Trend

Schüler wählen ihre Knesset

Schüler der Blich High School diskutieren auf dem Schulhof. Foto: AFP/Getty Images

Eigentlich sind die Wahlen zur 21. Knesset schon gelaufen – zumindest für die Schüler der Blich High School in Ramat Gan bei Tel Aviv, wo es am 5. März über die Zusammensetzung des nächsten israelischen Parlaments zur Abstimmung kam.

Und das Resultat ist ziemlich eindeutig: Mit 47 Prozent der 619 abgegebenen Stimmen geht die neue zentristische Listenverbindung Blau-Weiß des Ex-Generalstabschefs Benny Gantz und des Jesch-Atid-Vorsitzenden Yair Lapid als klarer Sieger hervor. Sie würde 56 von 120 Abgeordneten in der nächsten Knesset stellen – eine bequeme Ausgangsbasis für den Aufbau einer stabilen Regierungsmannschaft. Koalitionsverhandlungen wären dann ein Kinderspiel, weil man vielleicht nur einen einzigen Partner bräuchte und nicht wie zuletzt gleich vier oder fünf.

Mittelschicht Auf Platz zwei, aber weit abgeschlagen, käme mit 21 Prozent und damit 25 Abgeordneten der Likud von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Es folgen die Linkszionisten von Meretz mit zehn Prozent, die wirtschaftsliberale Kulanu-Partei mit sieben Prozent sowie fünf Prozent für Moshe Feiglins gleichfalls liberale Zehut-Partei. Die mageren drei Prozent, die auf die Arbeitspartei entfielen, sind symptomatisch für den Absturz der über Jahrzehnte hinweg wichtigsten politischen Kraft des Landes. Wenig überraschend – schließlich ist Ramat Gan geradezu ein Epizentrum der säkularen israelischen Mittelschicht – auch das Abschneiden der Parteien der Religiösen: Sie erhielten genau null Stimmen.

Die Testwahlen an der Blich High School sind in Israel ein wichtiges Medienereignis.

Obwohl Ramat Gan nicht unbedingt den Querschnitt der israelischen Bevölkerung widerspiegelt, sind die Testwahlen an der Blich High School ein wichtiges Medienereignis. Und das bereits seit den 70er-Jahren. Dabei geht es weniger darum, wie viele Sitze in der Knesset nun auf welche Partei entfallen könnten. Vielmehr hatten die Schüler immer eine verdammt gute Nase dafür, wie der Trend aussieht. 1977 sagten sie voraus, dass eine »Revolution« stattfinden wird und Menachem Begin einen Schlussstrich unter 29 Jahre Dauerherrschaft der Arbeitspartei setzen könnte. Genau das geschah dann auch. Ebenso hatten sie den Sieg von Yitzhak Rabin im Jahr 1992 auf dem Radar und erahnten den Erfolg von Kadima bei den Wahlen des Jahres 2006.

Vor diesem Hintergrund darf es nicht verwundern, dass sich bei diesem Event immer viel Polit-Prominenz vor Ort die Klinke in die Hand gibt, und das, obwohl es mit den Prognosen in den vergangenen Jahren nicht ganz so klappen wollte. 2013 beispielsweise hatten die Schüler Jesch Atid zum Sieger erklärt. Der Gewinner bei den »richtigen« Knessetwahlen war aber der Likud. Was dennoch korrekt prognostiziert wurde, war der rasante Aufstieg des politischen Newcomers.

Bemerkenswert: Ramat Gan spiegelt nicht unbedingt den Querschnitt der israelischen Bevölkerung wider.

Polit-Prominenz Dieses Jahr eröffnete dann auch Ex-Generalstabschef Gabi Ashkenazi, der für Blau-Weiß in den Ring steigt, den Reigen. »Ich bin in die Politik gegangen, um zu dienen und dafür zu sorgen, dass Israel eine bessere Zukunft haben wird«, erklärte er gegenüber den Schülern. »Für uns an der Spitze von Blau-Weiß hat das Königreich Vorrang und nicht der König. Wir selbst wollen unser Ego in den Hintergrund stellen und nur unsere Arbeit in den Mittelpunkt rücken.«

Auch Finanzminister Moshe Kahlon gab sich die Ehre und listete auf, was seine Partei in den vergangenen vier Jahren alles für die jüngere Genera-
tion geleistet hat. »Wir haben dafür gesorgt, dass Soldaten mehr Geld erhalten, für die Ausbildung nach dem Militärdienst keine Gebühren mehr anfallen und junge Paare einfacher Wohnraum erwerben können.«

Das Bündnis Blau-Weiß ging mit 47 Prozent als klarer Sieger hervor.

