Covid-19

Keine Bars und keine Gebete

Straßensperre im Jerusalemer Viertel Ramot Foto: Flash90

1,3 Millionen Israelis durften in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch ihre Häuser nur im Ausnahmefall verlassen und weder in Restaurants oder Bars gehen noch in Synagogen beten. Über 40 Ortschaften, alle entweder mit überwiegend ultraorthodoxer oder arabischer Bevölkerung, war zum ersten Mal während der Pandemie eine nächtliche Ausgangssperre verhängt worden. Die Infektionszahlen mit Covid-19 sind dort überdurchschnittlich hoch.

LOCKDOWN Während der Maßnahme gelten die Einschränkungen für die Bevölkerung von 19 Uhr abends bis fünf Uhr am nächsten Morgen. Sie soll zunächst eine Woche lang andauern, bis das Corona-Kabinett erneut berät. Zunächst war ein kompletter Lockdown für die »roten Gemeinden« entsprechend eines Plans vom Corona-Beauftragte der Regierung, Ronni Gamzu, verkündet worden.

Doch ein wütender Brief von vier Ortsvorstehern charedischer Gemeinden führte dazu, dass Premierminister Benjamin Netanjahu einlenkte und stattdessen den Kompromiss der Ausgangssperren präsentierte.

»Die Infektionsrate in den ›roten Städten‹ ist eine der höchsten in der Welt.«

Corona-Beauftragter Ronni Gamzu

»Die Infektionsrate in den ›roten Städten‹ ist eine der höchsten in der Welt«, erläuterte Gamzu. »Und sogar die Raten in den ›grünen Orten‹ sind hoch. Wir müssen agieren, um unser Volk zu schützen.« Gamzu selbst musste sich am Dienstag in Quarantäne begeben, nachdem einer seiner Mitarbeiter positiv auf Corona getestet worden war.

WIDERSTAND Doch auch gegen diese neuen Maßnahmen gibt es großen Widerstand, nach wie vor überwiegend in ultraorthodoxen Kreisen. Einige Bürgermeister und Rabbiner wollen sich den Restriktionen sogar widersetzen. Wie der Bürgermeister der Siedlung im Westjordanland, Beitar Illit, Meir Rubenstein, der seinen Bewohnern rät, sich nicht an die Regeln zu halten. Er meint, sie seien »eine Diskriminierung gegen Charedim, die ich nicht unterstützen werde«. Man solle stattdessen einen nationalen Lockdown durchführen, schlägt er vor.  

Gamzu betonte, dass er die Schwierigkeiten mit den neuen Restriktionen verstehe. »Ich weiß, dass es Wut und Frustration gibt, die sich gegen mich richten. Aber ich muss loyal zur professionellen Wahrheit bleiben.« Er forderte die Israelis in den »nicht roten Zonen« auf, sich mit den anderen Einwohnern solidarisch zu erklären und ebenfalls die Bewegung in der Nacht zu limitieren.

VIRUS In Jerusalem sind neun Viertel, alle religiös oder arabisch, betroffen. Auch hier übte Bürgermeister Mosche Leon Kritik. Er wolle die Restriktionen zwar durchsetzen, hält sie jedoch für ineffektiv, »denn das Virus hat keine Stunden, in denen es schläft«.

Der Knessetabgeordnete der ultraorthodoxen Partei Vereintes Tora-Judentum, Uri Maklev, schimpfte, dass das Kabinett »den einfachen und wirkungslosen Weg gewählt hat, ganze Städte abzuriegeln«. Das Schließen von Schulen sei ein harter Schlag für die Bildung und Wirtschaft und führe im Endeffekt zu einer erhöhten Infektionsrate.

Die israelische Polizei ist in erhöhter Bereitschaft, um die Entscheidung der Politik durchzusetzen.

In fast allen betroffenen Orten leben vorwiegend ärmere Einwohner arabischer oder ultraorthodoxer Gemeinden in beengten Wohnräumen, in denen soziale Distanz oft nahezu unmöglich ist. Dazu gehören Umm Al-Fachem, einige Viertel in Aschkelon, Beit Schemesch, Bnei Brak, Baqa Al-Garbijeh und andere.

Die Polizei sei während der nächtlichen Ausgangssperren in erhöhter Bereitschaft, ließ Polizeichef Moti Cohen wissen. »Die israelische Polizei ist anwesend, um die Entscheidung der Politik umzusetzen und zu überwachen.«

Berlin

»BILD«: Hinweis auf Ausspähung von deutschen Juden durch den Iran kam vom Mossad

Die Hintergründe

 01.07.2025

Meinung

Kontrollverlust im Westjordanland

Immer wieder ziehen radikale Siedler marodierend durch palästinensische Ortschaften. Nun machen sie nicht einmal mehr vor Soldaten der eigenen Armee Halt

 01.07.2025

Washington D.C.

Trump will Netanjahu am Montag treffen

Der US-Präsident und der israelische Ministerpräsident wollen über den Gazastreifen und den Iran sprechen

 01.07.2025

Nahost

Israel: Wir stehen kurz vor Abschluss des Einsatzes in Gaza

US-Präsident Donald Trump sagte jüngst, dass es bald im Gaza-Krieg eine Waffenruhe geben könnte. Auch Israels Verteidigungsminister Katz äußert sich nun optimistisch

 30.06.2025

Krieg

»Unser Schmerz macht uns nicht blind für das Leid anderer«: Palästinenser in Gaza zeigen Fotos getöteter israelischer Kinder

Bei Mahnwachen im Gazastreifen fordern Palästinenser mit einer ungewöhnlichen Aktion Frieden für Nahost. Die Gaza-Anwohner fordern auch die Freilassung aller aus Israel entführten Geiseln

 30.06.2025

Nahost

Kreise: Syrien und Israel sprechen über »Sicherheitsvereinbarungen«

Offiziell befinden sich Israel und Syrien im Kriegszustand. Die neue Führung in Damaskus zeigt sich offen, das zu ändern. Aus Kreisen in Syrien heißt es, es gebe direkte Gespräche

 30.06.2025

Westjordanland

Siedlergewalt gegen Soldaten eskaliert

Jüdische Extremisten greifen Armeebasis an und zünden millionenteure Sicherheitsanlage zur Terrorverhinderung an

von Sabine Brandes  30.06.2025

Meinung

»Ha’aretz«: Stimmungsmache gegen Israel

In den vergangenen Jahren hat die israelische Zeitung mehrfach Falschbehauptungen oder verzerrte Darstellungen in Umlauf gebracht hat - mit weitreichenden Folgen

von Jacques Abramowicz  30.06.2025

Jerusalem

Netanjahu: »Zunächst einmal müssen wir die Geiseln befreien«

Eine Äußerung des Premierministers deutet darauf hin, dass es eine Verschiebung der israelischen Prioritäten im Krieg gegen die Hamas gibt. Die Hintergründe

 30.06.2025