Ägypten hat mit der Ausbildung Hunderter Palästinenser für eine 10.000 Mann starke Truppe zur Sicherung des Gazastreifens bei einem »Tag-danach-Szenario« begonnen. Das berichtet das Wall Street Journal.
Ägyptische Regierungsvertreter erklärten, dass sich die arabischen Länder für eine Vision eines Nachkriegs-Gazastreifens ohne Hamas einsetzen. Das nordafrikanische Land hatte bereits vor einer Weile einen umfassenden Plan für Gaza nach dem Krieg vorgelegt.
Potenzielle Rekruten für die Sicherheitsgruppe hätten bereits mit der Ausbildung an ägyptischen Militärakademien begonnen, heißt es aus Kairo. Die meisten Palästinenser einer solchen zukünftigen Truppe werden voraussichtlich aus den Sicherheitsdiensten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) entsandt, einige könnten auch von der Fatah-Partei aus dem Gazastreifen kommen.
Signale für ein Kriegsende aus den USA
Die Vorbereitungen in Ägypten auf einen Nachkriegs-Gazastreifen fallen mit Signalen der USA zusammen, dass der Konflikt bald zu einem Ende kommen könnte. »Wir glauben, dass wir auf die eine oder andere Weise eine Einigung erzielen können, sicherlich noch vor Jahresende«, sagte US-Sondergesandter Steve Witkoff am Mittwoch in Washington.
Allerdings hat die israelische Regierung stets betont, dass sie eine Regierungs- oder Verwaltungsbeteiligung der PA im Gazastreifen ablehnt. Premierminister Benjamin Netanjahu und andere Koalitionsvertreter haben wiederholt erklärt, sie würden der PA nicht erlauben, die Macht in der Palästinenserenklave zu übernehmen.
Dieses Thema ist eine der hauptsächlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen der Regierung in Jerusalem und arabischen Ländern, die bereit sind, nach einem Ende des Krieges in Gaza zu helfen.
Immer offener sprechen sich in der letzten Zeit arabische Länder gegen die anhaltende Kontrolle der Hamas über den Streifen aus. Im vergangenen Monat forderte die 22 Mitglieder umfassende Arabische Liga die Terrororganisation erstmals auf, ihre Waffen abzugeben und ihre Herrschaft zu beenden.
Mahmoud al-Habbash: »Die Hamas sollte nicht Teil des Tages danach sein.«
»Die Hamas sollte nicht Teil des Tages danach sein«, erklärte auch Mahmoud al-Habbash, der Berater von PA-Präsident Mahmoud Abbas, der den Plan zur Ausbildung von bis zu 10.000 Sicherheitskräften bestätigte, im Wall Street Journal. Allerdings meint er: »Aber ohne die PA heißt es entweder Hamas oder Chaos.«
Al-Habbash fügte hinzu, dass eine erste Truppe von 5.000 Mann ab dem ersten Tag eines Waffenstillstands für sechs Monate nach Ägypten geschickt werden soll. Erwartungsgemäß lehnt die Hamas das Vorhaben ab, der von der Gruppe die Aufgabe jeglicher militärischer und politischer Kontrolle über Gaza verlangt.
Netanjahu hat bereits öfter angedeutet, dass für die Zukunft Gazas regionale Partnerschaften, insbesondere mit Ägypten und der Palästinensischen Autonomiebehörde, erforderlich sein könnten, um die Zukunft des Gazastreifens zu gestalten. Eine Regierungs- oder Verwaltungsbeteiligung der PA schließt er jedoch aus. Ägypten könne seinen Angaben nach eine bedeutende Rolle bei der Verhinderung der Wiedererrichtung der Hamas in der Region spielen.
Trotz dieser Äußerungen bleibt die Regierung hinsichtlich eines konkreten und langfristigen Plans für den Gazastreifen nach dem Konflikt nur vage. Ihre Aussagen beziehen sich meist auf Sicherheitsziele – die Niederlage der Hamas, die Rückkehr der Geiseln und die Gewährleistung der Sicherheit Israels. Einen detaillierten Plan für die Zukunft Gazas, wie etwa den ägyptischen, hat die Koalition indes weder anerkannt noch einen eigenen herausgegeben.
Dies wird im In- und Ausland oft kritisiert. Beobachter sind der Meinung, ein Mangel an klarer Planung könne zu einem Machtvakuum, mehr Instabilität und dem Potenzial für einen weiteren Kreislauf der Gewalt im Gazastreifen führen.
Angeblich stimmte Hamas 98 Prozent der Forderungen zu
Derzeit existiert ein Vorschlag für einen Waffenstillstand und die Befreiung von zehn lebenden und einigen toten Geiseln. Angeblich habe sich die Hamas einverstanden erklärt, 98 Prozent der Forderungen Israels zu akzeptieren, hieß es am Mittwoch in einem Nachrichtenbericht des israelischen Senders Kanal 12.
Demzufolge hätten »hochrangige Persönlichkeiten in Ägypten« den israelischen Kollegen ihre »Enttäuschung, Frustration und Wut« darüber zum Ausdruck gebracht, dass Israel auch nach acht Tagen noch nicht auf den jüngsten Vorschlag für einen Waffenstillstand und eine Freilassung der Geiseln reagiert hat, den die Hamas angeblich angenommen hat.
»Mit erheblichem Druck haben wir die Hamas dazu gebracht, 98 Prozent von Netanjahus Forderungen zuzustimmen, aber Israel hat uns bisher keine angemessene Antwort gegeben«, zitierte der Fernsehbericht anonyme hochrangige ägyptische Beamte. »Und nun hören wir nur, dass Netanjahu etwas anderes will.«
Der Anführer der Opposition, Yair Lapid, bestätigte, dass ihn hochrangige Vermittler des Geiselnahme-Waffenstillstandsabkommens angerufen und gefragt hätten, ob er wisse, warum der Premierminister noch nicht auf den jüngsten Vorschlag für eine Einigung reagiert habe.
Netanjahu habe, nachdem er sich zuvor für weitere schrittweise Waffenstillstands- und Geiselfreilassungsabkommen ausgesprochen hatte, nun den Kurs geändert. Jetzt wolle er nur noch ein umfassendes Abkommen akzeptieren, in dem alle von der Hamas festgehaltenen 50 Geiseln sofort freigelassen werden.
Auch einige Angehörige der verschleppten Menschen wollen keinen Teildeal, sondern verlangen eine Freilassung von allen Geiseln auf einmal. 20 Geiseln in der Gewalt der Hamas sollen noch am Leben sein.