Türkei

»Aufpassen und vorsichtig sein«

Maram Stern Foto: Marco Limberg

Türkei

»Aufpassen und vorsichtig sein«

Maram Stern über gewaltsame Demos in Istanbul und die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft

von Tobias Kühn  24.07.2017 18:31 Uhr

Herr Stern, aus Protest gegen israelische Sicherheitsmaßnahmen am Jerusalemer Tempelberg haben türkische Islamisten vergangene Woche vor Synagogen in Istanbul demonstriert. Dabei kam es auch zu Gewalt. Welche Erkenntnisse haben Sie über die Vorfälle?
Uns wurde bestätigt, dass Steine gegen die Neve-Schalom-Synagoge geworfen worden sind und dass gegen die Tür des Gebäudes getreten wurde. Es entstand aber kein Sachschaden, und Menschen wurden, Gott sei Dank, nicht verletzt. Der Protest soll von Mitgliedern einer ultranationalistischen und islamistischen Jugendgruppe organisiert worden sein. Unserer Erkenntnis nach wurden die Angriffe weder vom Staat veranlasst noch unterstützt. Es kommt in der Türkei gelegentlich zu nationalistischen Protesten vor diplomatischen Vertretungen Israels, aber Demonstrationen vor Synagogen sind ungewöhnlich. Präsident Erdogan hat wiederholt versichert, dass den Juden im Land nichts geschehen wird. Ich glaube, darauf wird er im Moment sehr achten.

Man hört, die vor der Synagoge postierten Sicherheitskräfte seien kurz vor den Ausschreitungen weggefahren. Überlässt Ankara die Juden vielleicht doch dem Mob?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaube, wenn die Sicherheitskräfte tatsächlich weggefahren sein sollten – was uns nicht bestätigt wurde –, dann wären die Demonstrationen noch viel aggressiver verlaufen. Aber ich wäre vorsichtig mit dem, was aus der Gerüchteküche dringt.

Erdogan verurteilte einerseits die Attacken, andererseits sprach er von der »Verletzung religiöser Rechte in Jerusalem«. Spielt er ein doppeltes Spiel?
Das wäre nicht das erste Mal. Aber noch einmal: Er hat gesagt, dass er die jüdische Gemeinde beschützt, und das hat er bisher auch immer getan. Würde er die jüdische Gemeinde sich selbst überlassen wollen, hätte er das schon viel früher tun können – und sicherlich auch getan. WJC-Präsident Ronald Lauder ist davon überzeugt, dass der türkische Staat und die Sicherheitsbehörden dafür sorgen werden, dass der jüdischen Gemeinde nichts passiert.

Welche Art Kontakte unterhält der Weltkongress zur türkischen Regierung?
Es sind direkte Kontakte mit dem Büro des Präsidenten, mit dem Außenminister und ab und zu, aber seltener, mit dem Premier.

Was raten Sie Juden in der Türkei?

Wir raten das, was wir immer raten: aufzupassen und vorsichtig zu sein.

Die Metalldetektoren am Eingang zum Jerusalemer Tempelberg wurden inzwischen entfernt. Könnte sich der Konflikt trotzdem auf jüdische Gemeinden weiterer Länder ausweiten?
Durchaus, und das macht mir Sorgen. In der Türkei steht alles unter Kontrolle, dort wird es keinen Angriff geben, ohne dass er zuvor »bewilligt« worden wäre. In anderen Ländern jedoch verhält es sich oft weniger berechenbar.

Mit dem stellvertretenden Geschäftsführer des Jüdischen Weltkongresses (WJC) sprach Tobias Kühn.

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025