Jerusalem

Unnötige Provokation

Itamar Ben-Gvir (l.) von der rechtsextremen Otzma-Yehudit-Partei und Bezalel Smotrich vom Religiösen Zionismus Foto: Flash90

Bislang sind es nur Worte. Doch viele in der jüdischen Welt sind in Sorge, was die mögliche Koalition aus dem rechtskonservativen Likud, ultraorthodoxen und rechtsextremen Parteien in Jerusalem in Bezug auf Konversionen und das Rückkehrrecht für die Zukunft bringen könnte.

Die rechtsextreme Otzma-Yehudit-Partei unter Leitung von Itamar Ben-Gvir kündigte an, ein Ende der offiziellen Anerkennung nicht-orthodoxer Konversionen zum Zweck des Erhalts der Staatsbürgerschaft zu beantragen. Nach geltendem Recht haben alle Konvertiten Anspruch auf Alija, die in einer etablierten jüdischen Gemeinde konvertiert sind. Es spielt keine Rolle, ob die Rabbiner, die den Übertritt zum Judentum überwachten, orthodox sind oder nicht.

Enkelklausel Kurz zuvor hatte Ben-Gvirs politischer Partner, Bezalel Smotrich vom Religiösen Zionismus, seine eigene umstrittene Forderung gestellt: Er will die sogenannte Enkelklausel des Rückkehrgesetzes abschaffen, die Personen eine Staatsbürgerschaft garantiert, wenn sie mindestens einen jüdischen Großelternteil haben und keiner anderen Religion angehören.

Die Jewish Agency warnt, das Judentum weltweit könne von Israel entfremdet werden.

Schätzungsweise drei Millionen Menschen auf der ganzen Welt, die meisten davon in den Vereinigten Staaten, doch auch viele in Russland und der Ukraine, würden in diesem Fall ihr Recht auf Einwanderung nach Israel verlieren. Unter der Berufung darauf, dass »in den vergangenen Jahren zu viele Einwanderer die halachische Definition von jüdisch nicht erfüllten«, wollen die religiösen Parteien das Gesetz dahingehend ändern, dass nur Personen mit mindestens einem jüdischen Elternteil Alija machen können.

staatsbürgerschaft Seit vielen Jahren akzeptiert der Staat Israel nichtorthodoxe Konversionen, die im Ausland durchgeführt wurden, für den Erhalt der israelischen Staatsbürgerschaft. Im vergangenen Jahr entschied der Oberste Gerichtshof, dass derartige in Israel durchgeführte Übertritte auch bei jenen Menschen anerkannt werden, die bereits im Land leben, allerdings ohne israelischen Pass.

Möglich war dies, weil das israelische Rückkehrgesetz, das die Einwanderungspolitik des Landes weitgehend bestimmt, in Sachen Konversionen vage formuliert ist. Infolge dieser Unklarheit entschied das Gericht, dass jede von einer etablierten Gemeinschaft durchgeführte Konversion ausreichen würde, einschließlich der nichtorthodoxen.

Sollte das Gesetz zur Anerkennung der Konversionen tatsächlich geändert werden, würden Menschen, die durch Reform- oder (konservative) Masorti-Rabbiner konvertiert wurden, ihr Recht auf Einwanderung verlieren – eine ausgesprochene Kränkung für US-Juden, deren überwiegende Mehrheit mit diesen beiden Bewegungen verbunden ist.

brücke Unlängst äußerte sich der scheidende Minister für Diaspora-Angelegenheiten, Nachman Shai (Arbeitspartei), in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Sender Kan. Er meint, ein derartiger Schritt könnte Israels Beziehung zur amerikanisch-jüdischen Gemeinschaft enorm belasten. »Es wäre ein strategischer Fehler ohnegleichen. Die amerikanisch-jüdische Gemeinschaft war schon immer unsere Brücke zur US-Regierung. Eine solche Entscheidung könnte dazu führen, dass diese Brücke sehr wackelig wird.«

