Wirtschaft

Von Käfer bis KI

Manche Beziehungen erweisen sich als erstaunlich kons­tant. Das trifft auch auf den deutsch-israelischen Austausch von Waren und Dienstleistungen zu. »Deutschland bleibt drittwichtigster Lieferant«, hieß es erneut im Februar 2025 im Israel-Länderprofil von GTAI – Germany Trade & Invest, der bundeseigenen Marketing-Agentur für den Standort Deutschland, und zwar hinter China und den Vereinigten Staaten.

Bemerkenswerterweise war dies bereits in den 60er-Jahren der Fall, auch damals belegte die Bundesrepublik so gut wie immer den dritten Platz. Was dabei nicht vergessen werden darf: Als Bonn und Jerusalem 1965 beschlossen hatten, diplomatische Beziehungen aufzunehmen, existierten auf wirtschaftlicher Ebene schon lange Kontakte.

Luxemburger Abkommen von 1952

Denn dank des Luxemburger Abkommens von 1952 wurden in den Folgejahren reichlich Maschinen oder andere Güter in den jungen Staat Israel geliefert, die man dort dringend für die Errichtung seiner Infrastruktur brauchte.

»Als das ›Wiedergutmachungsabkommen‹ 1965 schließlich auslief, hatte Israel bereits zahlreiche wirtschaftliche Beziehungen mit Deutschland aufgebaut, wobei es hilfreich war, dass man oftmals die gleiche Sprache sprach«, so die amerikanische Politikwissenschaftlerin Lily Gardner Feldman in ihrer Studie über das Verhältnis beider Länder. »Auch war es für die Israelis leichter, ihre deutschen Kontakte einfach aufrechtzuerhalten, statt sich neue Handelspartner suchen zu müssen.« Für die deutsche Wirtschaft ging ebenfalls eine Rechnung auf: Einmal am Markt etabliert, würde es gewiss Folgeaufträge geben.

Dabei darf man natürlich nicht die Relationen vernachlässigen. Im Vergleich zum Wirtschaftswunderland Bundesrepublik war Israel damals ein ökonomischer Zwerg. Bis in die 80er-Jahre stammten allenfalls 0,4 Prozent der deutschen Importe aus Israel. Und die Exporte in den jüdischen Staat machten in dieser Zeit maximal 0,5 Prozent der deutschen Gesamtausfuhren aus. Die Israelis kauften deutsche Produkte, weil das Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugte, umgekehrt sah es ähnlich aus. »Wenn es um rein ökonomische Kriterien wie Qualität, Wirtschaftlichkeit und Effizienz ging, galten die Beziehungen also schon lange als ›normal‹«, bringt es Gardner Feldman auf den Punkt.

Im Vergleich zum Wirtschaftswunderland war Israel damals ein ökonomischer Zwerg.

Doch ganz so normal waren sie dann doch nicht. Investitionsgüter wie Schiffe oder Eisenbahnen sind eine Sache, Konsumgüter eine andere. Oder anders formuliert: Ein Kühlschrank, eine Stereoanlage oder ein Auto »Made in Germany« bereitete vielen Israelis eher Unbehagen als eine Druckermaschine, versteckt in einer Fabrik. Das musste Volkswagen erfahren, als man 1959 begann, den »Käfer« in Israel zu vermarkten. Als ein Vertragshändler im Kibbuz Gaʼash einen Verkaufsraum eröffnen wollte, wurde dieser mit Hakenkreuzen beschmiert und die Autos demoliert. Trotzdem wurde das Auto, das eigentlich wie kaum ein anderes Produkt im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus steht, in Israel ein Riesenhit, führte jahrelang die Zulassungsstatistik an.

Dabei spielte man ein wenig über Bande. So schaltete ein VW-Händler 1964 eine Anzeige, die die Freiheitsstatue zeigte, wie sie einen Käfer in der Hand hielt. »Amerika hat sich für VW entschieden – das sollten auch Sie!« Israel begann damals, dem »American Way of Life« nachzueifern. »Die Werbung suggerierte, dass die amerikanischen Konsumenten VW als das beste Importauto betrachten, und forderte die Israelis auf, ihrem Vorbild zu folgen und sich ebenfalls einen Käfer zuzulegen«, so die Historikerin Noa Fauser Swisa von der Hebräischen Universität in Jerusalem in ihrer Forschungsarbeit über die Rezeption des Autos in Israel.

