Argentinien

28 Jahre danach

85 Tote, 300 Verletzte: Anschlag auf das AMIA-Zentrum in Buenos Aires Foto: picture alliance / AP Photo

Argentinien

28 Jahre danach

Die Regierung erkennt an, dass sie für die Verletzung der Menschenrechte der Opfer des AMIA-Anschlags verantwortlich ist

von Andreas Knobloch  09.11.2022 14:10 Uhr

Die argentinische Regierung hat vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) ihre internationale Verantwortung für die Verletzung der Menschenrechte der Opfer des Bombenanschlags auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA (Asociación Mutual Israelita Argentina) in Buenos Aires im Jahr 1994 anerkannt. »Der Staat ist für alle Erscheinungsformen der Straflosigkeit im AMIA-Fall verantwortlich«, räumte Natalia D’Alessandro, Leiterin der AMIA-Sonderermittlungseinheit (SIU), ein, die dem Justizministerium unterstellt ist.

Bei dem verheerenden Bombenattentat wurden 85 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt. Bis heute ist der schwerste Anschlag in der Geschichte des Landes nicht vollständig aufgeklärt. Als Urheber gilt die vom Iran unterstützte Hisbollah.

straflosigkeit »Wir waren Opfer von Straflosigkeit, wir wurden misshandelt. Und wir waren Opfer von allem, was vermeidbar gewesen wäre und nicht vermieden wurde«, sagt Diana Wassner, Vertreterin von Memoria Activa, einer Gruppe von Familienangehörigen der Opfer, die das Verfahren angestrengt hatte. »Wir denken, dass diese Anerkennung wichtig ist.« Allerdings müssten konkrete Maßnahmen folgen. »Wir hatten 28 Jahre lang einen abwesenden Staat«, ergänzt Adriana Reisfeld, Leiterin von Memoria Activa.

Die beiden jüdischen Frauen, die bei dem Anschlag ihren Ehemann beziehungsweise ihre Schwester verloren haben, prangerten zuvor in der öffentlichen Anhörung vor dem IAGMR in Uruguays Hauptstadt Montevideo mehr als 28 Jahre der Veruntreuung, Straflosigkeit und Vertuschung durch alle Bereiche des argentinischen Staates im Fall AMIA an.

Bereits 1999 hatten Memoria Activa und das Centro de Estudios Legales y Sociales (CELS) im Fall AMIA internationale Beschwerde bei der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (IAKMR) eingereicht. Wegen der Nichteinhaltung der Verpflichtungen des argentinischen Staates landete der Fall schließlich vor dem IAGMR-Gerichtshof. Der Präsident des IAGMR, der uruguayische Richter Ricardo Pérez Manrique, deutete die Verzögerungen bei den Ermittlungen als Folge von »Korruption, mangelnder Unabhängigkeit und fehlender Professionalität auf höchster Ebene des argentinischen Staates«.

respekt AMIA selbst wollte gegenüber der Jüdischen Allgemeinen nichts zu dem Verfahren sagen. »Wir sind nicht Teil des Prozesses, und aus Respekt äußern wir uns nicht zu diesem Thema«, so eine Sprecherin. Memoria Activa wiederum verwies auf Nachfrage auf eine veröffentlichte Erklärung.

»Die Beteuerungen des Staates sind zwar nicht überflüssig, aber nach mehr als 28 Jahren nützen sie nichts, wenn sie nicht in allen Bereichen und Befugnissen zu bedeutenden Veränderungen führen, die die Rechte der Opfer, ihrer Familien und der Gesellschaft als Ganzes garantieren«, heißt es darin. »Kurz gesagt, wir bitten um Mittel, die uns allen ein gerechteres Leben ermöglichen, damit sich das, was im Fall AMIA geschah, nicht wiederholt.« Oder wie es Adriana Reisfeld ausdrückt: »Wir erwarten vom Gerichtshof einfach Gerechtigkeit.«

Die Richter wiesen den argentinischen Staat an, in der Zwischenzeit konkrete Maßnahmen zu ergreifen, die der Wiedergutmachung für die Opfer dienen könnten. Wenige Tage nach der Anhörung forderte das argentinische Außenministerium von Katar die Festnahme des iranischen Vizepräsidenten für wirtschaftliche Angelegenheiten, Mohsen Rezai. Der frühere Militärkommandant der Iranischen Revolutionsgarde wird beschuldigt, einer der Drahtzieher des AMIA-Bombenanschlags zu sein.

Kiew

Bargeldberge, Geschäfte und Liebschaften auf Russisch 

Eingeschweißtes Bargeld aus US-Notenbanken, Liebe unter Ministern, heimlicher Hauskauf im Ausland und alles in der falschen Sprache. Die Korruption in der Ukraine bietet Stoff für einen Thriller

von Andreas Stein  14.11.2025

Award

Sarah Jessica Parker erhält Golden-Globe-Ehrenpreis

Die Schauspielerin soll für besondere Verdienste um das Fernsehen ausgezeichnet werden

 14.11.2025

Tel Aviv

Noa Kirel und Daniel Peretz heiraten mit »kleiner Feier«

Die Sängerin und der HSV-Torwart standen in Jaffa unter großen Sicherheitsvorkehrungen unter der Chuppa

von Nicole Dreyfus  13.11.2025

Ausstellung

Avantgardistin der Avantgarde

Berthe Weill förderte nicht nur die moderne Kunst der Jahrhundertwende, als Galeristin war sie selbst eine Schlüsselfigur. Eine Ausstellung in Paris ehrt die Pionierin

von Sabine Schereck  13.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Zürich

Goldmünze von 1629 versteigert

Weltweit existieren nur vier Exemplare dieser »goldenen Giganten«. Ein Millionär versteckte den Schatz jahrzehntelang in seinem Garten.

von Christiane Oelrich  11.11.2025

USA

Mehrgewichtig, zionistisch und stolz

Alexa Lemieux ist Influencerin in den sozialen Medien und zum Vorbild für viele junge jüdische Frauen geworden

von Sarah Thalia Pines  11.11.2025

Prag

Der Golem-Effekt

Seit mehr als fünf Jahrhunderten beflügelt das zum Schutz der Juden geschaffene Wesen aus Staub und Worten die Fantasie. Ein Blick zurück mit Büchern, Filmen und den »Simpsons«

von Sophie Albers Ben Chamo  11.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025