Pilotprojekt

Nur Fliegen ist schneller

Wer wünscht sich nicht, ihm würden Flügel wachsen, wenn wieder einmal gar nichts mehr geht? Kilometerlange Staus auf israelischen Straßen gehören zum Alltag und rauben viel Zeit und den letzten Nerv. Mit dem Fliegen wird es auf der Strecke von Jerusalem nach Tel Aviv auch jetzt noch nichts, dennoch gibt es eine Lösung. Auf der mehrspurigen Autobahn ist links eine neue Sonderspur eingerichtet worden, die sogenannte »Fast Lane«. Fahrer müssen sich im Voraus registrieren und bei Benutzung eine Gebühr zahlen. Das System hierfür – das erste, das eine Mindestverkehrsqualität als Gegenwert für die Bezahlung der Maut garantiert – entwickelten Experten von Siemens Mobility in München.

Das Pilotprojekt auf der Autobahn Nummer 1 soll dem ewigen Stau während der Rush Hour am Eingang zur Metropole Tel Aviv endlich ein Ende machen. Es könnte Vorreiter für Projekte in anderen Städten im ganzen Land sein. Die Fast Lane verläuft auf einer Länge von rund zwölf Kilometern vom Autobahnkreuz Lod bis zur Kreuzung Kibbuz Galuyot. Noch eine Neuheit in Israel: Im Verlauf der Fast Lane wurde ein großer Parkplatz für Park-and-Ride-Services eingerichtet. Hier können Pendler ihre Autos abstellen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen oder Fahrgemeinschaften bilden. Die Baukosten für das Gesamtprojekt betrugen 400 Millionen Schekel, umgerechnet etwa 80 Millionen Euro.

Innovation Doch nicht die Spur selbst ist das Herausragende an dieser Innovation, sondern das einzigartige System der Mautberechnung. »Es ist das Kernstück«, weiß Martin Bode, verantwortlich für die weltweiten Projekte von Siemens in Sachen intelligente Verkehrslösungen. Die Benutzungsgebühr werde entsprechend des Aufkommens der Fahrzeuge ausgerechnet. Detektoren entlang der Strecke erfassen hierfür den Verkehrsstrom.

Ist nicht viel auf den Straßen los, ist es günstig, auf die Fast Lane zu fahren. Mit zunehmender Dichte des Verkehrs steigt auch der Preis. Die Gebühr beginnt bei umgerechnet 1,20 Euro für eine Fahrt und kann bei Stau rund vier Euro oder sogar mehr kosten. »Die Maut richtet sich also nach Angebot und Nachfrage nicht nur auf dem Highway, sondern – und das ist weltweit das Neue – auch auf der Fast Lane«, so Bode, »und somit ist immer für Fluss auf der Sonderspur gesorgt«.

Algorithmus Entwickelt wurde der komplexe Algorithmus zur Ermittlung der dynamischen Gebühr vom Siemens-Verkehrsexperten Thomas Sachse. Zur wissenschaftlichen Begleitung holte Projektleiter Klaus Overkamp die Technische Universität München mit ins Boot. Gemeinsam mit dem israelischen Kunden Orad Hi-Tec-Systeme wurden im Voraus mehr als zwei Jahre lang umfangreiche Simulationen zur Wirksamkeit der Fast Lane durchgeführt.

»Am Ende stand ein hochkomplexer Algorithmus, der heute das Herz der Anlage bildet«, sagt Bode nicht ohne Stolz. Seines Wissens nach gibt es auf der Welt bislang kein anderes vergleichbares System. Mautstraßen in den USA etwa würden nur nach festen vorgegebenen Regeln die Gebühr anpassen. Die Verkehrsexperten von Siemens Mobility sind von ihrer Technologie überzeugt, die auch für andere verstopfte Metropolen in allen Ecken der Welt eine Lösung sein könnte.

Besonderheiten für den israelischen Markt existierten nicht, jedoch berichtet Bode von einigen Verzögerungen während der Projektlaufzeit aus baulichen und anderen Gründen.