Deutsche Firmen und Platzhirsche

Was ebenfalls »unnormal« war: Wer als deutsches Unternehmen in Israel seine Produkte verkaufte, musste damit rechnen, in der arabischen Welt boykottiert zu werden. Das galt auch für VW, Mercedes & Co. Aber anders als die japanische Konkurrenz – mit Ausnahme von Subaru – ignorierten deutsche Autohersteller dieses Risiko oder beschwichtigten hinter den Kulissen die arabischen Führer, um ihm zu entgehen. Deshalb waren deutsche Firmen lange in Israel die Platzhirsche. In den 90er-Jahren sollte der arabische Boykott seine abschreckende Wirkung verlieren. Erst die Japaner, dann die Koreaner und nun die Chinesen rollen seither den israelischen Markt auf.

Dessen ungeachtet gewann Israel in den 90er-Jahren zunehmend an Attraktivität als Hightech-Standort, an dem es sich lohnt, Forschungszentren aufzubauen oder Kooperationen mit innovativen Partnern einzugehen – Stichwort Start-up-Nation. SAP, Deutsche Telekom oder Audi – sie alle sind bereits seit Jahren in Israel auf diesem Feld vertreten, aber auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bietet Israel enorme Chancen, heißt es bei GTAI.

Der private Boykott israelischer Konsumenten spielt dagegen kaum noch eine Rolle. So antworteten im Rahmen des HU-EF-Barometers der Hebräischen Universität, das die gegenseitige Wahrnehmung von Israelis und Deutschen beleuchtet, lediglich acht Prozent der befragten jüdischen Israelis auf die Frage, ob man deutsche Produkte kaufen würde: »Auf keinen Fall.« Das war im Jahr 2022. Zwei Jahre später hat sich dieser Wert sogar halbiert.

Heute gibt es kaum noch Israelis, die keine deutschen Produkte kaufen würden.

Auch sind die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern längst keine Einbahnstraße mehr. Die Israelis begannen, gleichfalls Interesse an deutschen Unternehmen zu zeigen. So übernahm 2010 Teva, der weltgrößte Hersteller von Generika, für 3,6 Milliarden Euro den Arzneimittelhersteller ratiopharm. Nur zwei Jahre später erwarb der israelische Textilproduzent Delta Galil das deutsche Traditionsunternehmen Schiesser und verhalf ihm zu neuem Glanz. Zudem genießen israelische Hightech-Produkte, beispielsweise aus dem Cybersecurity-Bereich, einen hervorragenden Ruf in Deutschland, weshalb auch die Bemühungen der antisemitischen BDS-Bewegung im wirtschaftlichen Bereich wenig Früchte tragen.

All das spiegelt sich auch in den Zahlen wider, die ein kontinuierliches Wachstum zeigen, von dem beide Seiten profitierten. Eine weitere Konstante: Deutschland exportierte immer deutlich mehr Waren und Dienstleistungen nach Israel als umgekehrt. So betrug 1990 der Wert der deutschen Ausfuhren nach Israel 1,3 Milliarden Euro, importiert wurden Güter für 0,8 Milliarden Euro. 2022 war mit Exporten von satten 5,9 Milliarden Euro ein Rekordjahr, aus Israel wurden Waren und Dienstleistungen für 2,7 Milliarden Euro bezogen.

Krieg im Gazastreifen und Außenhandel

Auch wenn der aktuelle Krieg im Gazastreifen für einen leichten Abschwung gesorgt hat, bleibt der Außenhandel weitestgehend stabil. »Soweit ich das aufgrund von Anfragen, die uns erreichen, überblicken kann, ist das Interesse von Firmen, die bereits nach Israel exportieren, ungebrochen«, so Michel Weinberg, Geschäftsführer der Deutsch-Israelischen Industrie- und Handelskammer (AHK), gegenüber GTAI. Wer dagegen als Neuling einen Markteintritt plant, sei etwas zögerlicher. »Ich glaube, es kommt sehr darauf an, wie gut Unternehmen über die tatsächliche Situation unterrichtet sind.«

Auch wenn Israel im Ranking der Handelspartner Deutschlands wie vor 60 Jahren eher unter ferner liefen rangiert, weil gerade einmal 0,4 bis 0,5 Prozent der deutschen Exporte in den jüdischen Staat gehen, unterscheidet Qualität die wirtschaftlichen Beziehungen, betont unter anderem Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel gegenüber der Deutschen Welle. »Der Handel und die ausländischen Direktinvestitionen zwischen den beiden Ländern mögen gering sein, aber für den Technologietransfer und die Zusammenarbeit in der naturwissenschaftlich-physikalischen Forschung ist Israel extrem wichtig, und das schon seit den 60er-Jahren.«

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