7. Oktober

Lapid: »Netanjahu wusste von der Bedrohung«

Lapid vor dem unabhängigen Untersuchungskomitee zum 7. Oktober Foto: Flash 90

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe vor dem Massaker der Hamas am 7. Oktober in südlichen israelischen Gemeinden von der Bedrohung durch Terroristen gewusst. Davon ist Oppositionsführer Yair Lapid (Jesch Atid) überzeugt. Das sagte er am Donnerstag vor einer zivilen, unabhängigen Untersuchungskommission zum 7. Oktober. Lapid sagte aus, dass Netanjahu sich zu den beispiellosen Warnungen nicht geäußert und stattdessen »gelangweilt und gleichgültig« gewirkt habe.

Der Premier hat bis heute keine Verantwortung für das Scheitern bei der Vereitelung des verheerenden Massakers der Hamas übernommen, während es sowohl die Anführer der Armee und der Geheimdienste getan haben. Rufe nach Verantwortung des politischen Establishments wiegelt er häufig mit den Worten ab, »dafür ist Zeit, wenn der Krieg vorbei ist«.

Feinde nahmen Schwächung bei Israels Verteidigung wahr

Lapid berichtete, dass der damalige Militärsekretär des Premierministers, Avi Gil, während einer Besprechung zur Sicherheitslage am 21. August 2023 erklärt habe, dass terroristische Organisationen – von Iran und Hisbollah bis hin zu Terrorgruppen in Gaza und dem Westjordanland – aufgrund der Justizreform eine Schwäche bei Israels Verteidigung wahrnehmen würden. Gils Präsentation, die Material aus allen Verteidigungshierarchien zusammengefasst habe, deutete darauf hin, dass Israels Feinde eine Gelegenheit sahen, Israel zu schaden, sagte Lapid, der bei dem damaligen Treffen anwesend war.

Auch der Leiter des Inlandsgeheimdienstes, Ronen Bar, habe vor »nie dagewesenen Folgen« durch die Bestrebungen der Regierungskoalition, die Justiz zu schwächen, gewarnt. Lapid habe Bar gefragt, ob er diese Nachrichten an Netanjahu und die Kabinettsminister übermittelt habe, worauf die Antwort »selbstverständlich« gewesen sei. Der Geheimdienstchef fügte hinzu, dass auch Präsident Isaac Herzog über die wachsende Sicherheitsbedrohung informiert worden sei. Dazu hätten interne Spannungen und ein Leistungsverlust beim israelischen Militär und darüber hinaus eine sich anbahnende Krise mit den USA gehört.

»Halevi wollte aktenkundig machen, dass er gewarnt hatte und ignoriert wurde.«

Er berichtete, dass der Stabschef der israelischen Armee, Herzi Halevi, ein Treffen mit Netanjahu über die Auswirkungen der Spaltung der israelischen Gesellschaft auf die nationale Sicherheit anstrebte, was ihm jedoch verweigert wurde. Halevi schrieb daraufhin einen Brief an Netanjahu, in dem er die Gefahren schilderte. Lapid dazu: »Halevi wollte aktenkundig machen, dass er gewarnt hatte und ignoriert wurde.« Der Stabschef hatte bereits kurz nach dem Hamas-Massaker die persönliche Verantwortung übernommen für die Versäumnisse der IDF, den schlimmsten Terroranschlag in Israels Geschichte nicht verhindert zu haben.

In den Wochen nach diesen Treffen habe der Oppositionsführer klassifizierte Geheimdienstmaterialien eingesehen, berichtete er der Kommission. »Für mich war das, was dort geschrieben stand, eindeutig. Die israelische Abschreckung ist dramatisch geschwunden, unsere Feinde glauben, sie hätten eine seltene Gelegenheit, uns zu schaden.« Das Material habe ihm klargemacht, »Israel ist in höchster Gefahr«.

