Trauer

Orias Licht ist erloschen

7. November - Tel Aviv Foto: Sabine Brandes

Sie strahlt in die Kamera, auf dem Kopf eine pinkfarbene Mütze. So kannte man Oria Litman. Fröhlich und lebensbejahend, mit einem ansteckenden Lachen. Am 6. Oktober tanzte sie mit Freunden auf einer Party, am 7. Oktober wurde sie erschossen, am 10. Oktober fand man ihren Leichnam unter einem Baum.

Dort wollte sie sich verstecken, um zu überleben. Doch es gab kein Entkommen für die 26-Jährige. Sie wurde wie mindestens 260 andere unschuldige Menschen auf dem Nova-Musikfestival in Israels Süden von Hamas-Terroristen gnadenlos gejagt, gefoltert und getötet. Orias Name bedeutet »Licht Gottes«. Die Mörder haben es ausgelöscht.  

Orias Vater hörte seine Tochter sterben. »Aba, sie schießen von überall her«, flüsterte sie ins Telefon, als sie ihn während der Attacke von ihrem Mobiltelefon anrief. »Aba, komm nicht her, dann wirst auch du erschossen. Aba, weißt du, wie sehr ich dich liebe…« Dann war die Leitung tot. »Es war 8.44 Uhr. Und ich habe nie wieder von meiner Oria gehört.« Drei Tage später wurde ihr Leichnam gefunden. An dem Baum, unter dem sie Schutz gesucht hatte. »Es gibt keine Worte mehr. Nichts ist mehr relevant.« Immer wieder schaue der Vater das Profilbild seiner Tochter bei WhatsApp an. »Nur da sehe ich ihr leuchtendes Gesicht. Es kommt nie mehr wieder.«

Schiwa ist Hebräisch für den siebten Tag und die Trauerwoche

Der trauernde Vater trägt ein schwarzes T-Shirt, als er auf der Bühne des Charles-Bronfman-Auditoriums in Tel Aviv spricht. Darauf ist in hebräischen Lettern »Schiwa be’Oktober« gedruckt. Schiwa ist Hebräisch für den siebten Tag und beschreibt auch die jüdische Tradition des Trauerns die eine Woche andauert. »Für uns ist die Schiwa endlos.«

An diesem Abend ist es genau einen Monat her, als über 2000 Terroristen der Hamas aus dem Gazastreifen nach Israel strömten und Massaker an der Zivilbevölkerung anrichteten, mehr als 1400 Menschen töteten, Tausende verletzten, und über 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppten.

Im ganzen Land wurden Kerzen zum Gedenken an die gefallenen Soldaten, die ermordeten Zivilisten und die Entführten angezündet, Mahnwachen, Gebete und Protesten abgehalten. Große Gedenkveranstaltungen fanden in Eilat und am Toten Meer statt, wo viele der Überlebenden aus den am stärksten betroffenen Städten und Kibbuzim des Südens seit ihrer Rettung leben.

»Ich rufe ganz Israel auf, zu kommen, uns beizustehen und auf dem Weg zum Aufbau neuer Hoffnung und Gleichheit zu begleiten.«

maoz yinon

An der Kotel in Jerusalem fand eine große Mahnwache statt, bei der für die Freilassung der Geiseln gebetet und der Opfer gedacht wurde, deren Leben auf brutale Weise beendet wurde. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer weinten und sangen, als sie sich an der heiligen Stätte in der Altstadt der Hauptstadt versammelten und zum Gedenken eine »Fackel des Lebens« entzündeten.

Auch vor der Knesset fanden Gedenkfeiern statt, bei denen einige auch gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu protestierten und seinen Rücktritt forderten. Wie Maoz Yinon, dessen Eltern Bilha und Yaakov im Kibbutz Netiv Ha’asara getötet wurden. Er trat bei der Veranstaltung auf die Bühne und versprach, bis zum Sturz der Regierung in einem Zelt vor der Knesset zu sitzen: »Ich rufe ganz Israel auf, uns beizustehen und auf dem Weg zum Aufbau neuer Hoffnung und Gleichheit zu begleiten.«

Das absolute Grauen lässt die Menschen und Städte verstummen

In Tel Aviv saßen Hunderte vor dem Habima-Theater, viele in Israel-Flaggen gehüllt, vor sich auf dem Boden eine brennende Kerze. Sie schwiegen und weinten. »Das absolute Grauen, das sich an dem dunkelsten Tag in der Geschichte des Landes abgespielt hat, lässt uns verstummen«, sagte eine Frau. In der Tat herrscht in den israelischen Städten, Dörfer und Kibbutzim eine Stille, die es so noch nie gab.

Tal Grushka war ein ruhiger Mensch. Offizier in einer Kampfeinheit, Pianist und Poet. Er fiel am ersten Tag im Kampf gegen die Hamas. »Tal war es immer unangenehm, wenn man über ihn sprach«, erinnerte seine Schwester an ihn. »Du hast lieber geschrieben.«

Als Offizier und als Anführer sei er seinen untergebenen Soldaten stets auf Augenhöhe begegnet, immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht. »Kampfsoldat zu sein war eine Tradition bei uns. Natürlich gehe ich. Wir müssen nach Gaza. Natürlich gehe ich. Denn wir haben kein anderes Land.« Diese Worte von Tal Grushka, die er kurz vor seinem Einsatz aufschrieb, las seine Schwester vor und endete: »Tal, mein Liebster. Danke, dass du uns beschützt hast. Tal, ich salutiere dir.«

Gerhard Conrad

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