Medien

»Mit eigenen Augen sehen«

Der Reporter bei einer Liveschalte vom Ort des Nova-Festivals, auf dem am 7. Oktober 2023 Hunderte Menschen ermordet wurden Foto: WeltN24 GmbH

Herr Schwarzkopf, Sie sind für Ihre Berichterstattung aus Israel und der Ukraine mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet worden. Inwiefern unterscheidet sich die journalistische Arbeit in diesen Kriegs­regionen?
Ein großer Unterschied ist, dass ich persönlich in Israel aufgrund der menschlichen Schicksale, über die wir berichten, mehr involviert war und bin. Wir haben Angehörige, deren Familienmitglieder in Geiselhaft waren, über Wochen und Monate begleitet. Da wird man automatisch mit hineingezogen, wenn man die Menschen näher kennenlernt, ihre Emotionen und Hoffnungen miterlebt. In der Ukraine ist das fast ein bisschen abstrakt. Man macht Frontberichterstattung, trifft Soldaten, natürlich auch Betroffene. Aber dort begleite ich nicht eine Familie über Monate. In gewissem Maße ist es ähnlich, was man erlebt. Beides sind kriegerische Auseinandersetzungen. Aber aufgrund der persönlichen Erlebnisse nimmt einen das als Reporter in Israel doch mehr mit.

Wie geht man damit um, wenn man solche Szenen in der Ukraine, aber vor allem auch in Israel gesehen hat?
Ich habe früher einmal behauptet, dass ich das so ein- und ausschalten kann. Auf der einen Seite habe ich mein privates Leben, dann gehe ich in den Job, wo ich viel Leid und Tod sehe. Ich mache meine Reportagen und Interviews. Und am Abend lasse ich das alles an mir abprallen. Ich glaube, wenn ich jetzt ganz ehrlich bin, dann muss ich schon zugeben, dass das über all die Jahre und Jahrzehnte, in denen ich das gemacht habe, eben doch nicht so spurlos an mir vorbeigegangen ist. Es ist jetzt nicht so, dass da Albträume sind oder irgendwelche Bilder immer wieder zurückkehren. Aber ich glaube, dass ich mit der Zeit unruhiger geworden bin und einfach auch schlechter schlafe. Das hat doch viel mit dem zu tun, was ich erlebt habe, und dass man auch unter der ständigen Belastung steht. Insofern glaube ich, wenn ich ehrlich bin, stecke ich das eben doch nicht so weg, wie ich immer gedacht habe.

Was macht den Unterschied aus, wenn manche Medien nur aus dem Studio oder der Redaktionsstube und andere direkt vom Ort des Geschehens berichten?
Wir haben jetzt beispielsweise eine Umfrage in Tel Aviv gemacht, bei der Menschen berichten, wie sehr sie die Ereignisse des 7. Oktober 2023 noch immer bewegen. Sie erzählen, dass sie teilweise schlecht schlafen, dass sie glauben, wenn sie ein lautes Geräusch der Müllabfuhr hören, dass die nächste Rakete eingeschlagen ist. Andere erzählen, dass sie sich mit Freunden treffen und dabei immer noch welche fehlen, die definitiv nicht mehr zurückkommen. Ich glaube, dass es einen großen Unterschied macht, ob die Dinge aus Deutschland beurteilt werden oder ob man das Geschehen mit eigenen Augen sieht. Und Reporter, die vor Ort sind, wissen größtenteils gut, wie die Lage einzuschätzen ist. Das ist dann auch nur fair, wenn man beispielsweise – was wir tun – auch ins Westjordanland geht und dort mit den Menschen spricht.

Haben Sie den Eindruck, dass aus Israel objektiv berichtet wird?
Ich unterstelle einmal, dass die meisten Journalisten, die ich kenne, wirklich saubere journalistische Arbeit machen. Aber es gibt eine gewisse Tendenz, auf der einen Seite eine übermächtige Militärmacht und auf der anderen Seite eher mittel- oder hilflose Staaten oder Organisationen darzustellen. Und wenn Israel dann sagt, dass es nicht sein kann, dass über 60.000 Menschen nicht nach Hause zurückkehren können oder Kinder beim Fußballspielen ums Leben kommen, und sich dann wehrt, dann hält man Israel für den Aggressor. Ich kann das persönlich schwer erklären, um ehrlich zu sein.

