Tour

Messianischer Zirkus

Große Geste: Glenn Beck bei Dreharbeiten vor der Jerusalemer Altstadtmauer Foto: Flash 90

Für 5.690 Dollar durften sie dabei sein. Ein stolzer Preis für ein paar Tage Israel. Doch seine Anhänger zahlen ohne Widerworte, die Website für die Reiseanmeldung war ob des Andranges mehrfach zusammengebrochen.

Und dann waren sie da: Busladungen ultrakonservativer Christen, die ihrem Idol auf seiner Tour durchs Heilige Land folgten. Nach seinem Rauswurf beim rechtsgerichteten US-Fernsehsender Fox News tingelte der höchst umstrittene Stimmungsmacher Glenn Beck durch Israel. Was er wollte? Den Mut wiederherstellen. So jedenfalls lautete sein Motto.

Beck ist für vieles bekannt, vor allem für seine extremen Äußerungen und nebulösen Verschwörungstheorien. Seine »Liebe zum Staat der Juden« indes ist neu. Vor Jahren konvertierte er zum Mormonentum, davor war er erfolgloser DJ und drogenabhängig. Der Wandel hat sich ausgezahlt: Heute ist er Multimillionär.

Weltsicht An vier Abenden gab er seine Weltsicht in verschiedenen israelischen Städten in typischer Beck-Manier zum besten. Die »Restoring Courage Show« war jedes Mal Dasselbe: 2.000 bis 3.000 Fans hingen an seinen Lippen, während er sich in einem Mix aus Durchhalteparolen, Politik, religiösen Prophezeiungen und Emotionen ergoss. Aus dem einstigen politischen Agitator ist ein messianischer Prediger geworden. Alles inklusive: »Hoffnung – Glaube – Gott«, Schreie, Hände gen Himmel und die obligatorischen Tränen.

Vordergründig war der US-Radiotalker gekommen, um seine Freundschaft mit Israel unter Beweis zu stellen. Tatsächlich betonte er laut und oft, welch treuer Unterstützer Zions er sei. Sein Freund, der amerikanische Pastor und Endzeit-Prediger John Hagee, trat neben ihm in Caesarea auf und verkündete mit zitternder Stimme: »Ani Israeli« – »Ich bin Israeli«. Der perfekte Moment für die Zuschauer aufzuspringen, um es ihm gleichzutun. »Ani Israeli« tönte es so laut aus 3.000 Kehlen, dass die Wände des antiken Amphitheaters zitterten.

Kritik Wer sich mit Becks Werdegang beschäftigt, der weiß, dass dieser Mann kaum etwas aus reiner Nächstenliebe tut, sondern mit jeder Menge Kalkül unterwegs ist. Kritiker bezeichnen seine plötzliche Unterstützung für Israel als äußerst dubios. Hatte er sich doch bis vor Kurzem vor allem durch seine antisemitischen Ausfälle einen Namen gemacht.

Über den liberalen Philanthropen und Holocaust-Überlebenden George Soros verbreitete er die infame Lüge, er sei ein »Nazi-Kollaborateur« gewesen, »der half, Juden in die Gaskammern zu schicken«. Er bezeichnete ihn als »manipulativen Drahtzieher, der willentlich die amerikanische Wirtschaft zerstört«.

Über die Medienindustrie in den USA sagte er, sie sei »von Juden unterwandert«. Beck nährte mehr als einmal Verschwörungstheorien des Weltjudentums in klassischer antisemitischer Form. »Das reformierte Judentum«, erklärte er dann auch noch, »ist fast so schlimm wie radikalisierter Islam«.

Der Präsident der Union für das Reformjudentum, Rabbiner Eric Yoffie, warnte, Beck sei sehr extrem und kontrovers – sogar unter rechten Gruppen in den USA. Als Beispiel nannte er die Kündigung des Senders Fox. Der hatte Becks Show nach wiederholten verbalen Ausfällen gegen Juden und den US-Präsidenten Barack Obama abgesetzt. Seymour Reich, ehemaliger Vorsitzender der Präsidentenkonferenz verschiedener US-jüdischer Organisationen, geht davon aus, dass Beck Israel lediglich »auf dreiste Weise ausnutzt, um seinen Ruf wiederherzustellen«.

Das mit dem Ruf ist ja bekanntlich so eine Sache. Becks neueste Ausfälle reichen von einem Vergleich der israelischen Protestanten für soziale Gerechtigkeit mit Sowjet-Gebaren. Die bei dem Massaker vom Juli getöteten Jugendlichen in Norwegen bezeichnete er als »Hitlerjugend«, weil sie in einem sozialdemokratischen Ferienlager waren. Der Orkan, der dieser Tage über die Ostküste Amerikas fegte, sei »Gottes Segen«.