Er habe mit vielen jüdischen Gemeinden in der ganzen Welt gesprochen und große Sorge vernommen, dass eine neue israelische Regierung viele ihrer aktiven Mitglieder ausschließen könnte. »Sie sind entsetzt über diese Aussicht. Die hier vorgeschlagenen Reformen aber wären gleichbedeutend mit der Aussage: ›Wir akzeptieren eure Lebensweise, eure Rabbiner und eure Konversionen nicht.‹«

Während Shai weiß, dass nur eine äußerst kleine Zahl von Reform-Konvertiten tatsächlich die israelische Staatsbürgerschaft beantragt, käme die Symbolik einer Gesetzesreform einer Ächtung aller nicht-orthodoxen Juden in der Diaspora gleich. »Und das ist eine unnötige Provokation.«

reformbewegung Das Israel Religious Action Center (IRAC), die juristische und öffentliche Vertretung der israelischen Reformbewegung, forderte den designierten Premierminister Benjamin Netanjahu auf, die Forderungen von Ben-Gvir und Smotrich zurückzuweisen. »Ansonsten wird der Staat Israel aufhören, das Land des gesamten jüdischen Volkes zu sein, und stattdessen zu einem orthodox-charedisch-jüdischen Staat. Diese Schritte werden eine irreparable Kluft zum Diaspora-Judentum schaffen«, so die Leiterin Orly Erez Likhovski.

Die konservative Bewegung sprach sich ebenfalls gegen die Vorschläge aus, wobei ihre Rabbinerversammlung erklärte, sie verurteile »alle Initiativen, die die Schirmherrschaft der Hauptströmungen des Judentums infrage stellen und darauf abzielen, die kritische Grundlage des religiösen Pluralismus zu stören«. Eine Leugnung der »Echtheit des Reform- und Masorti-konservativen Judentums würde die Verbindung zu Millionen von Juden weltweit effektiv durchtrennen«.

Auch der Direktor der Jewish Agency warnte davor, dass das Judentum weltweit von Israel entfremdet werden könnte.

Auch der Direktor der Jewish Agency warnte davor, dass das Judentum weltweit von Israel entfremdet werden könnte. »Es ist unsere immerwährende Verpflichtung, Juden aus allen Teilen der Welt die Alija zu ermöglichen«, machte Doron Almog klar. Die Jewish Agency ist eine quasi-staatliche Einrichtung, deren Aufgabe es ist, bei der Einwanderung nach Israel zu helfen und die Beziehungen Israels zum Diaspora-Judentum zu fördern. Als praktisch unabhängiges Gremium, das jedoch weitgehend im Gleichschritt mit der israelischen Regierung agiert, versucht die Organisation, direkte Konfrontationen mit den Koalitionen in Jerusalem zu vermeiden.

Einheit Umso warnender scheinen die klaren Worte von Almog. »In dieser Stunde glauben wir, dass nichts wichtiger ist als die Einheit des jüdischen Volkes, einschließlich aller seiner Konfessionen, sowie der Schutz der strategischen Beziehungen zum Judentum weltweit durch kontinuierlichen Dialog. Die Jewish Agency wird weiterhin die Brücke sein, die Israel und Juden auf der ganzen Welt verbindet.«

Minister Shai prognostiziert ein düsteres Bild, sollten die Gesetzesänderungen Realität werden: Diasporajuden könnten aufhören, für große etablierte Organisationen zu spenden, die Geld für Israel sammeln. »Ich glaube nicht, dass sie alle Verbindungen abbrechen oder Israel boykottieren. Aber ich zweifle nicht daran, dass immer mehr von ihnen sagen würden: ›Dies ist nicht mein Israel.‹ Sie werden vielleicht nicht gegen Israel demonstrieren, aber sie werden auch nicht mehr für Israel demonstrieren.«

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