Wie das magere Ergebnis zeigt, vermochte Kahlon dabei ebensowenig zu überzeugen wie der Arbeitspartei-Vorsitzende Avi Gabbay, der die Testwahlen an der Blich High School ein »Fest der Demokratie« nannte und von den »wundervollen jungen Menschen« sprach, die sich »daran erinnern, wie man von einer besseren Zukunft träumen kann«. Die Substanzlosigkeit seiner Worte quittierten die Schüler mit einem derart schlechten Output, das die Arbeitspartei an der 3,25-Prozent-Hürde scheitern lassen würde.

Heimspiel Auch Tamar Zandberg von Meretz gab sich ein Stelldichein und twitterte munter Fotos von sich inmitten gut gelaunter Schüler, die T-Shirts mit dem Logo ihrer Partei trugen. Für sie war die Testwahl angesichts der vorherrschenden Sympathien an der Schule für die Linkszionisten eine Art Heimspiel. All das wiederum brachte einige Vertreter des Likud auf die Barrikaden.

Netanjahus Parteifreund kommentierte den Sieg von Gantz und Lapid in Ramat Gan, dass das alles keine Überraschung sei.

Eli Hazan, zuständig für die Auslandskontakte von Netanjahus Partei, kommentierte den Sieg von Gantz und Lapid in Ramat Gan, dass das alles keine Überraschung sei, »weil die Schule ja sowieso schon immer für die Linken gestimmt« habe. Ungeachtet der Tatsache, dass das einfach nicht stimmt, scheinen seine Reaktionen eher ein Beweis dafür zu sein, dass man im Likud die Konkurrenz von Blau-Weiß ernsthaft fürchtet.

Hila Romash, Direktorin der Blich High School, jedenfalls sieht das alles etwas gelassener. »Es ist nicht unser Anliegen, ein haargenaues Ergebnis vorhersagen zu können«, erklärt sie. »Vielmehr wollen wir unsere Schüler dazu motivieren, sich politisch zu engagieren und sich mit den Grundgedanken unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen.«

Sie betont ferner, dass man mit den Testwahlen an der Schule manchmal eben voll ins Schwarze trifft und in den Abstimmungen sich sowohl Gewinner als auch Verlierer erkennen lassen. »Andererseits werden Parteien, die sehr wohl in der Knesset vertreten sind, von unseren Schülern überhaupt nicht gewählt.« Die Ergebnisse für die politischen Vertreter der Charedim würden das beweisen. »Aber eines können wir sehr wohl: den Trend zeigen.«

Auswärtiges Amt

Deutschland entschärft Reisehinweise für Israel

Nach Beginn des Gaza-Krieges hatte das Auswärtige Amt vor Reisen in Teile Israels gewarnt. Dies gilt so nicht mehr. Der Außenminister begründet das mit gewachsenem Vertrauen in den Friedensprozess

 04.11.2025

Waffenruhe

Hamas will weiteren Geisel-Leichnam übergeben

Die Terroristen sollen noch die sterblichen Überreste von acht Geiseln in ihrer Gewalt haben

 04.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  04.11.2025

USA

Donald Trump will Netanjahu-Prozess beeinflussen

In einem Interview mit »60 Minutes« zeigt der US-Präsident kein Interesse an der Unabhängigkeit der Justiz

von Sabine Brandes  04.11.2025

Israel

Spion auf vier Rädern

Israels Armee mustert ihre Dienstfahrzeuge »Made in China« aus. Der Grund: Sie könnten ein Risiko für die nationale Sicherheit sein

von Ralf Balke  04.11.2025

US-Vorschlag

Internationale Truppen sollen zwei Jahre Frieden in Gaza garantieren

Bis zum 18. November wollen die Vereinigten Staaten im UN-Sicherheitsrat eine Resolution über die Zukunft des Küstenstreifens einbringen. Die Details

 04.11.2025

Gazastreifen

Israel übergibt Leichname von 45 Palästinensern

Im Rahmen der Waffenruhe hat sich Israel verpflichtet, für jeden Leichnam einer Hamas-Geisel die sterblichen Überreste von 15 Palästinensern in den Gazastreifen zu überstellen

 04.11.2025

Libanon

Israelische Armee tötet zwei Hisbollah-Mitglieder

Israel wirft der Terror-Miliz Wiederaufrüstung vor. Dabei hatte die Terror-Miliz eigentlich ihrer Entwaffnung zugestimmt

 04.11.2025

Erinnerung

Fünf Millionen Namen

Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hat einen Meilenstein erreicht

von Sabine Brandes  03.11.2025