Zutiefst beunruhigt habe er am 20. September eine Pressekonferenz abgehalten, erklärte er. Dabei habe er gesagt: »Vor Jom Kippur muss ich die Bürger Israels warnen: Wir nähern uns einer Konfrontation an mehreren Fronten. Laut den Sicherheitsbehörden ist die Zahl der Warnungen im palästinensischen Westjordanland beispiellos. Und die jüngsten Ereignisse an der Grenze zu Gaza sind genau von der Art, die bereits in der Vergangenheit zu Kampfhandlungen geführt haben.«

Regierungskoalition habe Warnungen ignoriert

Lapid fasste seine Aussage mit den Worten zusammen: »Netanjahu hat es gewusst, das Kabinett hat es gewusst, denn das Verteidigungsestablishment hat gewarnt, und alle Geheimdienste haben wiederholt gewarnt«. Er sei entschlossen, »die Behauptung zu widerlegen«, die politische Ebene in Jerusalem hätte keine Informationen darüber erhalten, dass die Hamas nicht länger abgehalten werden könne, Israel anzugreifen.

Genauso wie er sei auch der Premierminister über die Bedrohungen von Feindesseite vor dem 7. Oktober auf dem Laufenden gewesen. Seiner Meinung nach habe Netanjahu gewusst, dass der Iran, die Hisbollah, die Hamas und der Islamische Dschihad »eine Chance« sahen. »Der Premierminister wusste, dass es die Verantwortung der Regierung war, auf die Warnungen zu reagieren – und tat dies nicht.«

Netanjahus Likud-Partei teilte daraufhin mit: »Yair Lapid lügt wieder.« Netanjahu habe keinerlei Warnung vor dem 7. Oktober erhalten.

Jom Haatzmaut

»Ich habe keine Unabhängigkeit, weil sie immer noch dort sind«

Der aus dem Gazastreifen befreite Yarden Bibas bittet die Israelis, sich einer Solidaritätsaktion für die noch verbleibenden Geiseln anzuschließen

von Sabine Brandes  30.04.2025

Notstand

Jom-Haazmaut-Feiern wegen Feuer abgesagt

Im Umkreis von Jerusalem sind schwere Waldbrände nicht unter Kontrolle zu bekommen. Straßen werden gesperrt und Wohnorte geräumt. Die Feiern zum Unabhängigkeitstag werden abgesagt

 30.04.2025

Israel

Arbel Yehoud musste Geiselhaft barfuß überstehen - auch im Winter

Die 29-Jährige hat in der Ruine ihres Hauses im Kibbuz Nir Oz ein Interview gegeben und grausame Details aus ihrer Gefangenschaft geschildert

 30.04.2025

Raanana

Randale bei israelisch-palästinensischem Gedenken an Opfer

Bei Tel Aviv greifen ultrarechte Aktivisten Zuschauer einer Gedenkfeier sowie Polizisten an. Auch in Tel Aviv kommt es zu einem Vorfall

 30.04.2025

Debatte

Medienberichte: Israels Regierung hebt Entlassung Bars auf

Israels Führung wollte den Geheimdienstchef loswerden, am Montag erklärte Ronen Bar selbst seinen Rücktritt. Die Regierung nimmt nun ihren Entlassungsbeschluss zurück - womöglich nicht ohne Grund

von Cindy Riechau  29.04.2025

Jom Hasikaron

Ganz Israel trauert

Mit dem ersten Sirenenton am Abend beginnt das Gedenken für die gefallenen Soldaten und Terroropfer

von Sabine Brandes  29.04.2025

Rekord

So viele Menschen leben in Israel

Eine neue Statistik liefert überraschende Antworten

 29.04.2025

Tel Aviv

»Sie würde aussehen wie ein Sumo-Ringer«

Benjamin Netanjahu bestreitet im Korruptionsprozess gegen ihn, dass seine Frau 160 Kisten Champagner bekommen hat

 29.04.2025

Menschenrechte

Immer schriller: Amnesty zeigt erneut mit dem Finger auf Israel

Im neuesten Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation wirft sie Israel vor, einen »live übertragenen Völkermord« zu begehen

von Michael Thaidigsmann  29.04.2025