Es soll die größte Veranstaltung aller Zeiten in Israel werden. Mit Partys nonstop inklusive Sand unter den Füßen und Meeresbrise in den Haaren. Nur noch wenige Tage – und der Eurovision Song Contest 2019 in Tel Aviv beginnt. Jetzt, da die Waffen zwischen Israel und Gaza schweigen, sind die Sorgen, ob der ESC abgesagt werden muss, erst einmal verflogen.
Die Vorfreude wächst, das Eurovision-Dorf direkt am Strand erhält den letzten Schliff, und täglich trudeln mehr Besucher aus ganz Europa ein, um unter dem Motto »Dare to Dream« mitzufeiern.
Das Motto für den Song Contest lautet »Dare to Dream«.
In den Messehallen am Rokach-Boulevard dröhnen seit drei Tagen fast pausenlos die Beats. Dort proben Künstler aus 41 Ländern ihren großen Auftritt. Der Ablauf ist durchgetaktet: Jeder Teilnehmer hat zwei Probentermine, bevor es am 14. Mai ins erste Halbfinale geht. Außerdem gibt es Proben für die Eröffnungs- und Zwischenshows sowie jeweils drei Generalproben für das zweite Halbfinale am 16. Mai und das Finale am 18. Mai.
Die Künstler bereiten sich seit Monaten auf den ESC vor. Ebenso wie die Choreografen, Tänzer, Kostümdesigner und Produzenten, die alles minutiös planen: Licht, Sound, Kamerawinkel, Grafik und Spezialeffekte müssen präzise zusammenpassen, damit nicht nur die Zuschauer vor Ort eine fantastische Show geliefert bekommen, sondern auch die rund 200 Millionen Zuschauer an den Bildschirmen in der ganzen Welt.
Die Eurovision ist ein wahres Mammutprojekt. Auch die deutsche Delegation mit Carlotta Truman und Laurita Spinelli ist bereits in Tel Aviv angekommen und hat schon andere Berühmtheiten aus der Heimat kennengelernt: Masterchef Tom Franz nahm die beiden Sängerinnen an die Hand und zeigte ihnen seine Stadt. Die »S!sters« wollen mit ihrem Lied Sister für Deutschland Punkte holen.
Essen, feiern, tanzen – die ESC-Fans können die Nacht zum Tag machen.
EuroClub Auch das Programm für den offiziellen »EuroClub«, in dem die Delegationen, Journalisten und eingefleischten Fans nach den Shows und Proben feiern, als ob es kein Morgen gäbe, steht. Auftreten werden die österreichische Gewinnerin aus dem Jahr 2014, Conchita Wurst, die ukrainische Dragqueen Verka Serduchka und viele Teilnehmer des diesjährigen ESC. Rund um den Strand hört man in diesen Tagen mehr Fremdsprachen als Hebräisch, und täglich reisen mehr Fans an.
Aber auch die Tel Aviver finden das Event ganz gut. Boaz Cohen gefällt vor allem die Atmosphäre, die Tel Aviv derzeit versprüht. »Es hat etwas sehr Kosmopolitisches und Fröhliches, das passt gut zu uns.« Er freut sich mächtig auf die Feiern im Eurovision-Dorf. »Denn eines kann Tel Aviv auf jeden Fall – eine grandiose Party schmeißen.« Seit Tagen schon gibt der Student, der nebenbei am Alma-Strand-Kiosk kellnert, Touristen Ausgehtipps. »Sie kommen meist als Paare oder in kleinen Gruppen zur Eurovision und zum Partymachen. Es ist ein prima Völkchen, sehr aufgeschlossen und gut drauf. Ich schicke sie in die Klubs oder Bars, die gerade angesagt sind. Daran mangelt es bei uns ja wirklich nicht.«
An einer 100 Meter langen Bar mit Meerblick können Israelis wie Touristen chillen.
Fans Wenn es nach der Stadtverwaltung Tel Aviv geht, wird die ganze Stadt zu einem einzigen ESC-Fanklub werden. Dafür soll vor allem das Eurovision-Dorf sorgen. Auf 60.000 Quadratmetern wird dort alles zu finden sein, wonach das Herz der Musikfans und Feierwütigen begehrt. Drei Wochen lang arbeiteten Hunderte Menschen an der Fertigstellung, verlegten 20.000 Quadratmeter Rasen, bauten, hämmerten und schraubten an Bühnen, Lichtinstallationen, Zelten und Ständen. Vom 12. bis 18. Mai treten dort insgesamt 200 israelische Musiker auf mehreren Bühnen auf, darunter Topstars wie Ivri Lider, Mosh Ben Ari, Maya Buskila, Ethnix. Auf vier riesigen Leinwänden werden das Halbfinale und das Finale ausgestrahlt.
An einer 100 Meter langen Bar mit Blick auf das Mittelmeer sollen sich Israelis wie Touristen kennenlernen und gemeinsam chillen. Verschiedene Lichtkünstler aus Europa lassen abends die Tel Aviver Strandsilhouette und den Hafen von Jaffa in ganz besonderen Farbtönen erstrahlen. Das Dorf soll die Atmosphäre der Stadt widerspiegeln, heißt es aus der Verwaltung. »Es gibt den Touristen einen Einblick in unseren Pluralismus, den Mix der Kulturen, die hier nebeneinander leben – gepaart mit den Stränden und dem warmen Wetter – jeden Tag bis spät in die Nacht.«
»EAT-Festival« Feiern macht hungrig, doch niemand muss hier mit knurrendem Magen tanzen. Direkt neben dem Dorf wird zum vierten Mal der Gourmetmarkt »Tel Aviv EAT« veranstaltet, bei dem Chefköche aus dem ganzen Land ihre Kreationen auf den Teller zaubern. An 85 Ständen bieten unter anderem Restaurants wie die von Chaim Cohen, Shaul Ben-Aderet und Aviv Mosche 500 verschiedene Gerichte an. Trotz des Labels »Gourmet« wird der Geldbeutel dabei nicht allzu sehr geschröpft: Ein Gericht soll etwa 35 Schekel (umgerechnet 8,50 Euro) kosten.
Direkt neben dem Dorf wird zum vierten Mal der Gourmetmarkt »Tel Aviv EAT«.
Damit sich die Gäste auch gut verständigen können, gibt es täglich um 17 Uhr einen kostenlosen Ulpan-Kurs im Dorf, der Hebräisch für Anfänger lehrt. Sätze wie »Schalom, ma nischma?« (Hallo, wie geht’s?), »Nahag, tafil et ha moneh, bewakascha!« (Fahrer, stellen Sie bitte das Taxameter an!) und obligatorischer Slang wie »Bassa«, »Sababa« und »Kapara Aleichem« – damit die Leute auch verstehen, was die Gewinnerin des Vorjahres regelmäßig von der Bühne ruft. Die quirlige Netta Barzilai wird natürlich auch im Dorf ihre Hits wie »Toy« und »Bassa Sababa« zum Besten geben.
Kreativität »Das Eurovision-Dorf bietet Städtern und Touristen einen einladenden Platz mitten in der Stadt«, verspricht Bürgermeister Ron Huldai. »Unsere wunderschönen Strände und die kulinarischen Köstlichkeiten runden das Ganze ab. Ich lade alle Menschen ein, herzukommen, um Musik, Kreativität und die Lust am Leben zu feiern, in unserer Stadt, die niemals schläft.« In den nächsten Tagen sicher noch weniger als sonst.