Terror

Sonne, Strand und Angst

Israelis sind da, wo sie nie wieder hinwollten: der Blick über die Schulter, die Angst im Nacken. Nach dem Terroranschlag im bulgarischen Ferienort Burgas werden Bilder an vergangene Tage wach. Gesprengte Busse, Blut und pures Grauen wie in der zweiten Intifada. Mitten in den großen Ferien hat das Attentat auf die Urlauber die Israelis kalt erwischt. Dahin ist die sommerliche Unbeschwertheit zwischen Kofferpacken und Cocktailschlürfen. Viele Menschen buchen ihre Reisen um oder stornieren gleich ganz.

Die Attacke am Flughafen von Burgas tötete sieben Menschen, darunter fünf Israelis und den bulgarischen Busfahrer, verletzte Dutzende zum Teil schwer. Vermutlich hatte sich ein 33-jähriger Schwede algerischer Abstammung in dem Bus auf dem Weg in die Hotelanlage in die Luft gesprengt. Am Montag wurde zudem ein Mann auf Zypern festgenommen, der einen ähnlichen Anschlag gegen Israelis auf der Ferieninsel geplant haben soll. Der 24-Jährige hat ebenfalls die schwedische Staatsbürgerschaft, jedoch libanesische Wurzeln. Er wird verdächtigt, Bewegungen von israelischen Urlaubern ausspioniert zu haben.

Premierminister Benjamin Netanjahu machte Iran und Hisbollah für das Attentat am Schwarzen Meer verantwortlich. Es gebe »felsenfeste Beweise«, dass die libanesische Terrororganisation, unterstützt aus Teheran, dahinterstecke. Das iranische Regime hat jegliche Beteiligung abgestritten.

Sorgen Siwan Cohen hatte ihre Taschen noch nicht ganz ausgepackt, als sie von der Tragödie in Burgas hörte: Wenige Tage zuvor war sie im selben bulgarischen Ferienort gewesen, eine Woche Spaß inmitten einer Gruppe von Freunden. Jetzt ist nicht mehr viel davon übrig. Mit einem flauen Gefühl im Magen denkt sie heute daran zurück: »Es hätte genauso gut uns treffen können. Wären wir etwas später geflogen, hätten wir genau in diesem Bus sitzen können.« Cohen will nie wieder nach Burgas. Auch den Gedanken, im Spätsommer noch eine Woche auf einer kleinen griechischen Insel einzulegen, hat sie verworfen. »Mir ist nicht mehr danach. Ich will im Moment nur zu Hause sein.«

So wie der Studentin geht es dieser Tage vielen Menschen in Tel Aviv, Jerusalem oder Haifa. Reiseveranstalter gingen davon aus, dass um die 50.000 Israelis Bulgarien als Ort für ihre Sommerferien wählen würden. »Es ist ein angenehmes Ziel gewesen«, so Schiri Reymond von Walla-Tours, dem größten Internet-Reiseportal des Landes, »günstig und unkompliziert, vor allem bei jungen Leuten beliebt.« Doch dieses Gefühl sei nun dahin. Sie nehme die Befürchtungen ihrer Kunden sehr ernst. »Wenn die Menschen Bedenken haben, empfehlen wir etwas anderes.« 70 bis 80 Prozent würden ihre Reisen nach Burgas umbuchen. Der Rest storniere komplett. Bei den Alternativen stehe Griechenland an oberster Stelle.

Schaden Andere Reisebüros verzeichnen einen generellen Rückgang bei Urlaubsbuchungen von bis zu 15 Prozent, eine hohe Zahl für die Sommerferien. Israelische Charterfluggesellschaften verzeichneten nach eigenen Angaben einen »leichten Einbruch« bei Reservierungen in den Mittelmeerraum und nach Europa. Viele erkundigen sich nach Sicherheitsvorkehrungen in verschiedenen Ländern, bestätigt die Geschäftsführerin von Walla-Tours. Auch Eltern, die sich Sorgen um ihre Sprösslinge auf Reisen machten, riefen verstärkt an.

Ob Burgas ein ähnliches Schicksal droht wie türkischen Badehochburgen, steht noch in den Sternen. Die nächsten Wochen würden entscheiden, »ob sich das Buchungsverhalten normalisiert oder der Schaden dauerhaft ist«, so die Reisefachfrau. Nach wie vor seien Israelis nicht an einer Rückkehr in die Türkei interessiert. »Buchungen gibt es so gut wie gar keine.« Einst waren Antalya, Alanya und Co. beliebteste Ziele für einen Kurzurlaub im Sommer. Die Israelis strömten zu Hunderttausenden in die Hotelburgen an den Stränden. Nach der türkischen Flotilla und dem Drama um die Mavi Marmara aber kam der Tourismus zwischen den beiden Ländern fast gänzlich zum Erliegen.

Sicherheit Fragen, ob es überhaupt noch sicher sei, irgendwo hinzufliegen, beantworten die wenigsten Reiseanbieter. Auch Walla-Tours nicht. »Wir verkaufen Reisen, keine Sicherheitspakete«, sagt Reymond. Zwar sind die Israelis Profis in Sachen Schutz, doch lediglich im eigenen Land oder in ihren Einrichtungen im Ausland. Besondere Vorkehrungen an jedem möglichen Urlaubsort sind für Regierung und Antiterrorbehörde schlicht nicht zu leisten. Es gibt weder Budget noch Personal.

»So wird die Ungewissheit wieder unser ständiger Begleiter werden«, fürchtet Schaul Misrachi, der in zwei Wochen mit seiner Familie in die Ferien starten will. Erinnerungen an die blutigen Jahre 2003 und 2004 sind erwacht. Damals waren bei Anschlagsserien auf Busse in Jerusalem Dutzende von Menschen von palästinensischen Attentätern getötet worden. Die grauenvollen Bilder haben sich in das Bewusstsein der Israelis eingebrannt. Viele Menschen stiegen jahrelang in keinen Bus, konnten nicht einmal ertragen, in ihren Autos an der Ampel neben einem zu stehen, ohne vor Angst in Schweiß gebadet zu sein. »Wir wollten diese Erinnerung verdrängen«, so Misrachi, »nicht mehr daran denken und unser Leben unbeschwert leben.« Der Anschlag in Burgas jedoch bedeute ein jähes Ende dieser Unbeschwertheit. »Die bedrohliche Atmosphäre ist zurück.«

Der Familienvater will sich dennoch nicht seinen Ängsten hingeben. »Dann könnte ich mich gleich begraben lassen.« Dennoch trifft er Vorkehrungen für sich und seine Lieben: »Für uns geht es ab sofort nicht mehr zu Urlaubszielen, in denen außergewöhnlich viele Landsleute sind. Wir fliegen dorthin, wo ein Anschlag unwahrscheinlicher ist.« Diesen Sommer geht es für die Misrachis deshalb in die Stadt des Lichts und der Liebe – nach Paris.

Andrea Kiewel

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