In High-Tech-Unternehmen in Israel geht die Angst um. Mehr als 500 Tech-Mitarbeiter sind am Wochenbeginn entlassen worden. Berichten israelischer Medien zufolge waren es in den vergangenen vier Monaten mehr als 3000.
BEWERTUNGEN Die Tech-Branche in Israel ist bekannt für ihre extrem hohen Gehälter und außergewöhnlichen Vergünstigungen für die Angestellten. Zum Teil verdienen junge Leute oft viermal so viel wie jene, die in anderen Branchen arbeiten.
Trotz Pandemie hat dieser Sektor in den letzten Jahren immer mehr Rekorde bei Bewertungen von Unternehmen gebrochen. Experten warnen jedoch bereits seit einer Weile vor einer gefährlichen Marktblase, die zerplatzen und Tausende von Unternehmen den Ruin bringen könnte.
An der Wall Street in New York haben die Insider bereits seit Monaten die Stirn in Sorgenfalten gelegt. Das »Branchenthermometer« Nasdaq Composite Index, in dem die größten Technologieunternehmen der Welt gelistet sind, ist seit seinem historischen Höchststand im vergangenen November um mehr als ein Viertel gefallen. Das könnte auch für Israels Start-up-Nation große Probleme mit sich bringen.
»Wenn die USA in eine langfristige Rezession schlittern, könnte dies der Beginn eines Abschwungs für die israelische Hightech-Industrie sein.«
Uri Gabai, chef Start-up Nation Policy Institut
In der ersten Jahreshälfte stürzten die Neuinvestitionen in israelische Start-ups nach Angaben des Israel Venture Capital Research auf 9,8 Milliarden US-Dollar ab, ein Rückgang von nahezu einem Drittel im Vergleich zum Höchststand in der zweiten Hälfte von 2021.
WELTWIRTSCHAFT Doch man ist sich einig, dass diese Beträge überdimensional und nicht nachhaltig gewesen sind. Der Absturz sei nur eine Frage der Zeit, wird gemunkelt. Die Auswirkungen der Pandemie und des von Russland verursachten Kriegs in der Ukraine auf die Lage der Weltwirtschaft kann noch nicht abschließend bewertet werden. »Doch wenn die USA in eine langfristige Rezession schlittern, könnte dies der Beginn eines echten Abschwungs für die israelische Hightech-Industrie sein«, weiß Uri Gabai, Leiter des Start-up-Nation Policy Instituts.
Denn die israelischen Start-ups sind auf einen dauerhaften Fluss von Investitionen angewiesen. Und wenn der Geldhahn in den USA austrocknet, wird das auch in Israel zu spüren sein. »Noch ist es aber zu früh, um von einer Krise zu sprechen«, so Gabai. »Und wir hoffen natürlich, dass es keine werden wird.«
Ein globaler Hightech-Abschwung könnte Israel besonders hart treffen. Denn die Bedeutung der Branche ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten immens gewachsen. Technologien trugen im vergangenen Jahr 16 Prozent zum israelischen Bruttoinlandsprodukts bei. Doch noch bedeutender ist, dass Hightech-Produkte mehr als die Hälfte der israelischen Exporte von Waren und Dienstleistungen ausmachen. Ein großer Einbruch im Hightech-Bereich würde sich auf die gesamte Wirtschaft auswirken, denn auch die Kaufkraft der Gutverdiener wäre damit in Gefahr.
AID Genomics, ein Medizintechnikunternehmen aus Singapur, kündigte eine erhebliche Reduzierung seiner Aktivitäten in Israel an, indem es sein Forschungs- und Entwicklungszentrum ins Ausland verlegte und geplante Investitionen im Land stornierte. Daraufhin mussten 400 Angestellte ihre Sachen packen, der Großteil der Belegschaft in Israel.
KÜNDIGUNGEN Zuvor hatte bereits das US-Versicherungsunternehmen Asurion angekündigt, dass es sein israelisches Entwicklungszentrum im Rahmen einer Umstrukturierung schließen würde. 120 Leute verloren ihren Job. Bis zum Jahresende sollen weitere Kündigungen folgen.
Asurion hatte vor neun Jahren das heimische Start-up Soluto gekauft, das zuvor dem ehemaligen Premierminister Naftali Bennett gehört hatte. In einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Sender Kan sagte ein Angestellter, dass die Entlassungen als »völliger Schock gekommen sind«.