Porträt

Alles koscher

Wer in diesen Tagen versucht, die bekannte jüdische Foodbloggerin Chanie Apfelbaum zu erreichen, hat es nicht leicht. Denn die wohl erfolgreichste Influencerin in Sachen modernes, koscheres Essen ist seit der Veröffentlichung ihres zweiten Kochbuchs Totally Kosher gefragt wie nie.

»Tradition with a twist«, nennt der Verlag die Art der Küche, die Apfelbaum mit ihrem zweiten Kochbuch vorstellt. Und die Autorin selbst sagt über ihren Ansatz: »Es handelt sich um eine moderne, frische und facettenreiche Küche, die darüber hinaus auch noch koscher ist.«

Instagram »Hey Leute, Schawua tow, ich hoffe, ihr hattet alle einen schönen Schabbat!«, begrüßt Chanie Apfelbaum ihre insgesamt 100.000 Follower auf ihrem Instagram-Kanal »Busy in Brooklyn«, der Feinschmecker aus aller Welt miteinander verbindet. Neben kunterbunten Kochtipps und gemeinsamen Koch-Aktionen mit anderen Bloggern gibt es bei »Busy in Brooklyn« auch Gastro-Tipps sowie jede Menge Lebenserfahrung, gewürzt mit einer Prise Humor.

Mitunter kommt es sogar zu kleinen modischen Einlagen, insbesondere für die moderne jüdisch-orthodoxe Frau. Aber auch für alle anderen, die sich für gutes Essen begeistern und gern etwas mehr über die Vielfalt der koscheren Küche erfahren möchten.

»Bei klassischen koscheren Gerichten denken viele an eher farbloses oder reichhaltiges Essen, das weniger gewürzt ist«, sagt Apfelbaum im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. »Meine Gerichte zeichnen sich hingegen durch viele verschiedene Kräuter und Gewürze aus, ich kombiniere Einflüsse aus anderen Kulturen, es gibt bunte Salate, aber ich garniere auch gern mit frischen Zutaten, mit Feigen oder Blüten.« Denn schließlich esse das Auge auch immer ein bisschen mit.

»Ich passe traditionelle Gerichte an moderne Bedürfnisse an.«

Chanie Apfelbaum

Erst vor Kurzem haben ihre Instagram-Fans erleben dürfen, wie Apfelbaum ihr neu erschienenes Kochbuch auspacken durfte: Totally Kosher mit über 150 gut kochbaren Rezepten. Die Shissel Jerusalem Bagels sind leicht zuzubereiten, ebenso das World Peace Challah. Im Kapitel »Winner, Winner Chicken Dinner« punktet das Sheet Pan Chicken, und der Rote-Bete-Salat mit Zitrus ist ein Genuss.

Hübsch anzuschauen und inspirierend ist auch die Art, wie Apfelbaum ihre Gerichte serviert und garniert. Tricks fürs gute Gelingen werden mit den Lesern geteilt, und natürlich gibt es einige Fotos von der Köchin selbst, samt ihrer fünf Kinder, die zwischen sechs und 16 Jahre alt sind.

Termine »Im Moment mache ich extrem viele Buchpräsentationen, morgen habe ich Aufnahmen, wo ich mit Prominenten gemeinsam koche für die Serie Cook the book«. Apfelbaums Terminkalender ist randvoll.

Und trotz alledem, während sie von Termin zu Termin hetzt, wirkt Apfelbaum kein bisschen gestresst. Wie die alleinerziehende Mutter von fünf Kindern, Vollzeit-Influencerin, Autorin, Food-Fotografin und überzeugte orthodoxe Jüdin das alles unter einen Hut bringt? Ohne Management oder Fremdhilfe bei ihrer Arbeit, ohne jemanden, der sämtliche Termine für sie koordiniert?

»Ich habe einfach sehr viel Energie!«, antwortet die 42-Jährige spontan. »Und ich gehe grundsätzlich mit einer positiven Einstellung an jede Herausforderung heran.« Sie sei eine Perfektionistin und mache am liebsten alles selbst, doch immerhin gebe es inzwischen eine Nanny, die sie im Haushalt und bei der Kinderbetreuung unterstützt.

fotografieren Die Fotos von ihren Gerichten für Instagram hat sie, genau wie die Aufnahmen im Kochbuch, alle selbst geknipst. Wer weiß, wie schwierig das Fotografieren von Lebensmitteln ist, erst recht von ganzen Gerichten, kann darüber nur staunen.

Ästhetische Bilder, echte Nahrung, ganz ohne künstliche Farben. »Mir ist wichtig, zu zeigen, wie die Gerichte tatsächlich aussehen, bei mir wird nichts hinzugefügt, was nicht anschließend auch gegessen wird«, sagt Apfelbaum, die sich gegen die Verschwendung von Lebensmitteln engagiert.

