Wandel

Alija im Kopf

Gerade gelandet: junge Neueinwanderin aus den USA Foto: Flash 90

Auf ihrer Vorstandssitzung vergangene Woche in Buenos Aires hat die Jewish Agency for Israel Budgetkürzungen beschlossen. Darunter könnten vor allem israelische Organisationen leiden, die Neueinwanderern helfen. Während die Agency, die seit Jahren in finanziellen Nöten steckt, dieses Jahr noch umgerechnet 1,6 Millionen Euro in Alija-Organisationen investiert, werden es 2012 nur noch ungefähr 1,2 Millionen Euro sein. Insgesamt schrumpft der Haushalt auf 238 Millionen Euro.

Rang Seit der ehemalige Sowjet-Dissident und israelische Knesset-Abgeordnete Natan Sharansky im Jahr 2009 die Leitung der Agency übernahm, hat sich die quasi-staatliche Organisation rundum neu erfunden. Seit Gründung des Staates Israel beschäftigte sich die Agency vor allem damit, Juden die Einwanderung zu ermöglichen. Doch weil es für die meisten Juden in der heutigen Welt nicht mehr dringlich ist, nach Israel auszuwandern, will man verstärkt in Programme investieren, die den Menschen das Judentum nahebringen sollen. Außerdem haben private Organisationen, die für die Alija werben, wie zum Beispiel das amerikanische Nefesh B’Nefesh, der Jewish Agency schon seit Jahren den Rang abgelaufen.

Die Jewish Agency will sich künftig vor allem darum kümmern, die jüdische Identität junger Menschen in der Diaspora und in Israel zu stärken. Programme, die Jugendliche und junge Erwachsene nach Israel bringen – ob für ein mehrmonatiges Praktikum oder für zehn Tage mit Taglit-Birthright –, stärken das jüdische Selbstwertgefühl und sollen letztendlich die Alija ankurbeln. »Aliyah-of-choice statt Aliyah-of-rescue« (»Freiwillige Einwanderung statt Einwanderung als Rettung«) heißt die Devise. Diejenigen, die trotz Identitätsförderung und Israel-Aufenthalten nicht einwandern wollen, werden den jüdischen Staat gewiss trotzdem politisch und finanziell unterstützen, so Generaldirektor Alan Hoffmann.

Kritik Aber die Reform der 82-jährigen Institution hat auch Kritiker. Sowohl Alija-Organisationen als auch das israelische Einwanderungsministerium befürchten, dass der Richtungswechsel zu niedrigeren Zahlen an Neuzuwanderern führen wird. »Wenn sich die Jewish Agency nicht mehr um die Alija kümmert, was ist dann ihre Existenzberechtigung?«, fragte Einwanderungsministerin Sofa Landver vergangene Woche.

Israelische Experten vermuten, die Etatkürzungen könnten besonders für kleinere Gruppierungen wie türkischstämmige oder spanischsprachige Juden das Ende bedeuten. »Einige Organisationen werden sich nicht länger einen professionellen Vollzeit-Berater leisten können«, kritisiert Esther Blum vom Dachverband der Alija-Gruppierungen. Es gibt in Israel ungefähr 15 Vereine, die sich um Neueinwanderer aus verschiedenen Ländern kümmern und zurzeit von der Jewish Agency noch jährlich zwischen 5.000 und 15.000 Euro erhalten.

»Diese Organisationen sind wichtig, und wir unterstützen ihre Arbeit«, sagt Agency-Sprecher Haviv Rettig-Gur, »aber wir leben von Spendengeldern.« Der finanzielle Druck, der zurzeit die globale jüdische Philanthropie beeinträchtige, fordere seinen Tribut und zwinge die Jewish Agency zu Kürzungen, auch bei wichtigen Programmen.

Spenden Seit Jahren klagt die Agency über sinkende Spendenbeiträge. Eine neuerliche Entscheidung des Dachverbands der jüdischen Gemeinden in Nordamerika könnte die Situation noch verschärfen. Momentan bezieht die Agency drei Viertel ihrer Auslandsspenden aus den USA und Kanada. Doch diese Regelung soll 2013 zu Ende gehen. Damit wird die Jewish Agency zu einem Bittsteller unter vielen.

Experten fürchten nun um die Existenz der altehrwürdigen Institution. Doch dort wiegelt man ab: Die Spenden aus Amerika seien schon lange nicht mehr das, was sie einmal waren. Sie machten schon heute weniger als ein Drittel des Gesamtetats aus, sagt Rettig-Gur.

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

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