Polen

Antisemitismus im Wahlkampf

Angespannt: das polnisch-israelische Verhältnis Foto: imago/

Eine Achterbahnfahrt ist nichts gegen die polnisch-israelischen Beziehungen: Einmal liegen sich die Politiker in den Armen und schwärmen davon, »allerbeste Freunde« zu sein, ein anderes Mal lädt Polens Regierung – wie vergangene Woche – eine israelische Delegation auf dem Weg nach Warschau kurzerhand wieder aus, da man auf gar keinen Fall über die »Restitution jüdischen Eigentums« sprechen will.

Es ist Wahlkampf in Polen – da müssen eben auch die Israelis ein bisschen Antisemitismus aushalten, scheinen sich die regierenden Nationalpopulisten von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zu denken. Denn die PiS will auch für die rechtsradikal-antisemitischen Wähler des Parteienbündnisses »Konföderation« wählbar sein.

Gerichtsweg Als einziges EU- und ehemaliges Ostblockland hat Polen kein Reprivatisierungsgesetz für kommunistisch verstaatlichtes Eigentum verabschiedet. So muss jeder Alteigentümer in Polen den langwierigen und teuren Gerichtsweg gehen, dessen positiver Ausgang keineswegs sicher ist. Dieser Weg steht grundsätzlich auch enteigneten Schoa-Opfern offen.

Zwar unterzeichnete Polen 2009 als eines von 47 Ländern die sogenannte Theresienstädter Erklärung über Holocaust-Vermögenswerte, doch folgten dem keine rechtlichen Regelungen.

Das Problem: Die Wohnungen, Häuser, Fabriken und Werkstätten der von den Nazi-Deutschen ermordeten 3,2 Millionen polnischen Juden gingen mehr oder weniger direkt in das Privateigentum christlicher Polen über. Tausende Schoa-Überlebende, die nach dem Krieg in ihre polnischen Heimatorte zurückkehrten und wieder in ihre Häuser einziehen wollten, wurden in Pogromen ermordet. Rund 200.000 Juden, die aus der Sowjetunion und Westeuropa zurückkamen, verließen nach dem Pogrom von Kielce panikartig das Land.

Restitution Zwar unterzeichnete Polen 2009 als eines von 47 Ländern die sogenannte Theresienstädter Erklärung über Holocaust-Vermögenswerte, doch folgten dem keine rechtlichen Regelungen. Im Februar dieses Jahres forderte daher US-Außenminister Mike Pompeo in Warschau eine »komplexe Gesetzgebung über die Restitution des Privateigentums« der polnischen Juden.

Kurz zuvor hatte der US-Senat das Gesetz 447 JUST (Justice for Uncompensated Survivors Today) verabschiedet, das auf die praktische Umsetzung der Theresienstädter Erklärung abzielt, von Rechtsradikalen in Polen aber als direkter Angriff der »jüdischen Lobby in den USA« auf Polen verstanden wurde.

Statt Polens Bevölkerung darüber aufzuklären, was es mit dem Gesetz 447 auf sich hat, bläuen der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski und Premier Mateusz Morawiecki den Wählern ein, dass es Polen sei, das (erneut) Reparationen von Deutschland zu bekommen habe, Polen aber niemandem »Wiedergutmachung« zahlen werde. Denn – so Morawiecki – »wir (Polen) sind die zahlreichsten Mordopfer des Zweiten Weltkrieg und werden niemals an wen auch immer eine Entschädigung zahlen«.

Meinung

Antisemitismus der Anständigen

Judenhass in der Schweiz ist brandgefährlich, weil er so höflich und diskret daherkommt

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.10.2025

Meinung

Die SP im moralischen Blindflug

Mit zwei widersprüchlichen Resolutionen beweist die Sozialdemokratische Partei der Schweiz einmal mehr ihre ethische Orientierungslosigkeit

von Nicole Dreyfus  27.10.2025

USA

Der reichste Mann der Welt – für einen Tag

Larry Ellison gehört zu den Großen des Silicon Valley und hält Künstliche Intelligenz für die wichtigste Erfindung der Menschheit

von Sara Pines  26.10.2025

Nachruf

Letzter Kämpfer des Aufstands des Warschauer Ghettos gestorben

Michael Smuss wurde 99 Jahre alt

 24.10.2025

Wien

Nobelpreisträger warnt vor technischer Abhängigkeit von den USA

Joseph E. Stiglitz kritisiert Präsident Trump und ruft Wissenschaft und Medien zur Verteidigung der Medienfreiheit weltweit auf

von Steffen Grimberg  24.10.2025

Polen

Antisemitische Hetzer verhindern Konzert jüdischer Musiker

Der Chor der Pestalozzi-Synagoge in Berlin war eingeladen, in Września gemeinsam mit dem dortigen Kinderchor den Komponisten Louis Lewandowski zu ehren. Nach Hetze und Drohungen wurden alle Veranstaltungen abgesagt

von Sophie Albers Ben Chamo  23.10.2025

Großbritannien

Jiddisch verbindet

Zwischen Identitätssuche, Grammatik und Klezfest. Unsere Autorin war beim Sprachkurs »Ot Azoy« in London

von Sabine Schereck  23.10.2025

Rabbiner Noam Hertig aus Zürich

Diaspora

Es geht nur zusammen

Wie wir den inneren Frieden der jüdischen Gemeinschaft bewahren können – über alle Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten hinweg

von Rabbiner Noam Hertig  23.10.2025

Großbritannien

Ärztin wegen antisemitischer Agitation festgenommen

Dr. Rahmeh Aladwan wurde vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen, weil sie die Hamas-Verbrechen vom 7. Oktober verherrlicht hatte. Nun muss der General Medical Council über ihre Approbation entscheiden

von Michael Thaidigsmann  22.10.2025