Knesset

Neue Koalition unter Pfiffen vorgestellt

Benjamin Netanjahu beim Einschwören der 37. Knesset Foto: Flash90

Die 37. Regierung in Jerusalem ist vereidigt. Es ist die rechteste Regierung, die Israel in seiner Geschichte jemals hatte. Sie besteht aus dem rechtsgerichteten Likud, den zwei ultrarechten Parteien Otzma Jehudit, Religiöser Zionismus sowie den ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereintes Tora-Judentum.

Bevor er der Knesset seine Regierung vorstellte, präsentierte der Langzeit-Premierminister Benjamin Netanjahu dem Plenum seine Agenda unter Buhrufen und Pfiffen aus der jetzigen Opposition. Es ist seine dritte Wiederwahl.

MISSIONEN Netanjahu gab drei große Missionen für die Koalition an: Man wolle das iranische Atomprogramm stoppen, die staatliche Infrastruktur entwickeln, mit Schwerpunkt auf der Verbindung der Peripherie mit dem Zentrum, sowie die innere Sicherheit und Regierungsführung wiederherstellen. Darüber hinaus werde die neue Koalition es mit den hohen Lebenshaltungskosten aufnehmen und die Bildung verbessern.

Von den Bänken der eingehenden Opposition skandierten die Abgeordneten »Schwach! Schwach!« mit Bezug auf den Korruptionsprozess, der Netanjahu derzeit in drei Fällen in Jerusalem gemacht wird. Der neue Ministerpräsident beschuldigte die Parlamentarier, die Ergebnisse der Wahlen vom 1. November nicht zu akzeptieren. »Ich brauche Ihre Schreie nicht zu hören, um zu wissen, dass wir Meinungsverschiedenheiten haben. Aber wir sind uns einig darin, dass Wahlen zu verlieren nicht das Ende der Demokratie ist. Es ist das Wesen der Demokratie.«

»In einer Demokratie klettern wir nicht über die Zäune des Kapitols und nicht über die Zäune der Knesset.«

Premierminister benjamin Netanjahu

In Anlehnung an die Geschehnisse des 6. Januar in den USA führte er aus: »In einer Demokratie klettern wir nicht über die Zäune des Kapitols und nicht über die Zäune der Knesset«. Er beendete seine Rede damit, dass er sich eine Kipa aufsetzte und das Schehechejanu-Gebets für einen Neuanfang rezitierte. Anschließend stellte er seine Koalition vor, die mehr als 30 Mitglieder umfasst.

Darunter sind die umstrittenen Politiker Itamar Ben-Gvir von der rechtsextremen Partei Otzma Jehudit, der Minister für innere Sicherheit wird, und der Vorsitzende des Religiösen Zionismus Bezalel Smotrich, der das Amt des Finanzministers übernehmen wird. Smotrich wird gleichzeitig ein Ministeramt im Verteidigungsressort erhalten, mit dem er die Kontrolle über das palästinensische Westjordanland ausüben kann. In seiner Rede vor der Knesset ließ er wissen, er plane, »unseren Einfluss auf das Heimatland zu regulieren und zu stärken«.

Während der Vorstellung der Koalition demonstrierten mehr als tausend Menschen gegen die Hardliner-Regierung vor der Knesset. Die Mitte-Links-Demonstranten hielten Schilder mit Parolen gegen Rassismus und Korruption in die Höhe und beschuldigten Netanjahu, gemeinsam mit Ben-Gvir und Smotrich, »die Demokratie zu zerstören«.

Schon in den Wochen vor der Vereidigung hatte die Regierung wegen der Beteiligung der beiden rechtsextremen Parteien scharfe Kritik aus breiten Teilen der Bevölkerung und aus dem Ausland heraufbeschworen. Vor allem Menschenrechts- und LGBTQ-Gruppen äußerten ihre Sorge über die Einschränkung ihrer Rechte und die Ausweitung der Religiosität in Israel.

