Jerusalem

Prügelei an der Kotel

Zusammenstoß an der Kotel: Liberale und orthodoxe Beter geraten aneinander. Foto: Flash90

An der Westmauer in der Altstadt von Jerusalem ist es am Mittwochmorgen zu schweren Zusammenstößen zwischen orthodoxen und liberalen Juden gekommen. Hunderte von Anhängern der konservativen Bewegung und der Reformbewegung, darunter eine Delegation prominenter Rabbiner und Rabbinerinnen aus den USA, protestierten dagegen, dass die Regierung von Benjamin Netanjahu nach wie vor keinen Platz für ein Gebet nach egalitärem Ritus an der Westmauer eingerichtet hat. Sie wollen, dass Frauen und Männer dort auch gemeinsam beten können.

Rosch Chodesch Die Demonstration fand zeitgleich mit einem Gebet der »Women of the Wall« anlässlich Rosch Chodesch Cheschwan, des ersten Tages des jüdischen Monats, statt. Zuvor hatte Regierungschef Netanjahu an Juden aus der Diaspora appelliert, sich nicht an den Protesten zu beteiligen.

Wie die Tageszeitung »Haaretz« berichtete, trugen die Rabbiner und Rabbinerinnen Torarollen, nachdem sie vom Dungtor zur Westmauer in der Altstadt gelangt waren. Dort versuchten Sicherheitskräfte, sie daran zu hindern, zu der heiligen Stätte zu gelangen. Als die Rabbiner versuchten, dennoch zur Kotel vorzudringen, kam es zu kleineren Zusammenstößen mit der Polizei.

Frauensektion Schließlich, so »Haaretz« weiter, schafften es die Rabbis mit acht Torarollen an die Westmauer. Offiziell ist es Betern nicht erlaubt, eigene Torarollen an die heilige Stätte mitzubringen. Laut »Times of Israel« teilte die israelische Reformbewegung mit, man habe »Dutzende« von Torarollen in die Frauensektion an der Westmauer gebracht. Anat Hoffman, Vorsitzende der »Women of the Wall« sagte dem israelischen Rundfunk: »Ich fühle mich ein bisschen wie an Simchat Tora. Zum ersten Mal ist eine Torarolle in der Frauensektion an der Kotel. Das ist ein historischer Tag.«

An der Kotel wurden die Reformrabbiner und -rabbinerinnen laut Haaretz von einem »Mob« junger ultra-orthodoxer Juden angegriffen. Yizhar Hess, Chef der konservativen Bewegung in Israel, sei dabei zu Boden geschlagen worden. An den Protesten nahm auch Rabbiner Steven Wernick, Geschäftsführer der United Synagogue of Conservative Judaism, und Rabbi Rick Jacobs, Präsident der Union des Reformjudentums, teil. Laut dem Bericht griff die Polizei erst im letzten Moment ein, um weitere Gewaltausbrüche zu verhindern.

Appell Am Dienstagabend hatte Ministerpräsident Netanjahu an Juden aus der Diaspora appelliert, sich nicht an den Protesten zu beteiligen. »Wir haben ein Volk und eine Mauer – es ist unsere Mauer«, sagte er. »Je weniger wir in der Öffentlichkeit darüber sprechen, desto höher ist die Chance, dass wir das Problem lösen. Das Letzte, was wir brauchen, ist noch mehr Spannung.«

Im Januar hatte die Regierung nach dreijährigen Verhandlungen beschlossen, einen Raum für egalitäres Gebet am südlichen Rand der Westmauer einzurichten. Beobachter gehen davon aus, dass sich die Umsetzung wegen des Drucks der ultra-orthodoxen Parteien innerhalb der Regierungskoalition verzögert. Sie lehnen ein egalitäres Gebet an der Kotel strikt ab.

Umfrage

Mehrheit der Palästinenser findet Angriff vom 7. Oktober richtig

Die People’s Company for Policy and Survey Research hat die Einstellungen von Palästinensern in Gaza und dem Westjordanland abgefragt

von Imanuel Marcus  02.11.2025

Berichte

Wunden und Narben

Nach der Freilassung von Bar Kupershtein und anderer ehemaliger Geiseln wird immer mehr über ihr grausames Schicksal in Gefangenschaft der Hamas bekannt

von Sabine Brandes  02.11.2025

Yitzhak Rabin

Der Falke, der zur Taube wurde

Vor 30 Jahren wurde der Ministerpräsident von einem extremistischen Juden erschossen. Im Rabin Center in Tel Aviv kann man dem Lebenswerk des Staatsmannes nachspüren

von Sabine Brandes  02.11.2025

Tel Aviv

Israels Militäranwältin tritt wegen Video-Leaks zurück

An der Spitze der Militärjustiz war Tomer-Jeruschalmi nicht immer bequem. Jetzt ermittelt die Polizei wegen eines brisanten Videos aus dem Vorjahr. Für die Militärjuristin wurde die Lage unhaltbar

 02.11.2025

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  02.11.2025 Aktualisiert

Nahost

Leichname von Amiram Cooper und Sahar Baruch in Israel

Mit viel Verspätung kommen die sterblichen Überreste zweier Verschleppter nach Hause. Elf Geiseln fehlen noch

 02.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Ich kann euch nicht hören

Während im Sudan die schwerste humanitäre Krise der Welt tobt, schweigen die selbst ernannten Menschenrechts-Demonstranten in Europa und auf der Welt

von Sophie Albers Ben Chamo  02.11.2025

Berlin/München

Nach Terror-Skandal beim ZDF: ARD überprüft Mitarbeiter in Gaza

Alle in Gaza tätigen Mitarbeiter hätten versichert, keinerlei Nähe zu Terrororganisationen zu haben, sagt der zuständige Bayerische Rundfunk

 02.11.2025 Aktualisiert

Terror

Von Hamas übergebene Leichen keine Geiseln

Wieder falsche Hoffnung: Die von der Hamas übergebenen Leichen sind keine vermissten Geiseln

von Jan-Uwe Ronneburger  01.11.2025