Begonnen wurde mit der Planung 2006, die ersten Autos konnten vor einigen Tagen auf der Fast Lane nach Tel Aviv düsen. »Wie in fast jeder Großstadt gab es auch hier die üblichen Probleme mit täglichen Staus. Vorteilhaft war, dass es den Platz und die baulichen Möglichkeiten einer Sonderspur gab.«

Zeitgewinn Vor der Einfahrt der Fast Lane zeigt ein Schild über der Straße die aktuelle Gebühr an. Die Nummernschilder der Benutzer werden von Kameras aufgenommen, einige Tage später dann flattert die Rechnung ins Haus.

Dan Biton ist ständig auf dieser Strecke unterwegs, er wohnt in Modiin und pendelt jeden Tag zu seiner Arbeitsstelle im Zentrum von Tel Aviv. Noch ist er allein unterwegs, doch schon bald will er mit Kollegen eine Fahrgemeinschaft gründen und sein Auto beim Park-and-Ride stehen lassen. »So ein System war überfällig für diesen Flaschenhals, es ist wirklich großartig. Ich spare so jede Menge Zeit und muss mich nicht schon morgens über den endlosen Stau ärgern.«

Vor einigen Tagen habe er es in fünf Minuten ins Zentrum geschafft, sein Kollege brauchte auf der normalen Spur eine dreiviertel Stunde. »Danach haben wir beschlossen, zukünftig gemeinsam zu fahren.« Die Tatsache, dass der Preis dynamisch ist, findet der Angestellte in der Hightech-Branche sinnvoll. »Ich kann sehen, wie viel es gerade kostet und mich dann entscheiden, ob es sich lohnt daraufzufahren, oder ob ich auf der gewöhnlichen Autobahn bleibe, weil die gerade einmal frei ist.«

Meinung

Israel: Keine Demokratie ohne Pressefreiheit

Den Armeesender abschalten? Warum auch jüdische Journalisten in der Diaspora gegen den Plan von Verteidigungsminister Katz protestieren sollten

von Ayala Goldmann  14.11.2025

Nahostkonflikt

Indonesien will 20.000 Soldaten für Gaza-Truppe bereitstellen

Der US-Plan für die Stabilisierung des Küstenstreifens sieht eine internationale Eingreiftruppe vor. Einige Staaten haben bereits Interesse bekundet

 14.11.2025

Geiseldeal

Hamas übergibt Leichnam von Meny Godard

Der 73-jährige Großvater wurde am 7. Oktober im Kibbuz Be’eri von Terroristen der Hamas ermordet und in den Gazastreifen entführt

 14.11.2025

Israel

Altkanzlerin Merkel besucht Orte der Massaker

Angela Merkel besuchte den Ort des Nova-Festivals und den Kibbuz Nahal Oz

 13.11.2025

Waffenruhe

Hamas und Islamischer Dschihad wollen Geisel-Leichnam übergeben

Die Terroristen haben noch die sterblichen Überreste von vier Geiseln in ihrer Gewalt

 13.11.2025

Tel Aviv

Noa Kirel und Daniel Peretz heiraten mit »kleiner Feier«

Die Sängerin und der HSV-Torwart standen in Jaffa unter großen Sicherheitsvorkehrungen unter der Chuppa

von Nicole Dreyfus  13.11.2025

Westjordanland

Israel: Rund 40 Hamas-Mitglieder in Betlehem festgenommen

Israelische Einsatzkräfte wollen Anschlagspläne mit möglicherweise vielen Toten gestoppt haben: Was hinter der Festnahme Dutzender Hamas-Mitglieder steckt

 13.11.2025

Westjordanland

Jüdische Siedler zünden Moschee an

Nur einen Tag nachdem Israels Präsident Herzog und hochrangige Vertreter der Armee Angriffe gewalttätiger Siedler verurteilt hatten, schlugen diese wieder zu

 13.11.2025

Diplomatie

Israel drängt Merz auf Ende des Teilwaffenembargos

Der Bundeskanzler hatte am 8. August angeordnet, keine Güter auszuführen, die im Krieg gegen die Hamas verwendet werden könnten

 13.11.2025