»Ich übergebe den Staffelstab der Regierung mit unruhigem Herzen.«

ex-Premier yair lapid

Netanjahu betonte, dass Israel weder »eine Theokratie« werde noch Rechte von Minoritäten eingeschränkt wolle. Bei der Vereidigung stellte er den offen homosexuellen neuen Knesset-Sprecher Amir Ohana (Likud) und seinen Lebensgefährten Alon Haddad vor. Ein sicher bewusster Schritt angesichts der Ängste in Teilen der Bevölkerung.

ERRUNGENSCHAFTEN Der scheidende Premier Yair Lapid von Jesch Atid, der zuletzt auf dem Chefsessel saß, beschrieb die Errungenschaften seiner Koalition detailliert, um »eine Umschreibung der Geschichte« zu verhindern, wie er sagte. Er nannte unter anderem den Kampf gegen eine iranische Atombombe, vertiefte Beziehungen zu Israels Partnern des Abraham-Abkommens, den Deal zu maritimen Grenzen mit dem Libanon, Erfolge gegen Terrorgruppen im Gazastreifen und eine intensive Operation im Westjordanland.

Lapid betonte, dass seine Regierung »Grundlagen für den vollständigen Beitritt Saudi-Arabiens zu den Abraham-Abkommen gelegt hat« und hob die Unterzeichnung der Jerusalem-Erklärung mit US-Präsident Joe Biden hervor. Dann übergab der Premierminister der größten Koalition, die jemals das Land regierte, den Staffelstab der Regierung »mit unruhigem Herzen«.

Meinung

Für das Leben entscheiden

Die Fortführung der Kampfhandlungen in Gaza gefährdet das Leben der Geiseln und den moralischen Fortbestand Israels. Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden

von Sabine Brandes  16.09.2025

Genf

UN-Kommission wirft Israel Genozid vor

In einem Bericht ist von vier erfüllten Tatbeständen des Völkermords die Rede. Die Weltorganisation verweist auf »das Verhalten politischer und militärischer Behörden«

 16.09.2025

Sarah Cohn-Fantl auf einem Gelände, auf dem Hilfslieferungen für Gaza lagern

Gaza

Hilfspakete so weit das Auge reicht

Nur selten lässt Israel Journalisten in das Kriegsgebiet. Unsere Autorin war vergangenen Mittwoch bei einer von der Armee begleiteten Fahrt am Rande des Küstenstreifens dabei und berichtet von ihren Eindrücken

von Sarah Cohen-Fantl  16.09.2025

Nahost

Bericht: Netanjahu informierte Trump vor Angriff in Doha

Der israelische Ministerpräsident soll den US-Präsidenten fast eine Stunde vor der Attacke auf Hamas-Führer unterrichtet haben. Trumps Version der Ereignisse klang dagegen ganz anders

 16.09.2025

Jerusalem

Rubio äußert Zweifel an diplomatischer Lösung für Gaza-Krieg

Der US-Außenminister trifft in Israel Vertreter des Landes. In einem Interview äußert er sich dort zu den Chancen für ein Ende des von der Hamas begonnenen Krieges

 16.09.2025

Nahost

Gaza-Stadt: Bodenoffensive der IDF beginnt

Während die israelische Armee vorrückt, protestieren dagegen Angehörige von Geiseln vor der Residenz Netanjahus in Jerusalem

 16.09.2025

Nahost

Bericht: Mossad verweigerte Doha-Angriff

Dem Luftangriff gegen die Hamas-Anführer in Katar gingen offenbar schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierung und Geheimdienst voran

von Sabine Brandes  15.09.2025

Gazakrieg

Wie sich Emily Damari den Terroristen widersetzte

Die ehemalige Geisel hat in London über ihre Gefangenschaft in Gaza gesprochen und darüber, wie sie trotz schrecklicher Bedingungen eine »aktive Rolle« einnehmen konnte

 15.09.2025

Nahost

Netanjahu nennt Kritik nach Angriff in Katar »Heuchelei«

US-Außenminister Rubio trifft nach Israels Angriff auf die Hamas in Katar Netanjahu. Die USA wollen laut Rubio »unabhängig davon, was geschehen ist« weiterhin die drängenden Probleme der Region lösen

 15.09.2025