Warum sie so einen Erfolg hat? Weil sie authentisch ist. Dabei bleibt sie bescheiden. »Im Grunde bin ich in die ganze Sache so hineingerutscht«, sagt die gebürtige Brooklynerin und staunt selbst über ihre Geschichte. Neben den Gerichten, die sie kreiert, hat sie irgendwann angefangen, die Fotografie zu perfektionieren und sich selbst zu filmen, während sie die Zubereitung der Speisen erklärt. »Ich bin Autodidaktin«, sagt sie und lacht.

Idee »Busy in Brooklyn«, mit dem Namen hat alles angefangen. Niemand konnte damals ahnen, dass sich Instagram zu einer derart wichtigen Plattform entwickeln würde. Heute kann Apfelbaum über den Titel nur lachen, denn sie ist wirklich mehr als beschäftigt. Doch zu Beginn sei der Name für den eigenen Kanal nur eine spontane Idee gewesen. Er klang typisch für ein Leben im wuseligen New Yorker Stadtteil Brooklyn, in dem so viele orthodoxe Juden wohnen. »Aber damals war ich eigentlich noch gar nicht so busy«, sagt Apfelbaum. Das sei erst später passiert.

Nach dem Studium hatte sie einen Vollzeitjob als Webdesignerin, doch nach der Geburt ihres dritten Kindes hielt sie inne. »Ich wollte mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen und dachte, warum bleibe ich nicht einfach eine Weile zu Hause?« Doch nur der Haushalt und die Kinder, das habe sie nicht ausgefüllt. Folglich habe sie immer wieder Neues ausprobiert: Basteln, Handarbeit, Häkeln, doch das Interesse währte immer nur kurz. Die Liebe zu gutem Essen, die Freude am Experimentieren, der Spaß an der Gastfreundschaft blieben hingegen beständig.

Inzwischen ist Chanie Apfelbaum in der Szene richtig berühmt.

Vor zwölf Jahren, nach Gründung des Portals, stellte Apfelbaum etwas von dem, was sie kochte, ins Netz. Als Webde­signerin habe sie gewusst, wie man eine Homepage baut, wie Geschichten erzählt, strukturiert, präsentiert werden. »Aber ich ahnte nicht, dass man daraus etwas entwickeln kann, womit sich Geld verdienen lässt«, sagt die Jungunternehmerin rückblickend. Ein richtiges »Business« sei das Letzte, was sie damals vor Augen gehabt habe. Doch inzwischen ist Apfelbaum in der Szene richtig berühmt. Und sie gilt zu Recht als Pionierin unter den Foodbloggern, insbesondere, was koscheres Essen betrifft.

»Als ich mit 22 Jahren geheiratet habe, wusste ich nichts über das Kochen, ich hatte keine Erfahrung und musste immer meine Mutter um Rat fragen«, erzählt sie. Damals habe es auch keine Blogs gegeben, alles in dieser Hinsicht habe sich vor 20 Jahren erst im Anfangsstadium befunden. Chanie stürzte sich mit Feuereifer in ihre neue »Nebenbeschäftigung«, wie sie lachend erzählt. »Ich probierte, passte traditionelle jüdische Gerichte an moderne Bedürfnisse an. Nicht zuletzt wollte ich der Welt zeigen, wie lecker und wie vielfältig die koschere Küche sein kann.«

AHA-Erlebnis Nach den ersten zwei Jahren hatte die Selfmade-Unternehmerin ein Aha-Erlebnis. Bei einem Gericht handelte es sich um einen Chili Pie im Glas. »Ich hatte das Rezept so konzipiert, dass jede Portion in einem eigenen kleinen feuerfesten Glasförmchen gebacken wird.« Irgendwann habe ihr jemand ein Foto geschickt, auf dem die ganze Familie um einen Tisch versammelt war, jeder mit einer Portion vom Chili Pie im Glas vor sich, sagt Apfelbaum. Damals gab es noch keine Smartphones, die Familie habe also ein Foto machen, es hochladen und ihr schicken müssen. »Das war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, dass ein Rezept auch Familien zusammenbringen kann«, sagt sie.

Auch das sei ihr ein Anliegen: Essen könne Menschen zusammenbringen, versöhnen, durch Essen könne man Grenzen überwinden, in der Religion, in der Kultur und überhaupt. »Ich kann zelebrieren, was es bedeutet, Jüdin zu sein, und andere dazu einladen, diese Freude mit mir zu teilen.« Schließlich breche man überall auf der Welt das Brot miteinander.

busyinbrooklyn.com

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