Ein Jahr lang berichteten die Medien kaum aus dem Norden Israels, wo seit dem 8. Oktober 8500 Hisbollah-Raketen niedergegangen sind. Hingegen macht der israelische Beschuss des Libanon sofort Schlagzeilen. Woher kommt diese Schieflage?
Ich glaube, dass da einige Kolleginnen und Kollegen nur die eine Seite sehen wollen und dann fragen, warum Beirut von Raketen getroffen wird und dort Unschuldige sterben, die auch einen Hassan Nasrallah als Widerstandskämpfer und nicht als Terroristen sehen. Und vielleicht hat man sich auch schon ein wenig an die Situation gewöhnt, wenn ein Jahr lang Raketen fliegen und man weiß, Israel fängt die Geschosse doch meistens ab.

Zu den Unternehmensgrundsätzen des Springer-Konzerns gehören die Unterstützung des jüdischen Volkes und des Existenzrechts des Staates Israel. Berichtet »Welt« deshalb anders als andere Medien über die Region?
Die Politik des Hauses ist da sehr klar, dass man vor dem Hintergrund der Geschichte eine besondere Verpflichtung gegenüber dem jüdischen Volk und dementsprechend Israel hat. Aber gleichzeitig haben wir als Reporter freie Hand. Es gibt keinen Chefredakteur oder Vorstandsvorsitzenden, der sagt, wie man berichten soll. In meinen Job als Reporter redet mir niemand hinein.

Verschiedene Medien beklagen, dass journalistische Arbeit in Israel unter anderem durch das Militär nur eingeschränkt möglich ist. Ist das auch Ihre Erfahrung?
Man hat keine Beschränkung, wenn man irgendwo drehen will. Es sei denn, es handelt sich um militärische Sperrgebiete. Das ist überall auf der Welt so. Gleichzeitig bieten Armeesprecher teilweise von sich aus Drehs und Interviews an, selbstverständlich auch, weil sie gern die eigene Interpretation der Dinge an den Mann bringen wollen. Aber es gibt keine Zensur in irgendeiner Art und Weise und auch nie einen ernst gemeinten Versuch, tatsächlich zu reglementieren. Also, um die Frage klar zu beantworten: Die Arbeitsmöglichkeiten sind frei.

Mit dem Chefreporter der »Welt« sprach Detlef David Kauschke.

Naher Osten

Herzog: Ziehen USA nicht in Krieg mit Iran

«Wir haben nicht die Absicht und wir fordern nicht, dass Amerika jetzt in den Krieg zieht, weil die Iraner Israel bedrohen«, so der israelische Präsident

 22.06.2025

Nahost

Israel hebt Schließung des Luftraums auf

Ab 14 Uhr Ortszeit dürfen am Flughafen Ben Gurion wieder Flieger starten und landen

 22.06.2025

Krieg gegen Iran

USA warfen 14 bunkerbrechende Bomben auf Atomanlagen ab

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth informierte bei einer Pressekonferenz über die Angriffe

 22.06.2025 Aktualisiert

Kommentar

God bless America!

Die USA lassen Israel im Iran nicht allein die »Drecksarbeit« machen, nicht nur, weil sie hinter dem Existenzrecht des jüdischen Staates stehen, sondern, weil auch unsere Sicherheit durch das Teheraner Regime bedroht ist

von Rafael Seligmann  22.06.2025

Gaza

Leichen von drei Geiseln geborgen

IDF bringt die von der Hamas ermordeten Israelis Jonathan Samerano, Ofra Keidar und Shay Levinson nach Hause

von Sabine Brandes  22.06.2025

Kommentar

Regime Change im Iran? Totgesagte leben länger

Auch jene, die dem Regime feindlich eingestellt sind wissen, dass eine erneute Revolution durchaus schlimmeres hervorrufen kann. Auch deshalb braucht es einen Plan, meint Nathan Peres

von Nathan Peres  22.06.2025

Diplomatie

Europäer nach US-Angriff auf Iran düpiert

Noch am Freitag hatten die Außenminister Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands und der EU versucht, Iran mit diplomatischen Mitteln vom Atomprogramm abzubringen

von Jörg Blank  22.06.2025

Krieg gegen Iran

Angela Merkel: Israel muss sich wehren können

Die Altkanzlerin hat auch eine Meinung zum Nahost-Konflikt. Das Recht Israels, sich gegen eine Auslöschung zur Wehr zu setzen, steht für sie außer Frage

 22.06.2025

Naher Osten

So reagieren Israels Nachbarn auf den US-Angriff auf das Atomprogramm

Die Angriffe dürften das Machtgefüge in der Region verändern

 22.06.2025