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Als Tony Soprano eine jiddische Mamme war

Die deutsche Übersetzung von »The Talented Mrs. Mandelbaum« erscheint im Dezember.

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Als Tony Soprano eine jiddische Mamme war

Der erste Mafia-Pate von New York war eine Frau, hieß Fredericka Mandelbaum und ging regelmäßig in die Synagoge

von Sophie Albers Ben Chamo  15.09.2024 18:49 Uhr

Nein, der Ur-Mobster von New York war kein stiernackiger Mann mit Testosteronproblem, es war eine Mutter von vier Kindern, die regelmäßig in die Synagoge ging. Fredericka Mandelbaums Geschichte ist so unglaublich wie filmreif. Tatsächlich geistert der Stoff schon lange durch Hollywood, angeblich wollte Jodie Foster sich zuletzt daran versuchen. Aber bisher hat offensichtlich niemand den richtigen Dreh gefunden. Vielleicht sorgt ein gerade in den Vereinigten Staaten erschienenes Buch dafür, dass die Frau, die Tony Soprano alt aussehen lässt, nun endlich die Leinwand bekommt, die ihr gebührt: The Talented Mrs. Mandelbaum von Margalit Fox. Die deutsche Übersetzung ist in Arbeit.

Mandelbaum war 25 Jahre alt, als sie 1850 mit Mann und Kindern das hessische Kassel verließ und auf einem überfüllten Auswandererschiff nach Amerika übersetzte, um in New York ein freieres, besseres Leben zu suchen. Doch wartete in »Little Germany« in der Lower East Side nur ein brutaler Slum auf die jüdische Familie – und Zigtausende andere Auswanderer.

Zuerst versuchte Mandelbaum, sich als Hausiererin durchzuschlagen, indem sie Fundstücke aus dem Müll weiterverkaufte. Jeder Tag wurde ein Kampf ums Überleben – für sie selbst und ihre Kinder. Da scheint es absurd, dass sie keine 20 Jahre später ein geschätztes Mitglied und eine bewunderte Philanthropin in der New Yorker High Society sein sollte. Die erfolgreichste »Unternehmerin« in der kriminellsten und korruptesten Metropole jener Zeit.

»Juwelenraub, Banküberfälle und Chuzpa«

Ihr Weg dorthin war entsprechend. Die Pragmatikerin hatte sich aus blanker Not einer Bande von Dieben, Räubern und Betrügern angeschlossen, galt bald als kriminelles Superhirn und wurde zur berüchtigten Hehlerin. »Juwelenraub, Banküberfälle und Chuzpa«, nennt es die Autorin Fox. Bis Mitte der 1880er-Jahre hätten Luxusgüter im Wert von rund zehn Millionen Dollar – nach heutigem Wert fast 300 Millionen Dollar – Mandelbaums »Geschäft« durchlaufen, das »Kern und Zentrum der gesamten Verbrecherorganisation« gewesen sei.

Dabei war Mandelbaum eine strategische Visionärin, eine der ersten Geschäftsfrauen Amerikas, die ihre Unternehmungen geschickt systematisierte. So soll sie nur mit den erfolgreichsten Bankräubern, Einbrechern und Ladendieben gearbeitet haben, organisierte Logistik und Lieferketten und machte aus Diebstahl ein höchst rentables, standardisiertes Geschäft. Die Grenze zwischen Unterwelt und »legalem« Handel wurde fließend.

Eine dreifach marginalisierte Frau – Einwanderin, Frau, Jüdin – wurde »ein Mogul des illegalen Kapitalismus«

Gleichzeitig war sie eine liebevolle jüdische Mutter, eine großzügige Wohltäterin ihrer Synagoge Rodeph Sholom in der Upper East Side, trug bodenlange Seidenkleider und wurde mit »Gnädige Frau« angesprochen. »Wie konnte der erste große Mafiaboss Amerikas kein riesiger, stämmiger Kerl mit Gamaschen und Maschinengewehr sein, sondern eine nette, zierliche jüdische Mutter von vier Kindern?«, fragte sich Fox, die früher Nachrufe für die »New York Times« geschrieben hat.

»Es ist verblüffend seltsam und wunderbar.« Und real: Eine dreifach marginalisierte Frau – Einwanderin, Frau, Jüdin – wurde »ein Mogul des illegalen Kapitalismus« und verwandelte die »unorganisierte Kriminalität« gewalttätiger Ganoven, die zuvor die Unterwelt der Stadt beherrscht hatten, in »ein lukratives, gut geöltes Unternehmen«. Und dabei habe Mandelbaum nie vergessen, woher sie kam.«

Margalit Fox: »The Talented Mrs. Mandelbaum« (Random House). Die deutsche Übersetzung erscheint im Dezember im mvg Verlag.

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