Regierung

Politischer Paukenschlag

Mosche Yaalon und seine Generäle: Zeremonie am Sonntag in der Tel Aviver Hakirya Foto: Flash 90

Es war wie ein Paukenschlag. Und die Schockwellen, die das politische Manöver von Regierungschef Benjamin Netanjahu verursacht, ziehen immer weitere Kreise. Nachdem der Premier, um seine Koalition zu stärken, den erfahrenen und hoch angesehenen Verteidigungsminister Mosche Yaalon durch Avigdor Lieberman ersetzte, einen der radikalsten Hardliner im Land, ist das israelische Gemüt in Aufruhr.

Exemplarisch zeigte sich das am Freitagabend bei einer Livesendung im Studio des Fernsehkanals 2. Inmitten einer politischen Diskussion um den Rauswurf Yaalons bat der altgediente Kriegsreporter Roni Daniel die anderen, einen Moment ruhig zu sein. Der Monolog, der folgte, traf sowohl die Menschen im Studio als auch die vor den Bildschirmen bis ins Mark: »Nach dieser Woche bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich will, dass meine Kinder hier im Land bleiben.«

Vielen stand der Mund nach dieser Erklärung offen. Für den Großteil der Israelis gilt das Bleiben im Land, so schwer es inmitten des instabilen Nahen Ostens oft sein mag, als ultimative moralische und soziale Verpflichtung. Das zeigt sich schon in der Sprache. Jene, die auswandern, werden als »Jordim« bezeichnet – als solche, die absteigen. Doch offenbar würde Daniel heute sogar eine Verunglimpfung in Kauf nehmen. Denn es sei die »Kultur der Regierung«, die er als inakzeptabel empfinde, und er nannte sogar Namen, die beispielhaft dafür stehen: Miri Regev, Zeev Elkin, Bezalel Smotrich.

Meinung Der Journalist war wütend und emotional, als er sagte, er könne seinen Kindern nicht vorschreiben, wo sie leben sollen, »aber dies hier ist kein guter Ort«. Wenn er früher der Überzeugung war, es sei eine Katastrophe, wenn sie das Land verließen, so denke er das heute nicht mehr. Niemand kann Daniel als verblendeten, extremen Linken abtun oder jemanden, der seinen Koffer packt, weil ihm der Joghurt zu teuer ist. Er ist ein ehemaliger Armeeoffizier, verwundet im Sechstagekrieg, konservativ und durch und durch Zionist. Seine Meinung zählt.

Ein moralischer Kompass aber ist genau das, was die amtierende Regierung offenbar nicht mehr in ihrer Mitte sehen wollte. Aus diesem Grund musste Yaalon gehen. Zu oft und vehement wies er Netanjahu und Co. auf das Abweichen vom richtigen Weg hin, kritisierte und bohrte, wenn er die Moral in Gefahr sah. Das tat er lautstark bei dem Skandal um den israelischen Soldaten von Hebron, der einen verletzt am Boden liegenden palästinensischen Terroristen erschoss, und ebenso, als er sich hinter General Yair Golan stellte, der an Jom Haschoa vor faschistischen Tendenzen in der Gesellschaft warnte. Das waren möglicherweise zu viel der Worte.

Warnung Er selbst machte das bei seiner Rücktrittsrede deutlich, die er durchaus als Warnung verstanden wissen wollte: »Ich habe mit all meiner Macht gegen die Phänomene Extremismus, Gewalt und Rassismus in der israelischen Gesellschaft gekämpft, die unsere nationale Widerstandskraft bedrohen und die in die Armee schwappen – ja, die sie bereits schädigen«. Er habe sich auch gegen Versuche gewandt, die die Unabhängigkeit der Gerichte einschränken wollen und damit ein Desaster für die Nation heraufbeschwören könnten. »Zu meinem großen Bedauern haben extremistische und gefährliche Kräfte Israel und die Likud-Partei übernommen. Sie erschüttern unser nationales Heim und bedrohen die Bewohner.«

Und mit Worten, die als direkter Angriff gegen Netanjahu gewertet werden, unterstrich Yaalon, es mache ihn krank, dass »alteingesessene Politiker im Land den Weg der Attacke gewählt haben und die israelische Gesellschaft spalten, statt sie zu vereinen. Meiner Meinung nach ist es inakzeptabel, dass wir in zynische, machthungrige Splittergruppen zerfallen. Ich sage dies, weil ich mir größte Sorgen um die Zukunft der israelischen Gesellschaft mache – für diese und die nächsten Generationen«. Dem Militär gab er mit auf den Weg: »Natürlich muss eine Armee gewinnen. Doch sie muss auch menschlich bleiben«.

Reaktionen Yaalons eindringliche Worte fanden großen Widerhall: Mosche Arens, dreifacher Verteidigungsminister, sieht Netanjahus Akt als politisches Erdbeben und Wende. Zipi Livni, Mit-Vorsitzende der Zionistischen Union, bezeichnete das Geschehen nicht als eine rein politische Angelegenheit, sondern als ethische Krise, und rief alle israelischen Politiker auf, ihre Egos zurückzustellen und einen Block zu bilden, der »diese bösartige Regierung« zu Fall bringt. »Es gibt Hoffnung, dass dies eine Möglichkeit darstellt, all jene zusammenzubringen, die sehen, was passiert. Und eine Union zu bilden, die das Vertrauen der Öffentlichkeit bei den nächsten Wahlen gewinnen kann.«

Schelly Jachimowitsch von der Arbeitspartei machte ebenfalls klar, was sie von Netanjahus Entscheidung hält: »Es besteht kein Zweifel, dass der Verlust von Yaalon schwer zu verdauen ist. Er ist ein nationaler Anführer von höchstem Rang und wird von jedem Lager akzeptiert. Mosche Yaalon hat seinen Platz in der obersten Riege des Landes verdient, und ich wäre froh, ihn in höchster Position wiederzusehen.«

timing Sogar ein ehemaliger Premierminister und Verteidigungsminister meldete sich zu Wort. Aus New York warnte Ehud Barak vor den »Samen des Faschismus, die Israel infiziert haben«. Es schien das perfekte Timing für den einstigen Politiker, der heute erfolgreicher Geschäftsmann ist. »Was geschah, ist die feindliche Übernahme der israelischen Regierung durch gefährliche Elemente. Und dies ist erst der Anfang.«

Netanjahu geht es auch nach Meinung anderer Kritiker mit dem Schritt, eines der sensibelsten Ämter im Land – und in der ganzen Welt – mit einem Extremisten zu besetzen, nur um eines: seine Macht zu erhalten. Yaalon selbst sagte, er trete zurück und nehme eine Auszeit, werde sich aber keinesfalls aus dem politischen Leben zurückziehen. Möglich, dass das Geschehen der letzten Woche tatsächlich eine Richtungsänderung in Israels Politik markiert. Sicherlich hat Netanjahu mit seiner Aktion kurzfristig seine Regierung gestärkt und die Koalition vergrößert. Aber vielleicht hat er auch eine Wende eingeleitet – höchstpersönlich.

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