Schawuot

Süße Ernte

Auf den Wochenmärkten sind die Früchte so billig wie lange nicht mehr. Foto: Sabine Brandes

Es ist rot auf den Märkten des Landes. Von Norden bis Süden quellen die Tische über vor Bergen in sämtlichen Schattierungen, von Rosa über Orange bis zu tiefem Violett. Die Kunden können oft nicht widerstehen, sich die verführerischen Früchte sofort in den Mund zu stecken. »Hmm, wie köstlich«, schwärmen sie. Die Kirschsaison in Israel hat begonnen. Nach einem der regenreichsten Winter überhaupt gibt es in diesem Sommer eine grandiose Ernte.

»Matok, matok – Duwdewanim«, hallt es über den zentralen Marktplatz in der nördlichen Stadt Chadera. »Zuckersüße Kirschen«, »So rot wie noch nie«, »Prall wie die Liebste in deinem Arm!« Die Marktschreier versuchen, sich an Lautstärke und Originalität zu überbieten. Greifen mit beiden Händen in die knallroten Haufen, halten sie den Käufern unter die Nase. »Ohne die kannst du nicht nach Hause gehen«, ruft Händler Nachum Aflalo einer jungen Frau zu. »Schenk’ sie deinem Mann, und er wird dich noch mehr lieben.« Die Dame lacht und greift zu.

Billig Ein ganzes Kilo aromatischer Kirschen für 12,99 Schekel, gerade einmal 2,60 Euro, bietet Aflalo an diesem Morgen an. »Das ist unglaublich billig«, sagt er, »und wahrscheinlich werden sie sogar noch günstiger.« Er rechnet damit, dass die Preise bis Mitte Juni auf unter zwei Euro für das Kilo sinken. »Die Anbauer überhäufen uns mit Waren.« In den vergangenen Jahren mussten die Kunden, wollten sie sich die süßen Früchte schmecken lassen, pro Kilo fünf bis sogar acht Euro berappen.

Aflalo weiß, dass die Ernte in diesem Jahr herausragend ist. »Der verregnete Winter hat uns das beschert. Viel Wasser – viel Obst«, fasst er seine Weisheit knapp zusammen. Die israelische Kirschsaison ist jedoch nicht lang, sie beginnt Ende Mai und dauert bis Ende September, mit ein wenig Glück und passendem Wetter bis Mitte Oktober.

Kundin Swetlana Krasinsky greift am Marktstand zu und nimmt gleich vier Kilo für das kommende jüdische Erntefest Schawuot mit nach Hause. »Ich liebe die Kirschenzeit, man kann so viele wundervolle Dinge aus dieser Frucht zaubern. Mein Tipp ist Kirschsuppe mit Nocken aus Quark und Eiern, ein Rezept aus meiner alten Heimat Ukraine.« Krasinsky freut sich: »Meine Familie ist ganz verrückt danach.«

Anbaugebiet In den Kibbuzim und Moschawim, die sich auf Kirschanbau spezialisiert haben – vor allem auf den Golanhöhen und in Gusch Etzion –, laufen die Ernten seit Tagen auf Hochtouren. Angebaut werden unter anderem die beliebten süßen Sorten Bing, Kassins und Rainier, doch auch tiefrote saure Schattenmorellen. Oft sind die Äste so schwer, dass sie bis auf den Boden reichen. Da die Bäume derart voll hängen, mussten die Bauern einen Teil der Kirschen im Frühjahr noch vor der Reife abernten, damit die Äste nicht unter der Last brechen und absterben. Ein seltener Schritt, der lediglich alle paar Jahre durchgeführt werden muss.

Während sich die Israelis über die Massen an Kirschen freuen, sehen die Erzeuger die Entwicklung indes mit ein wenig Sorge. »Wenn der Preis unter vier Schekel sinkt, werden wir die Früchte einfach an den Bäumen hängen lassen. Als Vogelfutter«, erläutert Gil Recht aus Beit Jatir. »Weil sich die Arbeit dann einfach nicht mehr lohnt.« Der Obstbauer hofft jedoch, dass es nicht dazu kommen wird und stattdessen eine hohe Nachfrage den Preis reguliert.

Denn es wird zwar aller Voraussicht nach eine hervorragende Ernte mit etwa 60 Tonnen für seinen Betrieb – ein Rekord ist das jedoch nicht. Den stellte er schon vor einigen Jahren mit runden 100 Tonnen auf. Insgesamt werden im Land mindestens 6.500 Tonnen an Kirschen erwartet. Ein Großteil davon ist für den heimischen Markt bestimmt. Israel exportiert das erstklassige Obst aber auch. Hauptsächlich werde nach Europa geliefert, erklärt das Landwirtschaftsministerium, in den vergangenen Jahren außerdem verstärkt nach Fernost und in die USA.

Pflückpartys Neben den Wochenmärkten in allen Städten, auf denen sich die Israelis mit dem fruchtigen Genuss eindecken können, werden zunehmend »Pflückpartys« in den Anbaugebieten veranstaltet. Vor allem Familien kommen, bewaffnet mit Eimern und Körben, und ernten mit den eigenen Händen. »Vom Baum direkt in den Mund«, freut sich Arielle Siwan, der jedes Jahr mit seinen drei Sprösslingen durch die Kirschbäume tollt. »Es ist ein großartiges Erlebnis, besonders die Kinder lieben es.«

An Schawuot werden Tausende von Besuchern in den Obstplantagen erwartet, die ihre eigenen Kirschen für die Käsekuchen ernten. Siwan wird auch diese Saison dabei sein. Denn: »Selbst gepflückt schmeckt einfach doppelt so gut.«

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