Herr Rabbiner, vergangenes Wochenende haben Sie Berlin besucht. Was war der Anlass Ihrer Reise?
Ich wollte führenden Vertretern nordamerikanischer Reformgemeinden gern die Realität des Judentums im heutigen Deutschland zeigen. Wir denken viel über die Zukunft des Reformjudentums und über seine ruhmreiche Vergangenheit nach, die ja in Deutschland ihren Anfang nahm. Aber nur wenige in Nordamerika wissen etwas über die Situation der jüdischen Gemeinden in Deutschland heute.

Was haben Sie in Berlin erlebt?
Wir haben etliche Stunden mit dem Studienleiter des Abraham Geiger Kollegs, Rabbiner Edward van Voolen, verbracht, und auch einige Studenten getroffen. Von ihnen haben wir viel erfahren, denn sie kommen aus verschiedenen Ländern. An einem weiteren Vormittag haben wir mit Sonja Guentner, der Vorsitzenden der Union progressiver Juden in Deutschland (UpJ), und mit UpJ-Geschäftsführerin Irith Michelsohn über das liberale Judentum und seine Perspektiven im heutigen Deutschland gesprochen. Zu den Schabbatgottesdiensten waren wir dann im Lichtburgforum bei der Unabhängigen Synagogengemeinde Bet Haskala.

Welche Bedeutung hat Berlin für das Reformjudentum?
Berlin war die Wiege der Reformen im 19. Jahrhundert. Es war die erste Stadt weltweit, in der die Mehrheit der Gemeindemitglieder Reformjuden waren. Bis in die 1930er-Jahre hatte Berlin die fortschrittlichste Gemeinde. Mehr als in anderen Städten scheint da irgendetwas in der Luft gelegen zu haben, was dazu führte, dass das Reformjudentum die dominierende Strömung unter den Juden in der Stadt wurde.

Ihre Organisation, die World Union for Progressive Judaism, wurde aber nicht in Berlin gegründet, sondern in London.
Als die Weltunion 1926 geschaffen wurde, waren Berlin, London und die Vereinigten Staaten die drei Hauptsitze. Zu dieser Zeit waren die Reformgruppen in diesen drei Zentren etwa gleich groß. Es war klar, dass man zusammenarbeiten muss, um den Gedanken der Reformbewegung weltweit zu verbreiten. Es ging darum, das Judentum zu bewahren und säkulare Juden ans Judentum heranzuführen.

Am Wochenende feiert Ihre Organisation in London das 90. Gründungsjubiläum. Was wünschen Sie ihr zum Geburtstag?
Ich hoffe, dass wir stärker in die Zukunft blicken. Wir müssen uns mehr an Teenager und junge Erwachsene bis 30 wenden. Die finden ihren eigenen Weg, jüdisch zu leben, dazu gehört nicht notwendigerweise, dass sie Mitglied einer Synagoge sind. Aber diese Menschen sind engagiert, sie nehmen an Camps und jüdischen Kulturveranstaltungen teil, und sie engagieren sich sozial. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir anerkennen müssen, wie entscheidend die rabbinische Führung für die Gesundheit einer jeden jüdischen Gemeinde ist. Deshalb sind Einrichtungen wie das Abraham Geiger Kolleg in Berlin und das Leo Baeck College in London absolut unentbehrlich für das Überleben und das Wachsen des Reformjudentums. Wir brauchen neue professionelle Führungspersönlichkeiten. Man sollte nicht davon ausgehen, dass Amerika sie für den Rest der Welt ausbilden wird.

Worin sehen Sie die stärkste Herausforderung für das liberale Judentum in Europa?
Eines der größten Probleme ist, dass wir es in vielen Teilen Europas mit ausgeprägt säkularisierten Gemeinden zu tun haben. Eine weitere Herausforderung ist, dass es vielerorts, vor allem im früheren Ostblock, keine Tradition religiösen Lebens mehr gibt. Wir müssen die Juden, die atheistisch aufgewachsen sind, dafür begeistern, ein religiöses jüdisches Leben zu führen.

Mit dem Präsidenten der World Union for Progressive Judaism (WUPJ) sprach Tobias Kühn.

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