Österreich

632 Meter Akten

Ariel Muzicant, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, ist empört. Seit Jahren bemüht er sich beim Zentralarchiv für die Geschichte des jüdischen Volkes in Jerusalem um die Herausgabe von Dokumenten, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs von Wien nach Israel ausgelagert wurden. »Als Leihgabe«, wie Muzicant betont. Doch das israelische Archiv verweigert eine Rückgabe an die Kultusgemeinde und beharrt darauf, die Dokumente seien ihm für immer anvertraut worden. Im April hat die IKG Klage eingereicht. Mit einer Stellungnahme des Jerusalemer Archivs sei in wenigen Wochen zu rechnen.

Leihgaben »Die Bestände gehören uns«, betont Muzicant. »Es gibt zwar keinen Leihvertrag, aber es gibt Korrespondenzen, aus denen klar hervorgeht, dass es sich um Leihgaben handelt.« Die Dokumente waren ab Ende der 40er-Jahre in mehreren Tranchen nach Israel transportiert worden. Die IKG-Leitung war damals der Ansicht, dass man sich dort der Bestände besser annehmen würde. Tatsächlich seien die Archivalien aber auch in Israel über Jahrzehnte in Kisten in einer Garage gelagert worden und verstaubt, beklagt Muzicant.

Das Archiv der IKG wurde 1816 gegründet. Die Bestände dokumentieren die Geschichte der Juden in Wien seit dem 17. Jahrhundert. Während der NS-Zeit und nach dem Zweiten Weltkrieg gingen einzelne Teile des Archivs verschlungene Wege: Einiges wurde nach Moskau gebracht, doch viele Archivalien lagern heute in Polen, Tschechien, verschiedenen Teilen Österreichs und eben in Israel. Das Jerusalemer Archiv beherbergt 632 laufende Meter an Dokumenten, die auch Jahrhunderte alte Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden umfassen – drei bis 3,5 Millionen Seiten unterschiedlicher Formate.

Muzicant ist mit allen ausländischen Archiven im Gespräch, um die Wiener Dokumente wieder an ihrem Ursprungsort zusammenzuführen. Russland und Tschechien hätten bereits zugesagt, die Bestände nach Österreich zu überstellen.

Der IKG-Präsident plant, alle in Wien auf verschiedene Standorte verstreute Bestände gemeinsam mit jenen, die sich noch im Ausland befinden, an einem Ort zu bündeln. »Ich will, dass all das geordnet, aufgearbeitet, inventarisiert und digitalisiert wird. Und dann kann man es für die Forschung freigeben«, so Muzicant. Jene Bestände, über die die IKG bereits in Wien verfügt, werden bereits seit mehreren Jahren gesichtet, konserviert, inventarisiert und sachgemäß gelagert.

Doch Muzicant will noch mehr: eine Kooperation mit allen Einrichtungen, die ebenfalls über Archivalien verfügen, die die NS-Zeit beziehungsweise jüdisches Leben dokumentieren. Muzicant nennt das Staatsarchiv, das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands und das Wiener Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien, das über 8.000 Akten zu NS-Tätern und -Opfern verfügt, die der Nazi-Jäger Simon Wiesenthal hinterlassen hat.

Neubau Im Idealfall soll auf dem Morzinplatz in der Wiener Innenstadt ein Neubau errichtet werden, der nicht nur diesem jüdischen Großarchiv Platz bietet, sondern auch das Museum der Stadt Wien und das Jüdische Museum Wien beherbergt, das zur Zeit zwar ohnehin umgebaut, aber aufgrund der baulichen Gegebenheiten auch nach der Wiedereröffnung unter Platzmangel leiden wird. »Wir sprechen von einem 120-Millionen-Euro-Projekt«, sagt Muzikant. Es gebe Gespräche mit öffentlichen Stellen bei Bund und Land. Fest stehe noch nichts, aber es gebe positive Signale.

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