Doch seine Sätze sind keine verbalen Patzer, keine einmaligen Ausrutscher. Es sind genauestens kalkulierte Aussagen, die auf das abzielen, was seine Anhänger hören möchten. Mal sind es böse Juden, die die Welt beherrschen wollen, dann wieder die Moslems, die für alles Übel verantwortlich sind. Seine Radioshow hat noch immer Millionen Zuhörer, gerade hat er seinen eigenen Internet-Fernsehsender GBTV gegründet.

Jedes Wort, jede Geste in seinen Shows ist geplant und einstudiert. Auch die Tränen, die seine Auftritte beenden. »Wir«, stammelt er, während ihm die Stimme bricht und seine Augen feucht werden, »müssen jetzt die Ärmel hochkrempeln, um Hoffnung und Glaube wiederzufinden. Gott ist mit Israel.«

Politik So sehr Beck seine Verbundenheit auch betonte, jüdische Organisationen hatten sich noch vor der Reise massenhaft von ihm distanziert. Linke israelische Politiker wünschten ihn schnell wieder nach Hause, weil er sich vehement für den Siedlungsbau in der Westbank einsetzt und gegen Friedensbemühungen mit den Palästinensern ätzt. Doch Beck hat auch Befürworter: Danny Danon vom Likud etwa, der meinte, »es ist wichtig, dass es Leute gibt, die Israel unterstützen, und dass nicht die ganze Welt gegen uns ist. Er ist ein Freund, wir sollten mit ihm zusammenarbeiten.«

Die meisten Israelis indes finden ihn zu extrem, seine messianischen Prophezeiungen halten viele schlicht für »lächerliches Gequatsche«. Demonstranten in Jerusalem, die den Skandalmoderator ausbuhten und Schilder mit »Beck go home« in die Höhe hielten, ignorierte er einfach.

Darüber, wie er sich seine zukünftige Rolle vorstelle, ließ er bei seiner letzten Vorstellung keinen Zweifel: »Das, was hier passiert, betrifft nicht nur Israel, sondern die Zukunft des gesamten Globus«, sprach er und wischte sich medienwirksam eine Träne aus dem Augenwinkel. »Die Welt wartet auf Anführer – und wir sind die Anführer.«

Berlin

Bundesregierung hebt Stopp der Rüstungsexporte nach Israel wieder auf

Die Waffenruhe in Gaza hält seit mehr als fünf Wochen. Die Bundesregierung nimmt das zum Anlass, ihre massiv kritisierte Entscheidung aus dem Sommer rückgängig zu machen

von Michael Fischer  17.11.2025

Untersuchungskommission

7. Oktober: Netanjahu-Regierung will sich selbst untersuchen

Die Regierung Netanjahu hat auf Druck des Obersten Gerichts nach mehr als zwei Jahren einer Untersuchung der Versäumnisse, die zum 7. Oktober geführt haben, zugestimmt. Allerdings will man das Gremium und den Untersuchungsumfang selbst bestimmen

 16.11.2025 Aktualisiert

Tierschutz

Hilfe für die Straßentiger

In Israel leben schätzungsweise eine Million streunende Katzen. Eine Studie der Hebräischen Universität zeigt, warum das Füttern der Vierbeiner auch Nachteile haben kann

von Sabine Brandes  16.11.2025

Geiseln

»Ich bin immer noch seine Verlobte«

Wenige Monate bevor Hadar Goldin 2014 von der Hamas ermordet und sein Leichnam in Gaza festgehalten wurde, hatte er sich verlobt. Wie geht es seiner damaligen Braut heute, da Goldin endlich nach Hause gekommen ist?

 16.11.2025

Jerusalem

Nach Streit: Zionistischer Weltkongress einigt sich

Zwei Wochen lang zogen sich die Verhandlungen in dem globalen jüdischen Gremium hin. Nun gibt es ein Abkommen, das der Mitte-links-Block als Sieg für sich wertet

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Gaza

Hamas kontrolliert zunehmend wieder den Lebensmittelmarkt

Zu dem Versuch der Hamas, ihre Macht in Gaza wieder zu stärken, gehören auch Überwachung und Sondergebühren, so ein Agenturbericht

 16.11.2025

Israel

Haie vor Hadera

Warmes Abwasser aus einem Kraftwerk lockt im Winter die Fische an die Küste. Wissenschaftler fordern nun einen saisonalen Schutz, um gefährliche Begegnungen zwischen Mensch und Tier zu vermeiden

von Sabine Brandes  15.11.2025

Meinung

Israel: Keine Demokratie ohne Pressefreiheit

Den Armeesender abschalten? Warum auch jüdische Journalisten in der Diaspora gegen den Plan von Verteidigungsminister Katz protestieren sollten

von Ayala Goldmann  14.11.2025

Nahostkonflikt

Indonesien will 20.000 Soldaten für Gaza-Truppe bereitstellen

Der US-Plan für die Stabilisierung des Küstenstreifens sieht eine internationale Eingreiftruppe vor. Einige Staaten haben bereits Interesse bekundet

 14.11.2025